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Wie kann man Fluglärm an Flugplätzen reduzieren?

Jenseits aller Lärmschutzverordnungen können Piloten mit wenigen Kniffen ihren „noise footprint“ minimieren. Wir geben Tipps!

Von Toni Ganzmann
Mitdenken
Mitdenken beim Blick auf den Boden: Wer seine Anflugstrecke richtig wählt, kann mit Kursänderungen nur um wenige Grad lärmsensitive Gebiete wie Ortschaften und Siedlungen meiden. Folgt man Bahngleisen oder einer Autobahn, ist dort ohnehin am Boden Lärm. Foto: Helmuth Mauch

Wann darf es denn bei Ihnen etwas lauter sein? Bei hartem Techno-Sound, deutschen Schlagern oder schmissiger Marschmusik? Aber Vorsicht: Auch positiv besetzte Geräusche können bei zu langer Beschallungsdauer zunehmend als lästiger Lärm empfunden werden. Wilhelm Busch wusste schon vor einhundert Jahren: „Musik ist angenehm zu hören, doch ewig braucht sie nicht zu währen.“

Als Flieger hören Sie bestimmt gerne das tiefe Röhren eines Neun-Zylinder-Sternmotors oder das Singen einer Gasturbine. Aber dauernd?! Versetzen Sie sich einmal in die Lage eines „Fußgängers“, der in Nähe eines Flugplatzes wohnt, womöglich noch mit einem schönen Garten, und der alle fünf Minuten überflogen wird. Da verwundert es nicht, dass der Wunsch nach strikten gesetzlichen Reglementierungen entsteht. Bereits vor 50 Jahren begann die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO), die zulässigen Geräuschemissionen von Luftfahrzeugen zu regeln – und dazu vor allem erst einmal sinnvolle Messverfahren zu erarbeiten.

Lärm minimieren: Deutschland ist gründlicher

Für kleine Flugzeuge sind zwei Verfahren üblich: Früher galt das Messverfahren Kapitel 6 des Annex 16 der ICAO-Abkommen, heute das nach Kapitel 10. Dazu muss das voll beladene Luftfahrzeug eine Messstation mehrfach mit (maximaler) Startleistung in einem definierten Höhenfenster überfliegen. Eine Software berücksichtigt noch eine Reihe meteorologischer Parameter und errechnet daraus den offiziellen Lärmpegel in Dezibel-A. Für Ultraleichtflugzeuge wird ein Verfahren analog Kapitel 10 verwendet.

Die erlaubten Grenzwerte variieren mit der maximalen Abflugmasse (MTOM). Werden sie eingehalten oder unterschritten, erhält das Flugzeug ein Lärmzeugnis. In Deutschland wird – wen wundert’s – nochmal nachgelegt: Einen sogenannten erhöhten Schallschutz erfüllen nur Flugzeuge, deren Lärmwert bei Messung nach Kapitel 6 sechs dB unter den Grenzen liegt, bei Kapitel 10 sieben dB. Diese Werte sind für viele Flugzeuge nur mit einem sehr großen technischen und extrem hohen finanziellen Aufwand zu realisieren.

Technische Möglichkeiten zur Lärmreduzierung

So bringen externe Schalldämpfer zwar diese Lärmreduzierungen, aber auch bis zu zehn Kilogramm Masse, fünf Knoten weniger Geschwindigkeit und einen erhöhten Treibstoffverbrauch. Dem gegenüber stehen vergleichsweise geringe Vorteile wie reduzierte Landegebühren und weniger Zeitbeschränkungen an Flugplätzen. Ein Flugzeug für den erhöhten Lärmschutz umzurüsten – das macht heute kaum noch jemand.

