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Zehn Fakten zur Motorüberholung: Neu ist nicht neu

Das Thema Überholung ist kompliziert – gerade, wenn es um Triebwerke und deren Aggregate geht. Wir erklären wichtige Begriffe und Zusammenhänge.

Von Thomas Borchert
Bausatz: Bei einer Motorüberholung werden viele Teile ausgetauscht - aber nicht alle. Foto: Continental Motors

Muss man bei Erreichen des Überholungsintervalls den Motor tauschen? Welche Optionen gibt es dabei? Und was wird überhaupt getauscht?

Das fliegermagazin nennt zehn wichtige Fakten rund um das Thema Motorüberholung beim Flugzeug:

1. Fakt: Wofür steht das Kürzel TBO?

TBO:  Das Kürzel steht für »time between overhaul« und kommt in der Fliegerei immer wieder vor. Damit legt ein Hersteller Überholungsintervalle für Flugzeugbauteile fest. Das betrifft den Motor, aber auch Propeller, Schläuche, Sicherheitsgurte und weitere Komponenten. Bei Motoren und vielen anderen Bauteilen wird unterschieden zwischen einer Betriebs- und einer Kalenderzeitgrenze.

So gibt es bei Triebwerken meistens ein Kalenderzeitlimit, oft zwölf Jahre; aber auch ein Betriebszeitlimit, zum Beispiel 1600 oder 2000 Stunden. Dabei zählen üblicherweise die Stunden im Flug, Laufzeit am Boden dagegen nicht – außer, der Hersteller legt etwas anderes fest. Je nachdem, welche Grenze zuerst erreicht wird (bei privat betriebenen Flugzeugen oft das Kalenderlimit), empfiehlt der Hersteller dann eine Überholung.

2. Fakt: Ist die TBO eine Empfehlung?

Kann oder muss?  Wird ein Flugzeug nicht gewerblich betrieben, gilt die TBO als Empfehlung des Herstellers. Es müssen also nicht zwangsläufig Motor, Propeller oder Schläuche nach Ablauf einer bestimmten Zeit ausgetauscht oder überholt werden, selbst wenn sie in bestem Zustand sind. Wer TBOs überschreiten möchte, muss dies im Instandhaltungsprogramm des Flugzeugs vorsehen – was sich dringend empfiehlt. Ein Hersteller kann manche Überholungen allerdings auch zwingend vorsehen. Das gilt zum Beispiel für das Zehn-Jahres-Intervall beim Rettungssystem der Cirrus. 

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3. Fakt: Wofür steht das Kürzel TBR?

TBR:  Es gibt Hersteller, die nach Ablauf des Intervalls einen Ersatz vorsehen, nicht die Überholung. Das R steht für »replacement«. So haben zum Beispiel die Diesel-Flugmotoren von Continental (früher Thielert) eine TBR, bei deren Erreichen ein neues Triebwerk eingebaut wird. Diese Zeit darf nicht überschritten werden.

4. Fakt: Neuer Motor oder Überholung?

Factory Rebuild  Was die Überholung von Motoren und anderen Bauteilen angeht, gibt es feine Abstufungen, die große Auswirkungen auf den Preis haben können. Die teuerste Variante ist der Kauf eines fabrikneuen Triebwerks ab Werk. Doch auch wer seinen alten Motor für einen »Rebuild« zum Hersteller schickt, bekommt einen Motor zurück, der aus Sicht der luftfahrtrechtlichen Vorschriften »neu« ist.

Das bedeutet: Bei der Überholung wurden alle Teile inspiziert, vermessen und gegebenenfalls so repariert oder ersetzt, dass sie die Spezifikationen und Toleranzen eines neuen Motors erfüllen. In beiden Fällen erhält der Motor eine neue Seriennummer und gilt als Triebwerk mit null vorherigen Betriebsstunden. Manche technischen Verbesserungen können nur bei einem Rebuild durch den Hersteller vorgenommen werden. Ein wichtiger Vorteil eines Rebuilds: Man kann seinen Motor zum Hersteller schicken und erhält sofort ein »neues« Triebwerk zurück, sodass die eigene Maschine schnell wieder in der Luft ist. Der »Core Value« (siehe Punkt 9) des alten Motors wird dann angerechnet, wenn dieser nicht gravierende Schäden aufweist. 

