UL-Prüfung misslungen: Flugzeugabsturz im Sauerland
Vier Flugschüler stehen bereit für ihre praktische UL-Prüfung. Gleich beim ersten Kandidaten kommt es zum Flugzeugabsturz. Die BFU ermittelt. Knapp drei Jahre später folgt eine ausführliche Unfallanalyse.
Mit Sicherheit erinnern sich alle Flieger an ihre eigene praktische UL-Prüfung und wie in den Tagen zuvor die Spannung steigt. Werde ich alles richtig machen? Ob das Wetter passt? Und hoffentlich ist der Prüfer nicht zu streng!
Neben dem Basiswissen und allem Nötigen, was es zum sicheren Fliegen braucht, lernen Schüler auch die typischen Fallen kennen, in die man besser nicht tappen sollte. Dazu gehört unter anderem, das Abfluggewicht im Auge zu behalten, die Herstellervorgaben und die Betriebsgrenzen des Luftfahrzeugs zu kennen und zu respektieren. Das gilt vor allem dann, wenn es sich um ein Ultraleichtflugzeug handelt, das von Natur aus einen kleinen Spielraum bietet.
Brauchbares Prüfungswetter: warten lohnt sich!
An einem Herbsttag bereiten sich vier Flugschüler auf den Abschluss ihrer Ausbildung vor, der praktischen UL-Prüfung. Auf dem Segelfluggelände Rheinermark bei Menden im Sauerland warten sie mit ihrem Fluglehrer und dem 63-jährigen Prüfer am Vormittag auf besseres Wetter. Das Warten lohnt sich; schon gegen Mittag kann der Erste bei Sichtflugbedingungen starten.
Der Wind weht mit sieben Knoten aus nordöstlicher Richtung. Die Sicht reicht zehn Kilometer und mehr. Die Wolkenuntergrenzen liegen 1700 Fuß über der Platzhöhe von 620 Fuß – ein ausreichender Spielraum, zumal die Wolkendecke nicht geschlossen ist.
Um 13.35 soll das Flugzeug den Flugplatz im Sauerland erreichen
Um 12.24 bricht das UL vom Typ Comco Ikarus C42B zum ersten Prüfungsflug auf. Das Ziel ist der Flugplatz Münster-Telgte. Der Rohr-Tuch-Hochdecker fliegt östlich an der Kontrollzone des Flughafens Dortmund vorbei und landet knapp eine halbe Stunde später in EDLT. Da der Spritvorrat ausreicht, tanken die beiden nicht nach.
Schon um 13.10 Uhr beginnt der Rückflug auf der gleichen Route. Das UL ist dabei in einer Höhe zwischen 2200 und 2400 Fuß über Grund unterwegs. Der Flugleiter am Segelfluggelände Rheinermark empfängt gegen 13.30 Uhr über Funk die Ankündigung, dass die C42B in fünf Minuten den Flugplatz erreichen werde. Zirka vier Kilometer östlich vom Zielflugplatz liegt ein weiteres Fluggelände, der Sonderlandeplatz Iserlohn-Sümern. Er hat eine 800 Meter lange Grasbahn mit Ausrichtung 05/23. Zu dieser Zeit ist dort kein Flugleiter anwesend.
Flugzeugabsturz im Sauerland: War eine Notlandeübung geplant?
Die von der DFS aufgezeichneten Radardaten, die vom Flug der C42B vorliegen, lassen erkennen, dass das UL etwa um 13.38 Uhr, rund 1,5 Nautische Meilen vor dem Flugplatz Sümern, nach Norden abdreht und den Sinkflug einleitet. Dann kehrt die Maschine zurück auf den vorherigen Kurs Richtung Südwesten und sinkt weiter. Die Geschwindigkeit über Grund geht von knapp 150 km/h auf 130 km/h zurück.
