Unfallakte

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UL-Absturz beim Notfalltraining: Breezer-Crash in der Umkehrkurve

Ein UL-Pilot will direkt nach dem Start eine Umkehrkurve üben, 
doch er missachtet gleich mehrere wichtige Regeln für ein solches Notfalltraining

Von Redaktion
Foto: Hersteller

Wer schwierige Situationen regelmäßig trainiert, fühlt sich im Ernstfall sicherer und kann routinierter auf Gefahren reagieren – soweit die Theorie. In der Praxis bedeutet ein Sicherheitstraining aber auch zeitintensive und akribische Vorbereitung. Daran zu sparen würde das Ziel – nämlich sicherer zu fliegen – ad absurdum führen. Völlig kontraproduktiv ist es, erst durch ein vermeintliches Sicherheitstraining eine Gefahrensituation heraufzubeschwören. Vor allem aber muss gelten, dass man für so eine Übung keinesfalls Passagiere mitnimmt.

Schon diese einfache Regel hat der Pilot eines ultraleichten Breezer im Herbst 2013 nicht berücksichtigt. Es ist der Vormittag des 6. Oktober, an dem der 53-Jährige vom Verkehrslandeplatz Flensburg Schäferhaus mit einer Begleiterin in die Luft will. Er hat über 300 Flugstunden auf ULs in seinem Flugbuch gesammelt; in den letzten 30 Tagen 43 Minuten und eine Landung. An diesem ruhigen Herbsttag möchte er einen Notfall direkt nach dem Anfangssteigflug mit anschließender Umkehrkurve trainieren – ein äußerst umstrittenes Verfahren nach einem Motorausfall, das schon viele tödliche Unfälle verursacht hat.

UL-Breezer: Steile Kurve in geringer Höhe

Die meteorologischen Voraussetzungen sind gut, es herrschen Sichtflugbedingungen. Um 11.22 Uhr funkt der UL-Pilot den Flugleiter an und erhält die Startinformationen. Nachdem das Jabiru-Triebwerk warmgelaufen ist, meldet sich der Pilot erneut und informiert den Flugleiter über die Anzahl der Personen und das Vorhaben: Notfallübung mit Umkehrkurve. Der Flugleiter „genehmigt“ die Übung. Um 11.27 Uhr beschleunigt der Tiefdecker auf der Piste 29.

Zur gleichen Zeit meldet ein anderer Pilot, dass er in zwei Minuten mit dem Absetzen einiger Fallschirmspringer beginne. Der Flugleiter wiederholt diese Information. Der Breezer geht bereits kurz nach dem Start vom Steig- in den Horizontalflug über. Zeugen am Flugplatz schätzen die erreichte Flughöhe auf 70 bis 80 Meter. Nachdem das UL die nördliche Schwelle des Platzes und die nahe Bundesstraße überflogen hat, leitet der Pilot eine Linkskurve mit zirka 30 Grad Querneigung ein. Dabei verliert die Maschine leicht an Höhe. Im weiteren Kurvenverlauf nimmt die Schräglage nach etwa 150 Grad Richtungsänderung weiter zu, bis etwa 60 Grad, und das UL verliert weiter an Höhe. Der Pilot gibt nun abrupt Gas, der Motor heult auf. Doch der Breezer ist bereits zu tief.

Misslungen: Aus der Notfallübung wird tragischer Ernst, der Pilot und seine Begleiterin sterben beim Absturz aus geringer Höhe (Foto: BFU)

Augenblicke später kollidiert der Tiefdecker mit der rechten Tragfläche mit einem Baum und stürzt in ein Waldstück direkt neben der Bundesstraße 199. Die Maschine bleibt nahe eines Hohlwegs in Rückenlage liegen. Pilot und Passagierin haben keine Überlebenschance, durch den harten Aufprall sind beide sofort tot. Die hohe Gewalteinwirkung ist am Wrack sichtbar: Die rechte Tragfläche ist an der Flügelwurzel vom Rumpf abgerissen und bis zur Flügelnase stark gestaucht. Die linke Tragfläche ist ebenfalls erheblich gestaucht und zum Leitwerk hin um 70 Grad eingeklappt. In der Schwimmerkammer des Vergasers können die Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) Kraftstoff nachweisen. Der Tank ist hinterm Brandschott aufgeplatzt, das Benzin entzündete sich aber nicht.

Ermittlungen nach dem Absturz: Die Breezer war viel zu schwer

Im Zuge weiterer Untersuchungen zeigt sich, dass der Breezer für den Flug und insbesondere für ein heikles Manöver wie eine Umkehrkurve in geringer Höhe viel zu schwer war: Durch den nachträglichen Einbau zusätzlicher Ausrüstungsgegenstände war das Leergewicht von 319,8 Kilogramm laut Wägebericht vom 11. Juni 2011 nicht mehr korrekt. Die BFU ermitteln beim Wiegen des Wracks 325,9 Kilo. Zum Gewicht beider Insassen von 170,8 Kilo kommen 4 Kilo für Gepäck und weitere 5,9 Kilo für „sichergestellte Instrumente“ hinzu. Recherchen der Ermittler ergeben, dass der Tiefdecker vollgetankt war, also 70 Liter Kraftstoff an Bord hatte – weitere 50,4 Kilo Zuladung. Alles in allem erreichte das UL eine Gesamtflugmasse von 557 Kilogramm und war somit um 84,5 Kilogramm überladen.

Zu den Notverfahren nach dem Start ist im Flughandbuch des Breezer, Kapitel III nachzulesen: „Startabbruch: 1. Nachdrücken. 2. Fahrt aufholen. 3. Geradeaus landen, nur kleine Richtungsänderungen zum Ausweichen vor Hindernissen durchführen. Flughöhe- und Geschwindigkeit reichen nur selten aus, um die für eine Rückkehr zum Flugplatz notwendige 180-Grad-Kurve ausführen zu können.“ Es gibt den Warnhinweis, dass eine Umkehrkurve erst ab 100 Meter Höhe in Erwägung zu ziehen sei.

Gleich mehrere Faktoren haben zum offensichtlichen Strömungsabriss mit abrupter Vergrößerung der Schräglage auf zirka 60 Grad in sehr geringer Höhe beigetragen: die Überladung mit negativen Auswirkungen auf Flugeigenschaften und Flugleistungen, der starke Höhenverlust infolge von mehr als 30 Grad Querneigung im Kurvenflug und zudem Propellereffekte, ausgelöst durch eine plötzliche Leistungssteigerung kurz vor oder während des Stalls. Jeder dieser Faktoren ist schon für sich ebenso unnötig wie gefährlich. Zusammen aber führten sie in diesem Fall unausweichlich ins Desaster.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 1/2016

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