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Wie gehe ich richtig mit Störungen und Notfällen im Flug um?

Richtige Vorbereitung und eine passende Herangehensweise machen den Umgang mit Problemen im Flug sehr viel leichter und erfolgversprechender. Am wichtigsten: Schon lange bevor etwas passiert, muss man sich mit dem Thema beschäftigt haben.

Von Redaktion
Checkliste
Das Maß der Dinge: Wenn es ein Notfall irgendwie zulässt, sollte die passende Checkliste abgearbeitet werden. Foto: Helmuth Lage

Schon klar: Wenn in einer Einmot das Triebwerk stehenbleibt, ist der Flug bald beendet – es muss sofort gehandelt werden. Doch häufig lassen Notfälle ebenso wie die weniger ernsten „Abnormals“ genug Zeit, um so mit ihnen umzugehen, dass ein sicherer Verlauf des Flugs gewährleistet bleibt. Doch damit das – unter Zeitdruck ebenso wie in Ruhe – funktioniert, muss eine bei vielen Piloten verbreitete Verdrängungstaktik überwunden werden. Und zwar lange bevor etwas passiert.

Allzu oft werden potenzielle Gefahren ignoriert und dadurch nicht nur mental vermieden, sondern auch die aktive Vorbereitung auf betriebliche Störungen umgangen. Damit stehen Piloten in einem akuten Notfall hilflos da und müssen aus der hintersten Ecke mentaler Abwesenheit in die reale Situation hineinfinden und dann völlig untrainiert versuchen, einen Lösungsweg zu finden. Wie soll das wohl funktionieren?

Störungen und Notfälle im Flug: Erstmal das Flugzeug fliegen

In der Luftfahrt gibt es kein „Aussitzen“ von Problemen. Ist der Notfall da, sollte man ein Konzept parat haben, auf das man vorbereitet ist. Wichtigste Grundlage dafür ist die Kenntnis der Systeme. Im PPL-Theorieunterricht erfährt man dafür Grundlagen, die dann (hoffentlich!) während der praktischen Schulung flugzeugspezifisch vertieft werden. Bei einer Umschulung auf ein anderes Muster ist da oftmals viel Eigeninitiative gefragt. Es sollte nicht passieren, dass ein Umsteiger von einem Vergasermotor bei rauem Motorlauf eines Einspritzers den Hebel für die Vergaservorwärmung sucht.

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Wie hilfreich es ist, wenn man eine Vorstellung von den Abläufen im Motor hat, konnte die fliegermagazin-Crew einst auf dem Rückweg von der AERO feststellen: Extrem rauer Motorlauf war schließlich auf einen defekten Zündmagneten zurückzuführen, der nicht einfach ausgefallen war, sondern hinterlistigerweise zur falschen Zeit dazwischenfunkte. Nachdem er abgeschaltet war, lief der Motor wieder rund.

Hier half nicht nur Systemkenntnis, sondern auch die Erinnerung daran, über einen Unfall aus genau dieser Ursache schon einmal gelesen zu haben – im fliegermagazin. Rechtzeitige und regelmäßige Beschäftigung mit potenziellen Fehlerquellen ist ein Schlüssel zum Erfolg. Das geht über Artikel in Fachmagazinen, durch Lesen des Handbuchs oder beim gedanklichen Durchspielen von Notfällen.

Manchmal passiert alles blitzschnell

Sitzt man im Flugzeug, gibt es zwar Fälle, für die jeder Pilot die Checkliste seines Musters auswendig kennen sollte, weil alles blitzschnell passiert. Motorausfall nach dem Start ist das klassische Beispiel, ein Feuer an Bord ebenso. Doch viel öfter bleibt Zeit für den Griff zur Checkliste – wenn sie sich denn in Reichweite befindet. Und das muss sie sein, ebenso wie die für den normalen Flugbetrieb. Die Liste findet sich im dicken Handbuch – besser wäre vielleicht, wenn man einen Auszug daraus griffbereit hätte, sodass man nicht lange blättern muss.

EinziehfahrwerkEinziehfahrwerk
Zweimal Grün, einmal Rot: Wie vorzugehen ist, wenn das Bugrad nicht ausfährt, kann man in Ruhe nachlesen.