Die Vermutung liegt nahe, dass der Prüfer während der UL-Prüfung auf dem Sonderlandeplatz noch eine Notlandeübung plant. Das letzte aufgezeichnete Radarsignal um 13.40 Uhr zeigt eine Speed von 59,9 Knoten, etwa 110 km/h.
Flugprüfer erliegt Verletzungen: Flugzeugabsturz im Sauerland
Augenzeugen berichten, wie das UL aus nördlicher Richtung kommend in einer Linkskurve den an den Flugplatz angrenzenden Wald überfliegt, offenbar beim Versuch, die Bahn in Richtung 05 anzusteuern. Doch das UL überschießt die Piste. Aus einer Höhe von zehn bis zwanzig Metern kippt der Zweisitzer dann plötzlich über die rechte Tragfläche ab und stürzt zu Boden.
15 Meter südöstlich der Schwelle zur »05« bohrt sich das Luftsportgerät 25 Zentimeter tief in einen Kohlacker. Dabei wird der Motor nach oben abgeknickt und die Kabine eingedrückt. Beide Insassen können schwerverletzt aus dem Wrack geborgen werden. Während der Prüfling den Flugzeugabsturz überlebt, erliegt der Prüfer im Krankenhaus später seinen Verletzungen.
Keine technischen Defekte als Absturzursache
Die Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) finden keine technischen Defekte, die für den Flugzeugabsturz im Sauerland ursächlich sein könnten. Der Tank der C42 enthält mit rund 30 Litern ausreichend Kraftstoff. Auch die Vergaser sowie die vier oberen Zündkerzen zeigen bei einem Test keine Auffälligkeiten, die für einen eventuellen Motorausfall hätten sorgen können. Die Landeklappen der abgestürzten Maschine stehen auf Stellung 1, der vom Hersteller für Reiseflug empfohlenen Position – eingefahren.
Beim Ermitteln der Massen stoßen die Unfalluntersucher auf Unstimmigkeiten. Die Leermasse der Unfallmaschine, im letzten Wägebericht mit 295,7 Kilogramm angegeben, erscheint noch plausibel: Als das Wrack beim Abstransport gewogen wird, zeigt die Skala 320 Kilogramm, allerdings inklusive einer restlichen Treibstoffmenge von 25 bis 30 Litern.
Defizite bei Weight & Balance: falsch eingetragene Werte
Eklatant unterschiedlich zu den tatsächlichen Werten sind dagegen die in der Massenberechnung zum Prüfungsflug aufgelisteten Gewichte der Insassen: 75 Kilogramm für Sitz 1, den Prüfling, und 80 Kilogramm für den Prüfer auf Sitz 2. Mit diesen Werten käme das UL auf eine MTOM knapp unterhalb der zulässigen 472,5 Kilogramm. Doch die beiden Personen wiegen laut den medizinischen Unterlagen mehr: 86 Kilogramm der Prüfling, 108 Kilo der Prüfer.
Damit kommt die C42B mit mutmaßlich 38 Litern Sprit vor dem Start auf ein Abfluggewicht von 517,7 Kilogramm, also ist sie um 45,2 Kilo überladen. Der Flug, zumal für die praktische UL-Prüfung, hätte auf dieser Grundlage nicht durchgeführt werden dürfen, auch wenn der Schwerpunkt bei dieser Masse noch immer im zulässigen Bereich lag.
Rettungsgerät kann Flugzeugabsturz nicht mehr verhindern
Als Absturzursache gibt die BFU an, dass das UL beim Kurven in Bodennähe in einen überzogenen Flugzustand geraten sei. Bei der geringen Höhe blieb den Piloten kein Spielraum mehr, ihn wieder auszuleiten. Auch das Rettungsgerät hätte so tief über dem Boden nicht mehr helfen können. Mit zum Flugzeugabsturz beigetragen habe die Überladung der Maschine, so die BFU.
Martin Naß war bis Ende 2021 Redakteur des fliegermagazins und dort auf UL-Themen spezialisiert.
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