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Die drei Einstufungen „kein Lärmzeugnis“, „Lärmzeugnis“ und „erhöhter Schallschutz“ wirken sich infolge der Landeplatzlärmschutz-Verordnung an vielen Flugplätzen darauf aus, wann und wie geflogen werden darf. Und sie entscheiden an den meisten Flugplätzen darüber, was eine Landung kostet. Doch unabhängig von allen gesetzlichen Vorgaben geht es bei Fluglärm auch und vor allem darum, der Akzeptanz für die Allgemeine Luftfahrt nicht zu schaden. Und dafür können wir Piloten eine Menge tun.

Fluglärm minimieren, leiser starten

Sie beginnen Ihren Startlauf sicher immer ganz am Bahnanfang und steigen dann bis zur Platzrunden-/Reiseflughöhe mit Vy, der besten Steiggeschwindigkeit. Ein guter erster Schritt, aber deutlich lärmgünstiger wäre ein Start mit Vx, dem steilsten Steigwinkel. Das sind je nach Luftfahrzeug bis zu 15 Knoten weniger – aber Sie gewinnen deutlich eher Höhe.

Leiser StartenLeiser Starten
Es geht nicht nur um Hindernisse: Der Start mit Vx statt Vy sorgt auch dafür, dass man am Boden weniger Lärm verursacht, weil das Flugzeug schneller an Höhe gewinnt.

Wir haben selbst einmal Messungen mit Ultraleichtflugzeugen, Motorseglern und Motorflugzeugen durchgeführt. Etwa einen Kilometer nach dem Abheben haben wir ermittelt, wie laut und wie hoch die Maschinen mit Vy und mit Vx den Messpunkt überfliegen. Durch den steileren Abflug waren sie ungefähr 300 Fuß höher als mit der Standardsteigrate und die Geräuschemission war mindestens 4 db(A) geringer – deutlich hörbar..

Vor Abflug lärmsensitiven Gebiete anschauen

Bleibt man anschließend auf Platzrundenhöhe, so ist der Effekt natürlich nur auf unmittelbare Flugplatznachbarn beschränkt. Verlässt man die Umgebung jedoch, so ist man dort, wo die Anwohner nicht mehr unter der Platzrunde leben, schon deutlich höher. Wem der eigene „Lärm-Fußabdruck“ wichtig ist, der wird natürlich zuvor die lärmsensitiven Gebiete auf der Platzkarte studiert haben und diese meiden. Mit leichten Kursänderungen kann man auch sonst ohne Aufwand die dichter besiedelten Gegenden im Abflug meiden.

SightseeingSightseeing
Nicht übertreiben: Natürlich ist Sightseeing aus der Luft am schönsten. Doch die Zahl der Kreise über dicht besiedeltem Gebiet sollte ihre Grenzen haben.

Wer einen Verstellpropeller hat, kann noch mehr für die Lärmverringerung tun: Die meisten Handbücher erlauben eine Drehzahlreduzierung von meist 2700 auf 2500 rpm. Das senkt die Steigrate nur wenig, sorgt aber für deutlich weniger Lärm. Wichtig: Wer mit wenig Speed steigt, muss auf die Motortemperaturen achten, weil weniger Kühlluft in die Cowling fließt.

Leiser landen

Besonders nervig für Anwohner in Platzrundennähe wird es, wenn Piloten unnötig tief unterwegs sind. Das Ziel ist klar: Kurz vor der Platzrunde möchte man auf deren Höhe sein – aber eben nicht schon Meilen vorher, um dann mit Cruise Power im Tiefflug über die umliegenden Dörfer zu nageln. Mit etwas Übung kann man den letzen Teil des Sinkflugs sogar schon mit reduzierter Leistung fliegen und kommt dann vielleicht eine Nautische Meile vor der Platzrunde in der richtigen Höhe an – mit der Fahrt höchstens ein wenig über dem Beginn des weißen Bogens.

