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Zurechtweisung mit Folgen: Landeunfall einer Cessna 172
Ein Pilot kassiert nach dem unerlaubten Einflug in Luftraum C eine Ermahnung. Der Flug endet dramatisch – gibt es einen Zusammenhang?
Konzentration ist im Cockpit ebenso wichtig wie Fahrtmesser und Steuerhorn. Wer in Gedanken woanders ist, kann im Ernstfall nicht schnell genug reagieren. Aus einem Routinemanöver wird dann unter Umständen ein Notfall. Es liegt aber allein beim Piloten, seine mentale Flugtauglichkeit richtig einzuschätzen. Auf dem badischen Sonderlandeplatz Herten-Rheinfelden, ganz im Südwesten Deutschlands nahe der Schweizer Grenze gelegen, bereitet sich am Morgen des 17. April 2011 der Pilot einer Cessna 172 auf einen Überlandflug nach Biberach vor.
Der erfahrene Flieger ist 88 Jahre alt und hat 1311 Stunden sowie 1512 Starts und Landungen in seinem Flugbuch stehen. Etwa 1000 Stunden ist er bisher auf der C172 geflogen. Mit an Bord ist an diesem Frühlingsmorgen eine Passagierin. Bei optimalen Sichtflugbedingungen und mäßigem Wind hebt der Hochdecker um 11.23 Uhr ab und nimmt Kurs Ost-Nordost, Richtung Oberschwaben. Etwa eine Viertelstunde nach dem Start kommt es zu einem Zwischenfall nahe der Schweizer Grenze: Der Pilot steuert die Cessna versehentlich in den Luftraum C von Zürich-Kloten, der hier von 4500 Fuß bis FL 195 reicht.
Cessna 172 dringt versehentlich in kontrollierten Luftraum ein
Die Maschine kreuzt den kontrollierten Luftraum in etwa 5100 Fuß, ein Controller von Zürich-Radar meldet den Zwischenfall dem Flugleiter in Biberach. Als die Cessna dort um 12.15 Uhr ankommt, wird der Pilot sogleich auf sein Vergehen hingewiesen. Der 88-Jährige weiß, dass ein derartiger Fehltritt unter Umständen teuer werden kann. Nicht nur deshalb liegt ihm die Sache vermutlich schwer im Magen. Der Fehler und die unangenehme Zurechtweisung haben ihm den launigen Frühlingstrip womöglich gründlich verdorben.
Um 13.45 Uhr machen sich Pilot und Passagierin auf den Rückweg Richtung Herten-Rheinfelden. Nur wenige Minuten nachdem die Cessna in Biberach gestartet ist, rastet der Pilot die Frequenz von Zürich Information und entschuldigt sich nachdrücklich für seinen Irrtum: „… auf meinem Herflug hab ich wahrscheinlich die Höhe nicht richtig eingehalten. Mir wurde das jetzt in Biberach mitgeteilt. Ich möchte mich recht herzlich entschuldigen.“ Der Lotse reagiert geschäftig-reserviert: „Wir werden die Entschuldigung weiterleiten nach Zürich-Anflug. Sie sind, glaub’ ich, dort eingeflogen.“ Die Cessna lässt jetzt die südlichen Ausläufer von Schwäbischer Alb und Schwarzwald hinter sich. Dann nimmt der Pilot Funkkontakt zu Herten-Rheinfelden auf und meldet sich zur Landung.
Cessna-Pilot: Bitte um Entschuldigung
In den folgenden Minuten sinkt die Einmot von 6000 Fuß bis auf Platzrundenhöhe. Mit deutlich Überfahrt und gesetzten Klappen dreht der Pilot ins Endteil ein. Erst auf Höhe der Halbbahnmarkierung setzt die Maschine zum ersten Mal auf, springt aber gleich wieder in die Luft. Der Pilot versucht daraufhin vermutlich, die Cessna auf die Piste zu drücken. Das Manöver misslingt, die Maschine kracht mit großer Längsneigung etwa 80 Meter hinter dem Pistenende der „06“ auf eine Wiese und überschlägt sich. Beide Insassen sterben beim Aufprall. Das Heck des Hochdeckers ist auf Höhe des Gepäckraumes geborsten; Propeller, Bugrad sowie Triebwerksverkleidung und die rechte Cockpittür werden beim Aufschlag vom Rumpf abgetrennt.
Das Cockpit gleicht einem Trümmerhaufen: Der rechte vordere Sitz ist aus seiner Halterung gebrochen, Steuerstangen und Instrumentenpanel sind herausgerissen und gestaucht. Einzig die Sicherheitsgurte haben der Aufprallenergie standgehalten. Die vordergründige Unfallursache ist schnell aufgeklärt: Die GPS-Daten aus dem Navigationsgerät der Cessna, die die Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) auswerten, ergeben ein klares Bild: Der Pilot flog im Endanflug mit einer Geschwindigkeit von etwa 79 Knoten. Im Handbuch der Cessna 172 sind 55 bis 60 Knoten angegeben. Statt nach dem ersten Aufsetzen durchzustarten, versuchte er sehr wahrscheinlich, die Maschine mit Gewalt auf die Piste zu drücken – ein schwerwiegender Pilotenfehler. Dadurch kam es wohl zum Übersteuern der Cessna. Die Folge: der harte zweite Aufschlag mit 25 Grad Längsneigung und einer noch sehr großen Aufprallenergie.
Landeunfall der Cessna: Nur ein Pilotenfehler?
Für die BFU-Experten ergeben sich jedoch trotz des klaren Unfallhergangs einige Fragen, die schwer zu klären sind: Wie kam es zu dieser fahrlässigen Handlungsweise eines erfahrenen und in der Vergangenheit stets umsichtig agierenden Piloten? War sein hohes Alter möglicherweise ursächlich für die missglückte Landung? Und schließlich: Welchen Einfluss hatten die vorangegangenen Ereignisse auf die mentale Verfassung des Flugzeugführers?
So offensichtlich der Pilotenfehler beim Landeanflug ist, so schwierig gestaltet sich die Aufklärung der dafür ursächlichen Umstände. Das hohe Alter des Piloten wollen die BFU-Ermittler als Unfallursache nicht ausschließen. Im Abschlussbericht heißt es: „Eine mögliche verminderte Reaktionsfähigkeit des 88-Jährigen auf die außergewöhnlichen Umstände bei der Landung kann ein zum Unfall beitragender Faktor gewesen sein.“ Soll heißen: Direkte Hinweise auf eine altersbedingte Konzentrationsschwäche gibt es nicht, doch angesichts der physischen Belastungsgrenzen eines jeden Menschen in hohem Alter ist sie nicht völlig auszuschließen.
Was die vorangegangenen Ereignisse angeht, so wird der Untersuchungsbericht deutlicher: Der Funkverkehr mit Zürich Information auf dem Rückflug, dessen Abschrift den BFU-Ermittlern vorlag, lasse auf eine Unkonzentriertheit des Piloten schließen, wahrscheinlich ausgelöst durch die Zurechtweisung in Biberach. Wie diese vonstatten ging, ist dem Unfallbericht nicht zu entnehmen. Offenbar war das Ereignis aber aufwühlend genug für den erfahrenen Piloten, dass er bei der Landung in Herten-Rheinfelden einen typischen Anfängerfehler beging – mit katastrophalen Folgen.
Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 1/2013
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