Wie ein Kieler Ehepaar eine Notwasserung in Florida überlebte
Nach einem Motorausfall muss Karl-Heinz Zahorsky seine Piper Malibu im Meer wassern. Von seinen Erfahrungen aus dem Jahr 2020 hat der Kieler dem fliegermagazin bei einem Besuch in Florida berichtet.
„Wenn Sie in der Nähe sind, kommen Sie doch einfach vorbei, dann kann ich Ihnen alles persönlich erzählen.“ Es geschieht nicht oft, dass ein Pilot so bereitwillig über seine Notwasserung redet – schon gleich gar nicht wenige Wochen nach dem Ereignis, und wenn die Behörden ihre Untersuchungen zu dem Hergang noch nicht abgeschlossen haben. Ein Grund mehr, sofort zuzusagen. Ich treffe Karl-Heinz Zahorsky in Sarasota, Florida. Der 73-Jährige ist Gründer der Softwarefirma Lasersoft Images, das Büro der US-Filiale ist ein unscheinbarer Flachbau, das drittletzte Haus vor der Schwelle der Runway 14 am internationalen Flughafen.
Mehrere Monate im Jahr verbringt der Kieler im Süden der USA, auch sein Flugzeug hat er hier stationiert: Eine Piper PA-46-310P „Malibu“, Baujahr 1985. Seit 1999 ist Karl-Heinz Zahorsky Privatpilot, nach einer Mooney kaufte er sich 2011 den Druckkabinen-Tiefdecker. 2017 flog er damit sogar um die Welt.
Erfahrener Pilot: 2017 flog Karl-Heinz Zahorsky um die Welt
Am 19. Dezember 2020 sollte es nur gut eine Stunde die Küste entlang gehen, zur südlichsten Stadt der USA, Key West. Obwohl beste Sichtflugbedingungen herrschen, gibt Zahorsky für den Wochenendausflug mit seiner Frau Helga einen IFR-Flugplan auf. Der Lotse weist ihm nach dem Start in Sarasota eine Reiseflughöhe von 7000 Fuß zu.
Die Hälfte des Trips verläuft ohne Zwischenfälle. Eine halbe Stunde bis zum Ziel ist noch zu fliegen, als der Kieler vom rechten auf den linken Tank umschaltet. Da passiert es: „In dem Moment stotterte der Motor, die Power war weg.“, erinnert sich der Pilot. „Ich mache Yoga und meditiere seit 30 Jahren. Das hat mir sehr geholfen, in der Situation die Ruhe zu bewahren“, sagt Zahorsky.
Ruhe bewahren: Zahorsky meditiert seit 30 Jahren
„Ich habe sofort zurück auf den rechten Tank geschaltet, den Mixture-Hebel ganz nach vorn geschoben – aber nichts passierte.“ Der 310 PS starke Continental TSIO-520BE hat seinen Dienst eingestellt. Der Vielflieger deaktiviert den Autopilot und reduziert die Geschwindigkeit auf die des besten Gleitens. Der Lotse ahnt noch nichts von den Problemen an Bord: „Ich sehe, dass Sie sinken. Welche Höhe wollen Sie nach Key West?“
„Wir haben ein Motorproblem hier, können Sie uns zum nächstgelegenen Flugplatz bringen?“, entgegnet Zahorsky. Das ist der Naples Municipal Airport, ein Regionalflughafen mit gekreuzten Bahnen. Runway 5 bietet sich für einen Direktanflug aus dem Südwesten an.
Lotse bemerkt Notlage nicht: „Mayday“ sagt Zahorsky nicht
Das Zauberwort für einen Luftnotfall, „Mayday“, sagt Zahorsky nicht. „Dafür gab es keine Notwendigkeit, ATC hat mich sofort als solchen behandelt“, ist er sich sicher. Doch der Lotse weist der Piper zunächst eine Rechtskurve zu, weg vom Flugplatz. „Sollen wir nicht linksrum drehen?“, entgegnet der noch. „Nein, ich brauche sie tiefer, wegen eines Challenger-Jets im Endanflug.“ Erst als der Lotse genauer nach der Situation an Bord fragt, berichtet der Pilot: „Es scheint, als würde der Motor nicht laufen.“
Zahorsky überschlägt im Kopf: „Ich hatte eine Sinkrate von knapp unter 1000 Fuß, war schon auf unter 5000 Fuß gesunken und 5 Meilen südwestlich vom Flugplatz entfernt. Ich sah bereits die Runway in der Ferne, aber es war mir klar, dass ich keine Chance hatte, sie zu erreichen.“ Er teilt dem Lotsen mit, dass er in der Nähe des Strands notwassern werde. Bei einer Gleitgeschwindigkeit von rund 90 Knoten eine sichere Entscheidung: Die Anfluggrundlinie führt über Strandvillen und Wohnbebauung, zu kurz zu kommen hätte dramatische Folgen.
