WISSEN

Unzureichende Flugvorbereitung und Eile: Absturz einer Cessna 182 in Bamberg

Zu viel Stress kann zu fatalen Fehlerketten führen. Eine überhastete Entscheidung zum sofortigen Start wurde dem Piloten einer Cessna 182 zum Verhängnis. Eine ausführliche Unfallanalyse.

Von Martin Schenkemeyer
Eine Luftaufnahme des Flugplatzes Bamberg, von dem aus die Unfallmaschine startete.
Um den Abflugpunkt der Piste 21 zu erreichen, hätte der Pilot am Rollhalt links einbiegen und die »03« herunterrollen müssen. Doch er bog direkt nach rechts in Richtung »21«, sodass nur etwa 190 Meter Asphalt für den Start blieben – deutlich zu wenig. Bild: Toni Ganzmann

Der 61-jährige Pilot will an einem sommerlichen Tag mit seiner Cessna 182 von Bamberg (EDQA) nach Hof-Plauen (EDQM) fliegen. Nach dem Einleitungsanruf teilt ihm der Betriebsleiter mit, dass die Piste 21 in Betrieb sei und es Segelflugbetrieb gebe. Der Pilot liest dies korrekt zurück. Kurz darauf gibt er an, am einzigen Rollhalt der Piste in Bamberg abflugbereit zu sein.

Als er die Information erhält, dass kein weiterer Verkehr gemeldet sei, antwortet er: »Ich rolle auf die Piste, gehe auf den Startpunkt, rolle auf den Startpunkt. « Nach dem Aufrollen biegt er nach rechts in Richtung 212 Grad ab. Doch der Rollhalt befindet sich fast am Ende der Piste 21. Richtig wäre gewesen, nach links für einen Backtrack auf der Piste 03 zu rollen. In Richtung 21 verbleiben nur 190 Meter der 1104 Meter langen Asphaltbahn.

Betriebsleiter fordert Piloten zum Startabbruch auf

Nun wendet sich der Segelflug-Startleiter über Funk direkt an den Cessna-Piloten: »Wir würden gerne noch einen Segelflugstart machen.« Dieser antwortet: »Dann rolle ich los. Okay, danke.« Daraufhin beginnt er mit dem Startlauf. Etwa eine halbe Minute später bemerkt der Betriebsleiter das Malheur und fordert den Piloten über Funk zweimal auf, den Start abzubrechen – doch zu spät.

Am Ende des befestigten Streifens hebt die Cessna kurz ab, gewinnt allerdings kaum an Höhe. Kurz darauf kippt die Maschine über die rechte Tragfläche ab und prallt auf den Boden. Dabei geht sie sofort in Flammen auf. Schon eine Minute nach dem Unfall erreichen Ersthelfer das Wrack und beginnen mit Lösch- und Bergungsarbeiten. Obwohl der Pilot noch bei Bewusstsein ist, als er befreit wird, erliegt er später im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen.

Warnung vom Flugschulleiter

Bei der Untersuchung des Unglücks durch die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) lag der Fokus auf den Handlungen des Piloten und seiner Vorgeschichte. So stellte sich im Rahmen der Ermittlungen heraus, dass dieser im April 2021 eine PPL-Ausbildung an einer Flugschule in Hof begonnen hatte. Vierzehn Monate später hatte er bereits 78 Flugstunden absolviert, als ihm der Leiter der Flugschule nahelegte, die Ausbildung abzubrechen.

Der Schulleiter hatte zuvor von seinen Fluglehrern erfahren, dass sich der Flugschüler während des Trainings oftmals als nicht kritikfähig erwiesen hatte. Des Weiteren berichteten sie, dass er immer wieder »eigene Wege« gehen wollte. Seine motorischen Fähigkeiten waren nach Auffassung der Lehrenden ebenfalls nicht ausreichend, um ein Flugzeug sicher fliegen zu können. Auch seine Reaktion auf unvorhergesehene Ereignisse beschrieben sie als »mangelhaft«. Nach dieser fundamentalen Kritik beendete der Pilot schließlich seine Ausbildung.

