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Type Rating
Bisher schulte Florian Knack auf der „172“. Nun hat er die Musterberechtigung für einen Jet erworben.
Rumms! Ein Ruck geht durch unsere Maschine, Qualm füllt das Cockpit, Warnlampen blinken. Mein Kollege und ich greifen nach den Sauerstoffmasken; während ich noch nach der Schutzbrille gegen Rauch taste, deaktiviert Peer den Autopilot, und wir beginnen den Emergency Descent aus Flugfläche 400. Zwanzig Minuten später landen wir nur mit den Standby-Instrumenten in Zürich. Tag 17 meiner Ausbildung zum Type Rating auf dem Businessjet Cessna Citation XLS.
Bis ins kleinste Detail
Bisher verbrachte ich als Fluglehrer der Flugschule Hamburg meine Zeit in den sehr kleinen Geschwistern der XLS: Auf „172“ und „152“ schulte ich Platzrunden, Navigation und Notverfahren über Norddeutschland. Für Air Hamburg steige ich nun in die Verkehrsfliegerei ein und erlebe so deutlich die Unterschiede in den Anforderungen zwischen der gewerblichen und der privaten Fliegerei; zwischen komplexen, großen Jets und einfachen Kolben-Einmots. Für Turboprops und Jets braucht man in Europa eine Musterberechtigung, auf Englisch Type Rating. Sie lehrt alle Besonderheiten eines Flugzeugmusters. Bei der C560, wie die Citation XLS und ihre Varianten offiziell heißen, sind für diese Ausbildung 19 Tage eingeplant! Davon sind sieben theoretischer Unterricht, acht Praxis im Simulator und ein Tag Abschlussprüfung.
Zu Beginn erhalten wir eine Mail mit den Handbüchern der Maschine, bestehend aus AFM, AOM, fünf Avionik-Handbüchern, Checklisten, Weight & Balance Manual, diverse andere Manuals zu verschiedenen Systemen des Flugzeugs sowie die Kursunterlagen für die kommenden Theoriestunden. Am Morgen des ersten Lehrgangstags sind wir zu sechst. Mein Kollege Peer und ich von Air Hamburg, ein Teilnehmer aus einer anderen deutschen Firma sowie drei weitere aus Tschechien, Indien und Indonesien. Die Kurssprache ist Englisch.
Am Cockpitposter lernen die Flugschüler die Knöpfe und Schalter des Flugzeugs kennen
Am ersten Tag geht es um Betriebsgrenzen, Beleuchtung, Klimaanlage und Sauerstoffversorgung – die Zeit verstreicht schneller als gedacht. Abends rekapitulieren wir den Tag und setzen uns vor das Cockpitposter, um Schalter und Knöpfe zu suchen und zuzuordnen. Die nächsten sechs Tage verbringen wir mit bis zu zehn Stunden Unterricht über Steuerung, Avioniksysteme, Triebwerke und mehr, plus abendlichem Lernen. Abgeschlossen wird alles mit einer theoretischen Prüfung, dann geht es endlich in den Full Flight Simulator.
Stunden im Simulator werden als Flugstunden angerechnet
Dort läuft das Training immer nach dem gleichen Schema ab: eine Stunde Vorbesprechung, zwei Stunden als Pilot Flying, kurze Pause, zwei Stunden als Pilot Monitoring und eine Stunde Nachbesprechung. Die Stunden im Sim zählen genauso, als säßen wir im richtigen Flugzeug. Als ich zum ersten Mal die Schubhebel nach vorne schiebe, ist die Beschleunigung gewaltig. „80!“ – „Checked!“ – „V1!“ – ich nehme meine Hand vom Schubhebel und ans Steuerhorn. 100 Knoten ist bei mancher Cessna aus der Flugausbildung Höchstgeschwindigkeit. In der XLS kommt hier der Call „Rotate!“. Wir steigen mit unglaublichen 4500 Fuß pro Minute. Die Leistung ist gewaltig. Peer und ich grinsen uns zufrieden an. Viel Zeit dafür bleibt nicht. Kaum sind wir auf FL 140 angekommen, folgt Airwork: Steilkurven, Stalls, dann ein ILS-Anflug. Und das war’s mit der „normalen“ Fliegerei. Das Ziel von Simulatorflügen besteht darin, den zukünftigen Piloten mit sämtlichen technischen Problemen und Störungen vertraut zu machen, die zwar hoffentlich niemals in seiner Karriere auftreten, auf die er aber vorbereitet sein sollte.
Also heißt es an den übrigen Tagen: Triebwerksausfall beim Take-off, Ausfall von Hydraulik, Instrumenten, Generatoren, Druckkabine und so weiter. Immer reagieren wir gleich: die passende Checkliste suchen und konsequent abarbeiten. Unser Trainer René leistet ganze Arbeit, am 19. Tag bestehen wir den Prüfungsflug im Sim. Dann sitze ich endlich zum ersten Mal im richtigen Flugzeug. Bei Air Hamburg machen wir ein Platzrundentraining. Mindestens die ersten 100 Stunden im Dienst werde ich nun mit einem Supervision-Kapitän fliegen. Und alle halbe Jahre erfolgt ein erneuter Check im Simulator.
Nach 6 Woche ist das Type Rating beendet
Das also ist es, was man tun muss, um in Europa gewerblich ein „großes“ Flugzeug fliegen zu dürfen. Je nach Muster kann es auch noch mehr sein: Das Type Rating für unsere Legacy-600/650-Flotte dauert sechs Wochen!
Die Anforderungen für die private Fliegerei mit UL oder Echo-Klasse sind deutlich einfacher. Auch wenn es in der E-Klasse zum Beispiel für den Umstieg auf Spornrad, Einziehfahrwerk oder Glascockpit Unterschiedsschulungen gibt, reicht für den Wechsel auf ein neues Muster eine Vertrautmachung, die der Pilot in Eigenregie ohne festgelegten Umfang absolvieren darf. Ich selbst bin gerne in kleinen Flugzeugen nach VFR unterwegs und finde es gut, dass der Gesetzgeber es nicht noch schwieriger macht, als Fliegen ohnehin schon ist.
Type Ratings für kleinere Maschinen
Dennoch möchte ich am Beispiel des XLS-Type-Ratings deutlich machen, dass der Umstieg auf ein neues Muster vielleicht mehr Respekt verdient, als er häufig bekommt. Flugzeuge wie Cirrus SR22T, Beech Bonanza oder im ultraleichten Bereich die Fascination sind komplexe und schnelle Maschinen, deren Beherrschung man lernen und üben muss. Selbst die vermeintlich einfache Cessna 172 mit G1000-Glascockpit hat es spätestens nach einer Winterpause in sich.
Hersteller Cirrus gibt zum Beispiel einen Schulungsablauf für Einsteiger auf dem Muster vor, der allein für die VFR-Qualifikation drei Tage vorsieht und dessen Programmpunkte allesamt als sinnvoll und wichtig einleuchten. Es gibt sogar einen Aspekt, der die Privatfliegerei besonders anspruchsvoll macht: Wir sind dort oben „Einzelkämpfer“ ohne Kapitän oder Co, der Arbeit abnimmt und mit aufpasst. Dies soll also ein Appell sein, mal wieder ein Handbuch zu lesen, eine Übungsstunde mit Fluglehrer zu buchen oder eine der vielen Fortbildungen vom Flugsicherheitstrainings bis zur Alpenflugeinweisung wahrzunehmen und damit die Fliegerei ein kleines bisschen sicherer zu machen.
Text & Fotos: Florian Knack fliegermagazin 04/2018
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