Auch für den Anflug sollte es selbstverständlich sein, lärmsensitive Gegenden in der Karte studiert zu haben, solche selbst zu erkennen und sie zu meiden. Auch hier gibt es wieder besondere Regeln für Flugzeuge mit Verstellpropeller. Der sollte für ein mögliches Durchstarten zwar auf höchste Drehzahl gesetzt werden – aber bitte erst dann, wenn die Motorleistung im Sinkflug so gering ist, dass man davon nichts mehr hört. Das ist normalerweise erst im Endanflug der Fall. Wer dagegen schon im Gegenanflug den Hebel nach vorn bringt, macht richtig Krach.

Höhe Länger halten, um Fluglärm zu reduzieren

Unter Berücksichtigung der Vorgaben des Flughandbuchs und der operativen Notwendigkeiten am Flugplatz sollte man die Höhe in der Platzrunde eher lange halten und den Endanflug etwas steiler anlegen – das ist für Zuhörer am Boden am leisesten. Auch sollten Klappen und Fahrwerk spät gesetzt werden.

In Flughandbüchern wird das Thema „Fluglärm“ kaum behandelt; Empfehlungen für leises Starten und Landen muss sich der Pilot anderweitig suchen. Der ohnehin vorgeschriebene Übungsflug mit Lehrer könnte eine schöne Gelegenheit sein, Ihre Verfahren ein wenig auf Lärmreduzierung zu optimieren.

Landeplatzlärmschutzverordnung

Sie legt fest, dass an Landeplätzen mit mindestens 15 000 Bewegungen pro Jahr und an Plätzen, an denen die Luftfahrtbehörde dies festlegt, Starts und Landungen wie folgt verboten sind: werktags vor 7 Uhr sowie zwischen 13 und 15 Uhr; am Wochenende und an Feiertagen vor 9 Uhr und nach 13 Uhr. Ausgenommen sind Flugzeuge mit Lärmzeugnis, also solche, die die Grenzwerte von Kapitel 6 oder 10 des ICAO-Annex 16 nachweislich einhalten. Sie dürfen aber nur starten oder landen, wenn sie nicht in der Platzrunde bleiben. Nach dem Start ist eine Rückkehr erst nach 60 Minuten erlaubt. Platzrundenverkehr ist nur für Flugzeuge mit erhöhtem Schallschutz gemäß der Verordnung erlaubt. Diese müssen die Grenzwerte der ICAO um sechs (bei Messung nach Kapitel 6) oder sieben (bei Messung nach Kapitel 10) dB unterschreiten.

In Folge der Verordnung haben viele Flugplätze ihre Landegebühren so gestaffelt, dass die Gebühren für Flugzeuge mit erhöhtem Schallschutz am niedrigsten sind, für Flugzeuge ohne Lärmzeugnis am höchsten. Dies führt immer wieder zu Diskussionen. Zum einen haben ältere Flugzeuge teils Lärmzeugnisse, aus denen die tatsächlich gemessenen Lärmwerte nicht ersichtlich sind. Solche Flugzeuge werden dann manchmal als „ohne Lärmzeugnis“ eingestuft, obwohl sie eines haben. Zum anderen haben ausländisch registrierte Flugzeuge oft kein Lärmzeugnis. Allerdings erkennt die Verordnung ausdrücklich „eine dem Lärmzeugnis entsprechende Urkunde“ an. So gibt es zum Beispiel im offiziellen Flughandbuch der Cirrus-Flugzeuge eine Seite mit den gemessenen Werten.

Zeichnungen: Helmuth Mauch, Illustrationen: Eric Kutschke

Über den Autor
Toni Ganzmann

Toni Ganzmann hat europäische und amerikanische Fluglizenzen für Hubschrauber, Motorflugzeuge und Luftsportgeräte und ist als SPL- und PPL-Fluglehrer (FI) und PPL-Flugprüfer (FE) tätig. Professionelle Flugerfahrung erwarb er bei den Heeresfliegern der deutschen Bundeswehr und beim Offshore-Service in den USA. Für das fliegermagazin ist er als freier Autor tätig.

Schlagwörter
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