Recht

Wartung: Vorsorglich oder voreilig?

Eine Werft entdeckt Risse an einem Luftfahrzeug und vermutet strukturelle Schäden. Als der Halter sein Flugzeug abholen will, verweigert sie die Herausgabe

Von Redaktion
Wartungsarbeiten
Wartungsintensiv: An der Fouga Magister gibt es immer etwas zu schrauben. Auf jede Flugstunde entfällt eine für die Instandhaltung Foto: Cornelius Braun

Ein Leser fragt

Bei meinem Flugzeug habe ich einen Haarriss am Flügel festgestellt. Der Hersteller bestätigte mir, dass die Verkehrssicherheit bedenkenlos gewährleistet ist und eine Reparatur bei nächster Gelegenheit erfolgen kann. Die Werft, in der ich aus einem anderen Grund war, wollte mir aber nun verbieten, dass ich mit dem Flugzeug wegfliege. Darf sie das?

Rechtsanwalt Ingo-Julian Rösch antwortet

Verantwortlich für den Zustand des Luftfahrzeugs und die Einhaltung der Rechtsvorschriften beim Betrieb sind insbesondere der Halter und der Pilot (siehe SERA.2010). Die Prüfung der jeweiligen Lufttüchtigkeit für den geplanten Flug ist Teil der Vorflugkontrolle (Part-M Annex I M.A.201 (d)) und liegt im Verantwortungsbereich des Piloten. Eigentümer/Halter und gegebenenfalls der Wartungsbetrieb (CAMO) haben dabei sicherzustellen, dass eine Vorflugkontrolle auch durchgeführt wird (M.A.301 (1)). Wie weit die Pflichten dabei gehen, hängt vom Einzelfall ab. Mir ist ein Fall bekannt, in welchem dem Piloten eines Charterflugzeugs vorgeworfen wird, er habe ein im Fahrwerksschacht (!) angebrochenes Fahrwerk nicht gesehen. Hinterher ist man immer schlauer …

Verbot durch die Werft gesetzlich nicht geregelt

Das vorsätzliche oder fahrlässige, riskante Betreiben von Luftfahrzeugen ist jedenfalls verboten, soweit hierdurch Menschen gefährdet werden (SERA.3101). Doch SERA enthält keinerlei Rechtsgrundlage, mit der eine Werft die Nutzung eines Luftfahrzeugs verbieten könnte. Auch die Regelungen für den nicht-kommerziellen Betrieb (hier NCO.GEN.105) verweisen auf die Verantwortlichkeit des Piloten. Darüber hinaus gibt das Werkvertragsrecht ein Nutzungsverbot durch die Werft ebenfalls nicht her. Lediglich wenn offene Rechnungen noch nicht bezahlt wären, käme ein Zurückbehaltungsrecht der Werft in Betracht. Rechtstechnisch ist dies aber etwas völlig anderes und hat nichts mit dem Zustand des Flugzeugs zu tun. Grundsätzlich kann Eigentum daher ohne weiteres herausverlangt und dann auch genutzt werden.

Übersehen darf man dabei aber nicht, dass die Werft im Zweifel verpflichtet ist, auf mögliche Mängel und Gefahren hinzuweisen. Juristisch habe ich daher volles Verständnis, wenn sich eine Werft beispielsweise bestätigen lassen möchte, dass sie auf Risiken und Gefahren bei der Herausgabe hingewiesen hat. Gibt es mit der Werft einen CAMO-Vertrag und sie verantwortet die Überwachung der Lufttüchtigkeit, so könnte diese Werft im Rahmen dieses Vertrags auch den Flug untersagen. Außerhalb derartiger Vereinbarungen bestehen solche Rechte aber nicht.

Prüfer dürfen keine Verbote aussprechen

Selbst ein Prüfer wäre nicht ohne weiteres berechtigt, eine Nutzung des Luftfahrzeugs zu verbieten. Zwar haben Prüfer hoheitliche Aufgaben übertragen bekommen, diese beschränken sich aber in der Regel auf ein Ausstellen beziehungsweise Verlängern von Berechtigungen, etwa der Bestätigung der Lufttüchtigkeit (ARC). Aufgabe eines Prüfers ist es nicht, außerhalb konkreter Prüfaufträge Überwachungsaufgaben wahrzunehmen.

Denkbar wäre, dass ein Flugplatzbetreiber einen Start verbietet und sich gegebenenfalls auf das Hausrecht beruft. Auch insoweit beruht ein eventuelles Verbot aber nicht auf einer Prüfbefugnis oder gar Polizeiähnlichen Rechtsstellung, sondern eben allein aus dem Hausrecht.

Die Verantwortung liegt beim Halter

Kommen nun eine Werft oder andere Personen mit entsprechender Fachkenntnis auf einen Piloten zu und weisen ihn auf möglicherweise gefährliche Mängel am Luftfahrzeug hin, so sollte man das natürlich nicht leichtfertig ignorieren. Passiert ein Unfall, wird im Rahmen der Ermittlungen ein solcher Hinweis sicherlich eine wesentliche Grundlage der Untersuchungen sein. Ob es dann, je nach Ausgang des Unfalls, noch nachweisbar ist, dass die Beeinträchtigungen tatsächlich unerheblich waren, ist nicht sicher.

Was wird wohl ein Richter entscheiden, wenn ihm ein Experte schildert, er habe den Piloten sogar noch darauf aufmerksam gemacht, dass das Flugzeug einen Riss in der Tragfläche habe, aber dieser habe sich partout nicht verbieten lassen wegzufliegen? Ein solcher Umstand kann dann, selbst unberechtigt, bis zum Verlust des Versicherungsschutzes führen.

Sehr hilfreich ist es natürlich, wenn man tatsächlich glaubhaft belegen kann, dass zunächst kritisch erscheinende Umstände kein Problem darstellen. Im Austausch mit dem Hersteller und etwas Gelassenheit auf allen Seiten sollten sich dann Auseinandersetzungen wie die beschriebene doch rasch lösen lassen.

Ingo-Julian Rösch, Rechtsanwalt und Pilot Fliegermagazin 8/2020

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