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Unfall beim ILS-Anflug: Diamond DA40 NG in Stuttgart
Ein ILS-Anflug auf den Flughafen Stuttgart wird stressig, als der Pilot seine Maschine zur Landung aus hoher Geschwindigkeit verzögern muss. Beim Aufsetzen bricht das Flugzeug aus
Manche Probleme im Cockpit entstehen aus dem Bemühen des Piloten heraus, es allen recht machen zu wollen. Was in einem Moment noch machbar scheint, entpuppt sich dann plötzlich als schwerer Fehler. Ähnlich erging es vermutlich einem Piloten beim Instrumentenanflug auf den Flughafen Stuttgart im Frühjahr des vergangen Jahres.
Am Abend des 2. März um 18.01 Uhr startet er mit einer einmotorigen Maschine des Typs Diamond DA40 NG vom Flugplatz Schönhagen in Brandenburg. Er hat drei Passagiere an Bord und will noch am gleichen Abend auf dem Flughafen Stuttgart landen. Seine Gesamtflugerfahrung beträgt über 800 Stunden; neben der Privatpilotenlizenz besitzt der 58-Jährige seit 2014 eine europäische Berufspilotenlizenz CPL. Die Einweisung auf die Diamond hatte er sechs Wochen vor diesem Flug begonnen und nach knapp sechs Stunden Ende Januar 2018 abgeschlossen. Seine Gesamtflugzeit auf dem Muster: 13 Stunden 40 Minuten – noch nicht sonderlich viel.
Der Pilot wird gebeten, seine Speed beizubehalten
Etwa 14 Minuten nach dem Take-off hat die DA40 auf Flugfläche 80 ihre Reiseflughöhe erreicht und ist nach Instrumentenflugregeln unterwegs. Weniger als zwei Stunden später nimmt der Pilot Funkkontakt mit der Flugsicherungskontrollstelle Stuttgart auf, um 19.54 Uhr beginnt er mit dem Sinkflug auf 6000 Fuß. Weitere Kursanweisungen folgen, der Tiefdecker sinkt weiter. Auf Nachfrage gibt der Pilot die Geschwindigkeit durch: „Present speed, ah … one four seven.“
Gegen 20 Uhr leitet der Radarlotse die DA40 in Richtung Schwelle der Landebahn 25: „Turn right heading two three zero, cleared ILS two five.“ Kurz darauf fragt er den Piloten, ob er die hohe Geschwindigkeit noch eine Zeit lang halten könne: „Are you able to keep one four zero knots to five miles?“ Der Pilot folgt der Bitte: „Eh, for the further five miles we’ll keep one four.“
Anflug der DA40 auf EDDS: Der Pilot soll das Tempo halten
Die DA40 erreicht etwa 11,5 Nautische Meilen östlich der Schwelle die Anfluggrundlinie der Piste 25. Zu diesem Zeitpunkt ist die Maschine noch im Sinkflug auf 4000 Fuß, der Autopilot ist eingeschaltet. Als der Pilot auf die Towerfrequenz wechselt, bittet ihn dort der Lotse ebenfalls, die Speed beizubehalten: „Tower, guten Abend, keep high speed as long as practicable please.“ Auch dieser Bitte wird entsprochen: „Keeping speed, äh, und naja, wir probieren’s.“ Während des Sinkflugs nimmt die angezeigte Fluggeschwindigkeit auf 143 Knoten zu. Um 20.05 Uhr beträgt der Abstand zur Schwelle etwa vier Nautische Meilen.
Dann erteilt der Lotse dem Piloten die Landefreigabe und informierte ihn über den Wind – leichter Seitenwind von links, 140 Grad mit vier Knoten. Der Pilot bestätigt die Landefreigabe und ergänzt: „And reducing speed now. Ja, (…) wir müssen jetzt ein bisschen langsamer machen, sonst kommen wir gar nicht mehr runter, ne?“ Der Lotse erwidert: »Jaja, na klar, es war ja wie gesagt so lange, wie’s halt geht. Wenn Sie langsamer machen müssen, dann machen Sie langsamer.“ Er fügt noch hinzu: »Hinter Ihnen is’ noch reichlich Platz.“ Unmittelbar danach meldet sich im Funk die Besatzung eines anfliegenden Verkehrsflugzeugs.
Beim Versuch des Durchstartens bricht der Tiefdecker seitlich aus
Um 20.06 Uhr Uhr fragt der Lotse, ob die DA40 die Piste in Sicht habe. Die Antwort: „Piste in Sicht, und wir geben unser Bestes.“ Dann verringert der Tiefdecker die Geschwindigkeit, die beim Überfliegen der Schwelle in zirka 140 Fuß über Grund immer noch 82 Knoten beträgt. Die Maschine setzt mit 58 Knoten auf; die Avionik speichert außerdem einen Längsneigungswinkel von +11 Grad und eine rechte Querneigung von 3,6 Grad. Dann passiert es. Der Pilot meint zu spüren, dass sein Flieger nach rechts ausbricht und gibt als Reaktion nahezu Vollgas sowie linkes Seitenruder: offenbar ein Versuch, durchzustarten. Der Tiefdecker zieht nun scharf nach links, kommt von der Piste ab und durchbricht einen Zaun. Anschließend schlittert er auf einen angrenzenden Acker und kommt dort zum Stillstand.
Die Insassen haben bei dem Crash großes Glück: Zwei der Passagiere werden nur leicht verletzt, alle können das Flugzeug ohne fremde Hilfe verlassen. Die Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) untersuchen das Wrack noch an der Unfallstelle. Der Flughafenzaun ist auf einer Länge von etwa 50 Metern zerstört, mehrere metallene Zaunpfähle sind gebrochen. Das Wrack liegt in südöstlicher Richtung. Alle Propellerblätter sind nahe der Nabe abgebrochen, die Nabe ist ebenfalls zerstört. Die untere Triebwerksverkleidung ist beim Aufprall abgerissen, ebenso alle drei Fahrwerksbeine. Sie liegen zwischen dem Zaun und dem Hauptwrack auf dem Acker.
Keine technischen Mängel an der Einmot DA40
Am Flugzeug lassen sich bei der anschließenden Untersuchung keine technischen Mängel feststellen, die ursächlich für den Unfall sein könnten. In einer Vorhersage des Deutschen Wetterdiensts war ab dem Gebiet Schwäbisch Hall bis zum Zielflughafen mäßige Vereisung prognostiziert, mit einer größten vertikalen Ausdehnung nahe des Flugwegs zwischen FL050 und FL140. Die Unfallmaschine war für IFR- und Nachtflüge zugelassen, nicht aber für Flüge in Vereisungsbedingungen. Der Zwischenbericht im BFU-Bulletin enthält keine Angaben dazu, ob Vereisung beim Landeunfall eine Rolle gespielt haben könnte.
Plausibel erscheint aber, dass die Kommunikation mit den Lotsen und die Bitte, mit einer möglichst hohen Geschwindigkeit anzufliegen, beim Piloten Stress ausgelöst hat. Zwar gelang es ihm noch, die Speed bis zum Aufsetzen hinreichend abzubauen; dennoch scheint er in einem Moment die Kontrolle über die Maschine verloren zu haben, als sie noch im Bodeneffekt war. Durch den plötzlichen Schub kamen erschwerend die Propellereffekte hinzu, das Durchstartmanöver misslang. Einen Teil der Energie gab die DA40 an den Flughafenzaun ab – vermutlich ging die Bruchlandung deshalb für die Passagiere und den Piloten glimpflich aus.
Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 2/2019
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