Unzureichende Flugvorbereitung

Kurz darauf setze er sie jedoch an einer anderen Flugschule fort. Der Leiter der ersten Flugschule informierte den der neuen über die zuvor aufgetretenen Probleme. Dennoch absolvierte der Schüler die Ausbildung erfolgreich und schloss diese nur vier Monate später mit der praktischen Prüfung ab. Der Pilot verfügte also über alle formalen Voraussetzungen für die Durchführung seines letzten Fluges.

Gesundheitliche Beeinträchtigungen konnten bei der Obduktion nach dem tödlichen Unfall ebenfalls nicht festgestellt werden. Zum Zeitpunkt des misslungenen Starts betrug seine Gesamtflugerfahrung mindestens 193 Stunden. Nach Lizenzerhalt hatte er binnen eines Jahres mehr als 73 Stunden auf der Cessna 182 absolviert, die von ihm privat betrieben wurde.

Strömungsabriss führte zum Absturz der Cessna 182

Nach Auffassung der Ermittler dürften mangelndes Situationsbewusstsein und eine unzureichende Flugvorbereitung dazu geführt haben, dass der Pilot nach dem Aufrollen in die falsche Richtung abbog und nicht erkannte, dass die zur Verfügung stehende Startstrecke nicht ausreichend ist. Der Unfall erscheint umso verwunderlicher, weil der Pilot kurze Zeit zuvor auf Piste 21 gelandet war. Zum eigentlichen Absturz führte ein Strömungsabriss infolge des erzwungenen Abhebens am Ende des befestigten Streifens.

Nach Auffassung der BFU könnte der angekündigte Segelflugstart dazu geführt haben, dass der Stresslevel des Flugzeugführers anstieg und der Startlauf übereilt begonnen wurde. Die Unfalluntersucher vermuten, dass er im Anschluss schlichtweg mit der Situation überfordert war und den Start aus diesem Grund nicht mehr abgebrochen hat. Es handelt sich um einen Vorfall, der einen angesichts der Fehlerkette sprach und ratlos zurücklässt.

Vor dem Hintergrund des Geschehenen scheint die Empfehlung der ersten Flugschule – die Ausbildung vorzeitig zu beenden eine folgerichtige gewesen zu sein. Doch die Entscheidung, das Training bei einer anderen Ausbildungsorganisation fortzusetzen, stand dem verunfallten Piloten frei – und es gelang ihm ja auch erfolgreich.

Stress und Eile sind in der Fliegerei nicht hilfreich

Trotz der beschriebenen individuellen Verfehlungen kann man aus dem Vorfall lernen: Hätte sich der Pilot am Unfalltag mehr Zeit für seine Handlungen genommen und diese besser vorbereitet, so wäre das Unglück möglicherweise vermeidbar gewesen. Ein kurzes Briefing vor dem Losrollen, in dem der zu erwartende Rollweg antizipiert und gegebenenfalls in die Rollkarte eingezeichnet wird, hilft, die situative Aufmerksamkeit zu erhöhen und Fehler beim Rollen zu vermeiden.

Grundsätzlich ist es auch eine gute Angewohnheit, nach dem Aufrollen auf die Bahn die Pistenrichtung mit dem Kompass zu vergleichen. Nichts hätte außerdem dagegen gesprochen, den angekündigten Segelflugstart abzuwarten und erst dann den Startlauf zu beginnen. Stress und Eile sind in der Fliegerei grundsätzlich niemals hilfreich. Es ist keine Schande, sich als Flugzeugführer mehr Zeit auszubitten – in der Luft und am Boden.

LESEN SIE AUCH
Ein Betriebsleiter sitzt in einem turmartigen Büro.
News

Neue Vorschrift für die Sprechfunk-Verfahren – eine große Umstellung?

Über den Autor
Martin Schenkemeyer

Martin Schenkemeyer begann im Jahr 2007 mit dem Segelfliegen. Inzwischen ist er ATPL-Inhaber und fliegt beruflich mit Businessjets um die ganze Welt. In seiner Freizeit ist er als Vorstand seines Luftsportvereins tätig und fliegt an seinem Heimatflugplatz Bad Pyrmont Segelflugzeuge, Ultraleichtflugzeuge und Maschinen der E-Klasse. Für das fliegermagazin ist der Fluglehrer seit 2020 als freier Autor tätig und beschäftigt sich hauptsächlich mit Themen rund um die Flugsicherheit.

Schlagwörter
  • Unfallakte
  • Cessna 182
  • Bamberg-Breitenau
  • BFU