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Startabbruch beim Fliegen: Wertvolle Tipps für Piloten

Bei technischen Problemen im Startlauf müssen Piloten
in Sekundenschnelle entscheiden. Klar definierte Grenzwerte und gute Vorbereitung mit Briefings senken das Risiko.

Von Redaktion
Intersection Take-off Hier gilt es, genau auf die verbleibende Bahnlänge und die korrekte Startrichtung zu achten.
Intersection Take-off Hier gilt es, genau auf die verbleibende Bahnlänge und die korrekte Startrichtung zu achten.

Ein Beobachter am Pistenrand formulierte es neulich treffend: »Piloten müssen schreckliche Pessimisten sein. Statt sich auf den bevorstehenden Flug zu freuen, denken sie ständig nur darüber nach, was alles schief gehen könnte.« Hören Laien dem Preflight Briefing zu, könnte ihnen angst und bange werden. Dabei ist das Fliegen einmotoriger Maschinen heute äußerst sicher. Triebwerksstörungen sind selten, Totalausfälle gibt es fast nie. Allerdings nur »fast«. 

Ich selbst habe schon einen Motorausfall erlebt, glücklicherweise innerhalb der Platzrunde, sodass wir im Gleitflug noch die Piste erreichten. Zwei weitere Motorausfälle traten in meinem unmittelbaren Umfeld auf, in einem Fall bei einem gerade einmal drei Monate alten Luftfahrzeug. Beide gingen glimpflich aus. Die mit Avgas betankten Kolbenmotoren der Echo-Klasse arbeiten aber in der Regel sehr zuverlässig.

Vollständigkeit zählt  Auch   eher unbeliebte Punkte auf der Checkliste sind sicherheitsrelevant und schützen vor vermeidbaren technischen Störungen im Flug.

So bereiten Sie sich auf den Motorausfall vor

Warum ist die Vorbereitung auf den seltenen Motorausfall dennoch wichtig? Der entscheidende Faktor heißt Zeit. Viele Störungen lassen ausreichend Zeit, um das Handbuch oder eine Notfall-Checkliste zu konsultieren – etwa ein Generatorausfall bei voller Batterie. Während des Startlaufs bleiben dagegen oft nur Sekunden zum Reagieren. 

Grundvoraussetzung für eine richtige Entscheidung ist das Wissen über mögliche Ausfälle und die dann erforderlichen Maßnahmen. Eine gute Methode ist die mentale Vorbereitung, indem Notsituationen immer wieder im Kopf durchgespielt werden. Diese Handlungsabläufe sind dann im Notfall fast automatisch abrufbar. Sitzt man im Flugzeug, läuft die Vorbereitung auf Zwischenfälle in mehreren Phasen ab. Eine davon beginnt früher, als viele denken: Schon durch den Preflight-Check versucht der Pilot, das Risiko von Störungen zu minimieren. Liegen Berichte anderer Piloten über ungewöhnliche Beobachtungen vor, oder kommt die Maschine frisch aus einer Reparatur, ist ein prüfender Blick auf die betroffene Baugruppe besonders wichtig.

Sorgfältig das Flugzeug kontrollieren! 

Der erste Handgriff gilt dem Entfernen der Staurohrabdeckung. Bei außen abgestellten Flugzeugen sind sämtliche Abdeckungen, Verankerungen und Ruderklemmen zu entfernen. Die Spritprobe ist oft ein recht umständliches Unterfangen. Doch sie schützt unter Umständen vor Motorausfällen direkt beim Abheben. Ebenso unbeliebt ist die Kontrolle der Rutschmarken am Rad, weil Flugzeuge mit Radverkleidungen dafür etwas vor- und zurückgeschoben werden müssen. Doch steht der Schlauch unter Spannung, kann das Ventil beim Abheben oder Aufsetzen abreißen. Auch Schäden auf der Lauffläche und zu niedriger Luftdruck sind gefährlich. Der erhöhte Rollwiderstand könnte die Startrollstrecke so sehr verlängern, dass die Handbuchwerte nicht erreicht werden. Flugfähig und steuerbar ist ein Flugzeug natürlich nur, wenn alle Ruder freigängig sind. 

