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Unfall beim Auslandsflug: Strömungsabriss mit Fk 9 Mark IV Utility
Navigation und Kommunikation sind bei einem Flug ins Ausland meist anspruchsvoller als am vertrauten Heimatplatz. Ist der Pilot überfordert, kann der Abstecher ins Unbekannte schnell zum Horrortrip werden

Fliegen in den Alpen ist anspruchsvoll. Die Schweizer haben lange mit sich gerungen, bis es erlaubt wurde: Per UL in eine Bergwelt fliegen, die Deutschland so nicht bietet, etwa über den Bodensee Richtung Säntis und Matterhorn. Doch nach wie vor gilt: Nur UL-Muster auf der Schweizer „Microlight-Liste“ dürfen über die Grenze einfliegen. Dazu gehört die Fk 9 Mark IV Utility.
Eine Maschine dieses Typs startet am 25. Juli 2008 vom nordrhein-westfälischen Verkehrslandeplatz Dahlemer Binz nach Kägiswil im Kanton Obwalden. Der Pilot will dort Verwandte besuchen. Einige Wochen zuvor hat er sich per E-Mail bei der Kägiswiler Flugleitung nach den erforderlichen Verfahren erkundigt. Wegen der Einreiseformalitäten will er bereits am 24. Juli in Fricktal-Schupfart landen: Dort hat er per Telefon zudem nach der Verfügbarkeit von Mogas gefragt. Das Zollformular füllt er im Internet aus.Wegen einer Reifenpanne am Flugzeug verschiebt der 48-Jährige die Reise um einen Tag. Am 25. Juli gibt er den Flugplan auf und erreicht ohne Probleme Schupfart. Beim Anflug auf den Zollflugplatz beobachtet ein Fluglehrer, dass der Deutsche rund 300 Fuß zu tief in die Platzrunde einfliegt und einen verkürzten Anflug durchführt, wie Radaraufzeichnungen belegen. Um 14.29 Uhr landet die Fk 9.
Start der Fk 9 Mark IV Utility nach Kägiswil, Schweiz
Der Fluglehrer weist den Piloten auf die Fehler hin und sieht, dass der eine Schwarzweißkopie der Sichtanflugkarte von Schupfart sowie Karten der Luftraumstruktur von Buochs und Alpnach dabei hat. Der Gast tankt 40 Liter und startet um 16.08 Uhr nach Kägiswil. Das UL nimmt Kurs nach Süden. Um 16.34 Uhr funkt der Pilot über Luzern mit dem nahen Buochs und gibt sein Ziel an. Er wird angewiesen, mit Alpnach Tower Kontakt aufzunehmen, in dessen Kontrollzone Kägiswil liegt. Zwei Minuten später – und nach Missverständnissen mit den Buochser Lotsen – meldet er bei Alpnach Tower „Position Vierwaldstättersee“. Die Fk 9 wird angewiesen, in den Downwind für Piste 03 von Kägiswil einzufliegen und sich dort zu melden. Der Pilot bestätigt. Wenig später soll er den Transponder-Code 6102 rasten. Auch das bestätigt er; kurz darauf beginnt der Sinkflug. Der Transponder sendet weiter Code 7000. Auf dem Weg nach Kägiswil überquert das UL in 3100 Fuß MSL den Militärflugplatz Alpnach. Der Flugverkehrsleiter beobachtet die Maschine und fragt den Piloten, ob er soeben den Militärplatz überfliege.
Der antwortet, durch die Situation offenbar gestresst, er sei gerade angewiesen worden, den Transponder umzustellen. Auf die Nachfrage des Leiters, ob er sich nun kurz vor Kägiswil befinde, bestätigt er das. Etwa zu diesem Zeitpunkt wird das letzte Transponder-Signal empfangen – Code 7000. Dann meldet der Pilot auf der Alpnacher Frequenz: „Kägiswil from Delta Mike (…), guten Tag.“ Der Lotse erklärt ihm, dass der Verkehr der Kägiswiler Platzrunde von Alpnach Tower geregelt werde, und dass er nach eigenem Ermessen landen könne. „Verstanden, danke“ ist der letze Funkspruch. Zeugen beobachten, wie das UL am Berghang in den Gegenanflug zur Piste 03 einfliegt. Es ist deutlich niedriger als gefordert und viel zu dicht an der Bahn. Nur etwa 800 Meter von der Schwelle entfernt kurvt der Pilot in den Queranflug, dann schießt der Hochdecker unvermittelt in Spiralform nach links dem Boden entgegen. Wenige Meter über einen Baukran und ein Haus hinweg stürzt er auf eine Wiese nordwestlich von Sarnen. Der Pilot ist tot, die Fk 9 brennt fast ganz aus.
Gestresst im Luftraum im Ausland: Tödliche Überforderung
Das Schweizer Büro für Flugunfalluntersuchungen findet weder am Triebwerk noch an anderen Systemen Hinweise auf ein technisches Problem. Die Autopsie der Leiche bleibt ebenfalls ohne Befund. Zeugenaussagen legen nahe, dass die FK 9 in einen überzogenen Flugzustand geraten war. Im Erprobungsbericht des Herstellers zum Stall-Verhalten heißt es: „Beim Überziehen im Kurvenflug kippt die Maschine zur Kurveninnenseite hin ab. (…) Der Höhenverlust bei diesem Manöver beträgt (bis zum Abfangen) zirka 30 bis 40 Meter“ – doch so hoch war die Maschine nicht mehr.
Zudem zeige sich beim Stall im Leerlauf eine Tendenz zum Abkippen nach vorn, manchmal mit seitlicher Komponente. Die Gesamtflugstundenzahl des Piloten liess sich nicht mehr ermitteln. Die Einweisung auf das UL hatte acht Stunden und 20 Minuten gedauert, davon 50 Minuten allein; in den 90 Tagen vor dem Unfall war er oft mit dem UL unterwegs, auch Überland. Die Schweizer Unfallermittler urteilen: „(Es) deutet daraufhin, dass der Pilot von der Situation (Durchflug der Kontrollzone, Transpondercodes) gefordert, wenn nicht gar überfordert war.“ Möglicherweise war er vom geringen Abstand zum Gelände irritiert, flog zu nah an die Piste und musste sehr eng in den Queranflug drehen. Es sei vorstellbar, dass er dabei der Speed nicht die notwendige Aufmerksamkeit widmete.
Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 3/2011
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