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Unsachgemäße Montage am UL-Doppeldecker: Absturz beim Familienrundflug
Ein Pilot will seiner Mutter die Heimat von oben zeigen, doch der Familienausflug im UL-Doppeldecker endet katastrophal
Was ist machbar, was ist erlaubt? Nicht immer verträgt sich das eine mit dem anderen. Doch wenn mit nur wenig Aufwand ein kleines bisschen mehr Leistung winkt, und die Gefahr gering ist, dass es jemand merkt – warum nicht? Früher waren solche Gedanken bei Mofa- und Mopedpiloten üblich und verlangten auch ein gewisses technisches Verständnis. Bei besonders gewagten oder gelungenen „Verbeserungen“ zollten manchmal sogar Polizeibeamte oder TÜV-Sachverständige den heranwachsenden Schraubern Respekt, wenn sie mit ihren unerlaubten „Verbesserungen“ aufflogen. Heute tauscht man bei Scootern einfach die Chips für die Motorsteuerung aus – gestern wie heute: Jugendsünden. In einem aufwühlenden Fall aus dem Jahr 2012 geht es am Ende um weit mehr als nur ein mögliches Leistungsplus.
Es ist ein warmer Sommerabend im Juli. Rund 100 Kilometer nordöstlich von München, auf dem Sonderlandeplatz Dingolfing, macht ein junger Pilot seinen UL-Doppeldecker vom Typ Sunwheel startklar. Mit 52 eingetragenen Stunden in seinem Flugbuch, 14 davon auf dem Sunwheel, hat er noch recht wenig Routine. Geplant hat der 25-Jährige einen Rundflug in der nahen Umgebung des Platzes; ein kurzer Hüpfer am Abend. Als Passagierin sitzt seine Mutter auf dem vorderen Platz. Um 17.45 Uhr beschleunigt die Maschine auf der Piste 08 und hebt nach kurzem Startlauf ab. Nur wenige Sekunden später gewinnt der Doppeldecker kaum noch an Höhe. Zeugen beobachten außerdem, dass das Flugzeug mit hohem Anstellwinkel an Fahrt verliert. Vermutlich zieht der Pilot weiter am Knüppel und versucht zu steigen, doch die Maschine gerät kaum 50 Meter über dem Boden in einen Sackflug. Der Motor, ein Rotax 912, klingt dabei normal.
UL-Doppeldecker Sunwheel: Start mit hohem Anstellwinkel
Nun dreht der Pilot nach rechts ab: Vielleicht hat er erkannt, dass es ein Problem gibt und versucht durch eine Umkehrkurve zurück zum Flugplatz zu kommen. Doch das Manöver misslingt, der Sunwheel kippt plötzlich über die rechte Fläche ab und stürzt fast senkrecht in ein Getreidefeld. Dort bleibt er auf dem Rücken liegen und fängt sofort Feuer, die Rakete des Rettungsgeräts löst aus. Innerhalb von Minuten verbrennt das UL, beide Insassen kommen ums Leben. Von dem rot-weiß gestreiften Flieger bleibt kaum mehr als ein Haufen verkohlter Aluminiumrohre übrig, ein kümmerliches, verbogenes Metallgerippe. Das Triebwerk wird im Zuge der Unfalluntersuchung vom Hersteller komplett zerlegt, doch sind keine Vorschäden feststellbar, die ein Motorversagen als Absturzursache nahelegen könnten. Vergaser und Zündanlage wurden durch das Feuer aber so stark zerstört, sodass daran keine Untersuchungen mehr möglich sind.
Hinweise auf die Unglücksursache liefert den Ermittlern der Bundestelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) dagegen die Luftschraube. An der Unfallmaschine war offenbar ein Zweiblatt-Propeller montiert, der im Kennblatt des Sunwheels gar nicht eingetragen ist. Die Composite-Blätter sind zur Hälfte durch das Feuer zerstört, dennoch werden die aus dem Wrack geborgenen Reste beim Hersteller untersucht – mit überraschendem Ergebnis: Die beiden am Boden verstellbaren Blätter weisen unterschiedliche Steigungsgrade auf, eines plus 10,7 Grad, das andere minus 11,2. Die krasse Fehlstellung, so der Hersteller, sei mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erst beim Aufprall entstanden.
Unfallursache an dem Sunwheel: Falscher Prop, falsch justiert
Das ist verwunderlich, denn eine solche Einstellung dürfte Vibrationen erzeugt haben, die dem Piloten – vorsichtig ausgedrückt – gleich nach dem Anlassen des Motors aufgefallen sein müssten. Zeugenaussagen nach soll der Pilot den Propeller vor dem Unfallflug selbst montiert und eingestellt haben. Ist ihm dabei ein solch großer Fehler unterlaufen? Testläufe im Auftrag der BFU mit einem vergleichbaren Prop desselben Herstellers und mit der an der Unfallmaschine festgestellten Blatteinstellung müssen tatsächlich nach kurzer Zeit abgebrochen werden: Die Vibrationen auf dem Prüfstand sind so heftig, dass eine Messung unmöglich ist. Erst als die Prüfer daraufhin beide Blätter auf plus 11 Grad einstellen, ergeben sich vernünftige Werte. Sie lassen im Vergleich zum Original-Propeller bei höheren Drehzahlen einen höheren Schub erkennen – vermutlich genau das, was der Pilot im Sinn hatte.
Eine weitere Modifikation an dem UL-Doppeldecker hat den Unfall möglicherweise zumindest begünstigt: Hinter dem Cockpit hatte der Pilot einen zweiten Tank eingebaut, der sich negativ auf die Schwerpunktlage des Flugzeugs auswirkte. Auch wenn sich nicht mehr ermitteln ließ, ob dieser Zusatztank tatsächlich gefüllt war: Weder war die Montage des Behälters im Kennblatt vorgesehen noch von einem Prüfer abgesegnet.
Unerlaubte Veränderungen an dem UL-Doppeldecker
So könnte auch das Abfluggewicht des Sunwheel bei dem Unglück eine Rolle gespielt haben: Das UL war bei einem Leergewicht von 251,8 Kilo und einer MTOM von 400 Kilogramm um knapp 20 Kilo überladen – den Spritvorrat nicht eingerechnet. Als Absturzursache identifizieren die Unfallermittler letzten Endes einen überzogenen Flugzustand, der eintrat, als der Pilot mit einer Umkehrkurve versuchte, noch zum Platz zurückzukehren. Ein Zusammenhang zwischen den unzulässigen Basteleien am Luftfahrzeug und dem Unfallhergang lässt sich nicht mit letzter Gewissheit nachweisen, doch halten ihn die BFU-Experten für wahrscheinlich.
Etwas ratlos macht, dass der Pilot einen solch haarsträubenden Einbaufehler nicht bemerkt haben soll: Spätestens nach den abgebrochenen Messungen auf dem Prüfstand fragt man sich, wie der Doppeldecker zur Piste rollen, geschweige denn überhaupt in die Luft kommen konnte, ohne dass sich der Motor vorher aus der Halterung gerissen hätte. Doch ganz offensichtlich hat es geklappt – mit fatalem Ausgang für Mutter und Sohn.
Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 1/2014
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