Oberste Maxime heißt daher: Eine Notfallcheckliste gehört ins Cockpit, am besten laminiert in einer Seitentasche. Sollte eine solche Checkliste in Ihrer (Club-)Maschine nicht existieren, muss sie erstellt werden – oder gekauft, für gängige Muster gibt es sie im Fachhandel. Auf der sicheren Seite ist, wer die entsprechenden Handbuchseiten kopiert und einschweißt.

Bei Störungen und Notfällen im Flug nicht ablenken lassen

Ganz wichtig ist, sich trotz Abarbeitung der Checklisten-Einträge voll auf das Fliegen des Flugzeugs zu konzentrieren. Ein Gespräch mit dem Fluglotsen rutscht ganz nach unten auf der Prioritätenliste: „Aviate, Navigate, Communicate!“ lautet der Merksatz. Also zuerst das grundlegende Fliegen, dann die Navigation, bei der es vor allem darum geht, kein Hindernis zu treffen – und dann, falls sinnvoll, mit jemandem reden.

TürverriegelungTürverriegelung
Das Maß der Dinge: Wenn es ein Notfall irgendwie zulässt, sollte die passende Checkliste abgearbeitet werden.

Das Beispiel erscheint banal, ist es aber nicht: Überraschend hoch ist die Zahl der Piloten, die sich so sehr von einer im Anfangssteigflug aufspringenden Tür haben ablenken lassen, dass sie abgestürzt sind. Dabei fliegt jedes kleine Flugzeug prima mit einem zugigen Spalt in der Kabine – wenn es vom Piloten gesteuert wird.

Systemkenntnis erforderlich: Nicht alle Notfälle erfordern sofortiges Handeln

Auch eine Menge anderer Notfälle verlangen nicht nach sofortiger Reaktion, aber nach Systemkenntnis: Die Tür wird bei vielen Mustern im Flug nicht zu schließen sein – warum es also mit wilden Verrenkungen und Kraftanstrengungen versuchen? Bei einem Alternator-Ausfall ist die Stromerzeugung weg – aber nicht der Strom: Die Batterie wird noch eine Weile durchhalten. Und ein Motor mit Magnetzündung arbeitet unabhängig davon. Also bleibt Zeit, in Ruhe die großen Stromverbraucher abzuschalten und einen Landeplatz zu suchen. Welches sind die großen Verbraucher? Wie verhält sich das Glascockpit? Hat das Flugzeug einen zweiten Alternator? Alle Antworten stammen aus der Abteilung Systemkenntnis. Selbst ein klemmendes Fahrwerk ist kein akuter Notfall.

AlternatorAlternator
Kein Saft: Wenn der Keilriehmen des Alternators reißt, fällt die Stromversorgung aus.

Schon im Vorfeld kann man das Risiko, dass Probleme auftreten, durch sorgfältige Wartung minimieren – und durch vernünftige Checks vor und während des Flugs. Das fängt bei der Vorflugkontrolle an, die um so wichtiger ist, wenn sich mehrere Piloten ein Flugzeug teilen. Die letzte Chance des Motors, ein etwaiges Defizit zu offenbaren, ist dann der Run-up an der Piste. Sollte ein Magnet jetzt schon beschädigt sein, könnte man das bei einem asymmetrischen Drehzahlabfall bemerken. Auch die ausgefallene Vergaservorwärmung verrät sich, wenn sie nach Aktivierung keinen Drehzahlabfall bewirkt.

Was wäre wenn?

Gleich nach der mentalen Vorbereitung sollte ein Briefing folgen, und bitte nicht das einzige. So kann man sich mental zum Beispiel auf einen Motorausfall im Anfangssteigflug vorbereiten – und vielleicht die fatale Fehlreaktion vermeiden, zum Flugplatz umkehren zu wollen.

Im Prinzip gilt dasselbe auch für ein Notlandeszenario unterwegs – und eigentlich für alle Emergencies: Es ist hilfreich, sich immer wieder unterwegs die „Was-wäre-wenn“-Frage zu stellen. Das mag mancher als lästige Unterbrechung des fliegerischen Genusses einstufen. Im Notfall aber kann eine solche mentale Vorbereitung innere Stabilität verleihen und unreflektierte Paniksituationen verhindern. Nichts verunsichert mehr als das Gefühl der Hilflosigkeit aufgrund mangelnden Wissens.

Text: Helmuth Lage

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