Unfallakte

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Vereisung beim Übungsflug: Überschlag einer Cessna 172 beim Start in Augsburg

Zwei Fluglehrer und ein Schüler starten bei Minusgraden mit einer Cessna 172 zu einem Übungsflug. Schon kurz nach dem Start reagiert die Steuerung nicht mehr, und die Situation gerät außer Kontrolle

Von Redaktion
Foto: Hersteller

Die Experten der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) stoßen bei ihrer Ermittlungsarbeit mitunter auf Widersprüche. Manchmal lösen sich diese bis zum Abschluss eines Falles nicht vollständig auf. So können gespeicherte Daten des Bordcomputers oder Radaraufzeichnungen den Aussagen der Beteiligten widersprechen oder Spuren an der Unfallstelle auf andere Vorgänge hindeuten als die Augenzeugenberichte. Oder die Untersuchung der Wrackteile bringt andere Ergebnisse als vermeintlich naheliegende Erklärungen.

Dabei muss niemand der Befragten bewusst die Unwahrheit sagen: Nicht selten ist die objektive Rekonstruktion extremer Ereignisse schwierig, insbesondere wenn man selbst beteiligt ist. Die Wahrnehmung des Einzelnen kann dabei subjektiv und selektiv verzerrt sein, was die Ermittlungsarbeit nicht gerade erleichtert. Auch im Fall einer verunglückten Cessna 172 auf dem Gelände des Augsburger Flughafens bleiben am Ende der Untersuchung Widersprüche. Es ist ein eisiger Wintertag im Februar 2015.

Im Winter in Augsburg: Die Cessna 172 wird startklar gemacht

In den frühen Morgenstunden geht die klirrende Kälte bis in die zweistelligen Minusgrade. Gegen Mittag machen ein Flugschüler und ein angehender Fluglehrer die Cessna 172R ihres Fliegerclubs startklar. Das Thermometer zeigt dabei noch ein Grad unter null an. Die Sicht ist klar. Gegen 13 Uhr rollt der Hochdecker zum Rollhalt der Piste 25 des Augsburger Flughafens. Mit an Bord auf dem hinteren Sitz ist auch der Fluglehrer, der den Schüler ausgebildet hat. Auf dem vorderen rechten Platz neben dem 32 Jahre alten Schüler sitzt der verantwortliche Pilot und Fluglehreranwärter. Der 41-Jährige ist seit Mai 2014 Inhaber einer unbefristeten Lizenz für Berufspiloten CPL (A) und hat auch die Fluglehrerprüfung bereits erfolgreich hinter sich gebracht.

Kurze Angelegenheit: Noch vor der Halbbahnmarkierung bricht die Cessna aus und lässt sich nicht mehr steuern. Der Flug endet auf einem Acker neben der Augsburger Piste (Foto: BFU)

Mit über 900 Flugstunden im Flugbuch gilt er als erfahren, 107 Stunden davon hat er nach der Ausbilderprüfung als Fluglehreranwärter gesammelt. Auf dem heutigen Schulflug will er eine Prüfung mit Schwerpunkt Funknavigation simulieren. Der Flugschüler steht kurz vor dem Abschluss seiner Pilotenausbildung. Um 13.03 Uhr startet die Cessna von der 1594 Meter langen Asphaltpiste 25. Der Startlauf ist auf den ersten Metern unauffällig. Kurz nach dem Take-off aber, bei einer Geschwindigkeit zwischen 62 und 65 Knoten, dreht die Cessna plötzlich ohne sichtbaren Grund nach rechts weg.

Vereisung am Kleinflugzeug: Gegensteuern hilft nicht

Der Flugschüler versucht gegenzusteuern und tritt das linke Seitenruder voll durch. Doch die Maschine reagiert nicht. Dann greift der rechts sitzende Ausbilder mit dem Querruder ein. Aber auch dieser Versuch bleibt wirkungslos. Die Cessna dreht weiter nach rechts ab. Erst beherztes Nachdrücken und eine weitere Linkskorrektur scheinen den Hochdecker aus dem Kurvenflug zu bringen. Doch es ist bereits zu spät: Augenblicke nach dem letzten Gegensteuern streift die rechte Tragfläche den Flugplatzzaun, und die Maschine überschlägt sich daraufhin auf einem an den Flughafen angrenzenden, schneebedeckten Acker. Die Insassen haben bei dem Crash unfassbares Glück: Alle drei können das Wrack unverletzt verlassen.

Der Hochdecker wird durch den Aufschlag zerstört. Der Rumpf ist hinter dem Cockpit fast vollständig abgerissen und auch am Heck mehrfach abgeknickt. Das hintere Rumpfsegment scheint regelrecht zusammengefaltet worden zu sein. Dass die Insassen angesichts dieser Zerstörung unversehrt blieben, ist kaum zu glauben. Bei der Bergung des Wracks werden etwa 80 Liter Flugbenzin aus den Tanks abgepumpt, eine unbekannte Menge Treibstoff ist im Ackerboden versickert. Die BFU-Ermittler können an der Unfallmaschine keine Hinweise auf einen technischen Defekt am Antrieb oder an der Steuerung finden.

Glück im Unglück: Unverletzt verlassen alle drei Insassen die Cessna

Bei weiteren Recherchen ergeben sich dagegen Hinweise auf Eisbildung an der Maschine: Die Cessna hatte in der Nacht vor dem Unfall im Freien gestanden. Am Vortag war Schnee gefallen, zudem hatte sich am frühen Morgen des Unfalltags Nebel gebildet. Zum Unfallzeitpunkt lag die Temperatur bei minus ein Grad Celsius. Die Besatzung gab in diesem Zusammenhang an, dass man den Schnee auf der Maschine vor dem Start entfernt habe. Darunter sei kein Eis gewesen.

Überschlag nach dem Start: Die Cessna 172 hat es förmlich zerrissen, doch die drei Passagiere kommen mit dem Schrecken davon (Foto: BFU)

Als aber die BFU-Ermittler das Wrack nach der Bergung zu weiteren Untersuchungen in einen Hangar bringen, stellen sie auf der Flügeloberseite einen großflächigen Überzug mit gefrorenen Tropfen fest. Die Piloten bleiben bei ihrer Aussage, vor dem Start die Maschine gründlich vom Schnee befreit zu haben. Die BFU hält dazu nüchtern fest: „Nach dem Unfall und während der Bergung und dem Transport des Flugzeugwracks in den Hangar war es niederschlagsfrei“. Die Entstehung der Eistropfen bleibt letzten Endes unklar.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 2/2016

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