5. Fakt: Was ist bei der Überholung zu beachten?

Overhaul:  Meist deutlich günstiger ist die Überholung durch einen darauf spezialisierten Werftbetrieb. Dabei geschieht im Unterschied zum unter Punkt 4 genannten Rebuild zweierlei: Zum einen werden gemäß einer vom Hersteller vorgeschriebenen Liste Teilen ersetzt. Zum anderen werden alle Komponenten inspiziert, vermessen und gegenebenfalls so repariert, dass sie die Mindestanforderungen des Herstellers erfüllen. Der Motor muss also nicht die Toleranzen eines neuen Triebwerks erfüllen, sondern nur die Bedingungen für Lufttüchtigkeit, wie sie auch für einen Motor mit vielen Flugstunden gelten. Nach einer solchen Überholung bleibt die Gesamtstundenzahl des Triebwerks erhalten, nur die Betriebszeit nach Überholung (time since main overhaul) wird auf Null gesetzt.

Weil man den ursprünglichen Motor nach der Überholung zurückbekommt, muss man warten, bis die Arbeiten erledigt sind – das Flugzeug wird also einige Wochen am Boden bleiben.

6. Fakt: Was heißt das Kürzel IRAN?

IRAN:  Auch dieses Kürzel steht für einen englischen Begriff, nämlich für »inspect and repair as necessary«. Beim Inspizieren und Reparieren nach Bedarf gibt es für die Werft keine Verpflichtung, eine vom Hersteller vorgegebene Liste von Bauteilen zu ersetzen oder Toleranzen nachzumessen. Motor oder Bauteil werden einfach so repariert, dass sie ordnungsgemäß funktionieren. Ein Zurücksetzen der Betriebszeit nach Überholung kann dann nicht erfolgen. IRAN bietet sich zum Beispiel bei Zündmagneten an, bei denen eine offizielle Überholung fast so teuer ist wie eine Neuanschaffung – eine Reparatur nach Bedarf dagegen nicht.

7. Fakt: Alle Zylinder austauschen?

Top Overhaul:  Dieser Begriff steht für Überholung des »oberen Teils« des Motors – also der Zylinder. Das Kurbelgehäuse mit den darin enthaltenen Komponenten wird bei einem Top Overhaul nicht überholt. Viele Werften raten zu einem Austausch aller Zylinder, auch wenn nur ein Teil von ihnen in einem schlechten Zustand ist. Auf die TBO hat diese Arbeit aber keinen Einfluss. Manche Experten raten zudem vehement von einem Top Overhaul ab, weil das Risiko hoch sei, dass dabei Schaden am Motor angerichtet wird.

Zu ihnen zählt der amerikanische Wartungsfachmann Mike Busch. Er sagt, es sei höchst unwahrscheinlich, dass wirklich alle Zylinder zugleich defekt sind. Also spricht aus seiner Sicht nichts dagegen, einzelne Zylinder nur dann auszutauschen, wenn dies wirklich erforderlich ist. 

8. Fakt: Was gilt bei Anbauteilen zu beachten?

Anbauteile:  Wie unter Punkt 7 beschrieben, lassen sich sogar Zylinder als »Anbauteile« des Motors betrachten, die bei einem Defekt ausgetauscht werden. Eigentlich sind damit aber Aggregate wie Anlasser, Zündmagnete, Lichtmaschine, Vergaser, Vakuum- und Benzinpumpe sowie Schläuche oder Zündkabel gemeint. Bei einem Overhaul hat der Hersteller für manche dieser Teile bestimmt, dass sie getauscht werden müssen – etwa für Dichtungen und Schläuche. Doch für komplexere Aggregate muss abgesprochen werden, ob die Anbauteile überholt oder sogar ersetzt werden. 

9. und 10. Fakt: Was ist mit Core Value und Owner-in-Command gemeint?

Core Value  Dieser englische Begriff beschreibt den Wert des alten Teils, der bei einem Rebuild (Punkt 4) angerechnet wird. Man erhält dann ein neues oder neuwertiges Aggregat, das alte verbleibt beim Reparaturbetrieb.

Owner-in-Command  Für private Flugzeugeigner ist die Möglichkeit zur Überschreitung der TBO in Absprache mit der Werft eine der wichtigsten Möglichkeiten, ihre Betriebskosten zu optimieren. Auch die sorgfältig abgewogene Entscheidung zwischen Rebuild, Overhaul und Reparatur beeinflusst die Kosten der Wartung erheblich. Es lohnt sich also für Eigner, sich aktiv in diesen Prozess einzubringen.

Über den Autor
Thomas Borchert

Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.

Schlagwörter
  • Moro
  • TBR
  • Anbauteile
  • Core Value