Keine Chance: Die nächstgelegene Landebahn ist zu weit entfernt
Das Triebwerk nochmals zum Laufen zu bringen, hat er zu diesem Zeitpunkt längst aufgegeben: „Das Zeitgefühl spielt total verrückt. Teilweise bleibt die Zeit stehen, manche Abläufe geschehen dagegen unheimlich schnell“, berichtet der Kieler. „Ich habe mich deshalb darauf konzentriert, die beste Gleitgeschwindigkeit zu halten, und wollte mich nicht mit Dingen ablenken lassen, die mich am Ende womöglich in eine unkontrollierte Fluglage bringen.“
Zahorsky: „Das Fahrwerk auszufahren kam für mich überhaupt nicht in Frage. Auch die Klappen blieben drin.“ Der Erfolg dieser Methode, Gesprächsstoff zahlreicher Pilotenstammtisch-Diskussionen, gibt Zahorsky in diesem konkreten Fall recht: Als das Flugzeug die Wasseroberfläche berührt und abgebremst wird, bleiben die beiden Insassen bis auf ein paar harmlose Prellungen unverletzt. Die Malibu liegt praktisch unbeschädigt im Wasser. Lediglich die Spitzen des Composite-Propellers sind abgebrochen.
Zahorsky und seine Frau überleben die Notwasserung mit nur ein paar Prellungen
Zahorsky öffenet nur die obere Hälfte der zweiteiligen Malibu-Tür, klettert nach draußen und hilft seiner Frau beim Aussteigen. „Wir hatten Westen dabei, sie lagen auf dem Rücksitz. Aber ich sah die Notwendigkeit nicht, sie anzulegen. Es war ja nur eine dreiviertel Meile zum Strand, das Wasser war warm und wir sind beide gute Schwimmer.“ Eine mehr als optimistische Einschätzung.
Über dem Ehepaar kreiste bereits der Rettungshubschrauber, eine Yacht fischt Zahorsky und seine Frau aus dem Wasser, die beiden werden zum Check ins Krankenhaus gebracht.
Nach Notwasserung: Taucher holt Papiere aus dem Flugzeug
Eine Weile schwimmt die Maschine noch auf dem Wasser, dann taucht sie mit der Nase voran ab. In der Kabine: sämtliche Kreditkarten des Ehepaars, Bargeld, Führerscheine und Ausweisdokumente.
Am nächsten Tag engagiert Zahorsky einen Taucher, der ihm seine Lederjacke mit den wichtigsten Dokumenten aus dem Cockpit holt. Aus dem Krankenhaus entlassen, ist Zahorsky ein gefragter Mann. Die Polizei befragt ihn, FAA und NTSB wollen seinen Bericht. Selbst einem Lokalsender gibt der Pilot ein Interview.
Unfalluntersuchung: Verunreinigung im Kraftstoff könnten das Problem gewesen sein
Ein Bergungsunternehmen hebt die Maschine einige Tage später aus vier Meter Tiefe und bringt sie in einen Hangar der Unfalluntersuchungsbehörde NTSB nach Jacksonville. Bis offizielle Erkenntnisse über den Grund für den Motorausfall vorliegen, dürften einige Monate vergehen. Bis dahin kann auch der Eigner nur Vermutungen anstellen: „Das Flugzeug hat für Avionikumbauten und die Jahresnachprüfung fast ein halbes Jahr gestanden, wurde einige Male aus dem Hangar nach draußen geschoben. Ich hatte zwar vor dem Flug gedraint, womöglich war trotzdem Wasser im Tank.“ Auch eine anderweitige Verunreinigung des Kraftstoffs ist denkbar. Zwar war der Kieler zuvor bereits drei-, viermal mit der Malibu in der Luft, allerdings nur für kurze Flüge, bei denen er die Tanks nicht umschalten musste.
Die Lehre, die der Malibu-Pilot aus der Notwasserung zieht: Künftig will Zahorsky bereits am Boden beide Tanks durch Umschalten überprüfen. Angst davor, künftig wieder einmotorig über Wasser zu fliegen, hat er nicht. So wird sein nächstes Flugzeug garantiert wieder eine Single.
Text: Christof Brenner
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