Spät entschieden  Beim Startabbruch schoss diese Maschine über die Bahn hinaus. Das ist aber immer noch besser, als aus niedriger Höhe notzulanden.

Im Winter genügt es nicht, nur darauf zu achten, dass Schnee und Eis die Ruder nicht blockieren. Nur ein komplett eis- und schneefreies Flugzeug erreicht die Performance-Daten des Handbuchs. 

Relevante Vorbereitung am Rollhalt

Teil zwei der für den Start relevanten Vorbereitungen ist der Check am Rollhalt. Dazu zählt nicht nur die Prüfung von Zündmagneten und Vergaservorwärmung. Die Ruder müssen sich »frei und gängig« über den gesamten Weg bewegen lassen. Ebenso wichtig ist beim Drehen und Drücken des Steuerhorns der Blick nach draußen: Bewegen sich die Ruder in die jeweils richtige Richtung? Auch die Klappen werden gecheckt. Zu den weiteren take-off-relevanten Checks gehört die Kontrolle der Sicherungen.

Etappe drei der Startvorbereitung umfasst die bereits erwähnten Briefings. Zuerst wird der reguläre Ablauf aufgesagt – im Ein-Piloten-Betrieb entweder im Stillen oder auch laut. Dazu gehören Geschwindigkeiten fürs Rotieren und Abheben sowie den Steigflug, Kursänderungen und Zielhöhe nach dem Start. Dann folgen die Maßnahmen bei »Abnormals« im Startvorgang. Ein Startabbruch zur rechten Zeit kann ernste Probleme vermeiden. Gefährlich wird es hingegen, wenn der Startabbruch zu spät erfolgt. 

Intersection Take-off  Hier gilt es, genau auf die verbleibende Bahnlänge und die korrekte Startrichtung zu achten.

Piloten sollten Terrain hinter dem Pistenende kennen

Es ist sinnvoll, eine Trennmarkierung zwischen Stopp oder Go festzulegen. Vor Erreichen dieser Grenze sind wir »stop minded«. Das heißt, wir brechen den Start bei jedem Anzeichen einer Störung ab, weil wir noch sicher auf der Piste zum Stehen kommen können. Es geht hierbei also um eine Accelerate-Stop-Distance, die nur bei mehrmotorigen Flugzeugen im Handbuch steht. Bei einer Einmot lässt sie sich grob aus der Addition von Start- und Landerollstrecke ermitteln.

Nach der Linie sind wir »go minded«. Jetzt noch den Start abzubrechen, weil etwa die Lampe für Alternator-Ausfall aufleuchtet und dafür ein Überschießen der Piste zu riskieren, ist überflüssig. Verliert hingegen das einzige Triebwerk dramatisch an Leistung oder bricht Feuer in der Kabine aus, ist ein Überschießen der Piste meist sicherer als eine Notlandung aus niedriger Höhe ist. Um aber auch auf die vorbereitet zu sein, sollten Piloten das Terrain hinterm Pistenende kennen. An fremden Plätzen hilft ein Blick auf Google Earth.

Was steckt hinter dem Kürzel REACT?

Etappe vier ist der Take-off selbst. Nach dem Aufrollen soll zuerst der Blick auf den Kompass gehen: Passt die Anzeige zur geplanten Pistenrichtung? Um sicher zu gehen, dass der Motor seine volle Leistung bringt, empfiehlt es sich, besonders auf kurzen Pisten, in den Bremsen stehen zu bleiben, bis bei Vollgas die vorgesehene Drehzahl erreicht ist. Bei den meisten Einmots mit festem Propeller liegt sie bei etwa 2300 RPM. An heißen Tagen oder auf hoch gelegenen Plätzen kann der beste Wert durch behutsames Verarmen des Gemischs erzielt werden.

Jetzt – oder beim Anrollen, wenn man allmählich Gas gibt – muss der Blick kurz auf die relevanten Anzeigen gehen. Im Englischen gibt es dafür das einprägsame Kürzel REACT, das sich aus folgenden Begriffen zusammensetzt: RPM, Engine Gauges, Airspeed, Centerline oder Compass und Take-off Abort Point. Zu deutsch:  Sind Drehzahl und Motoranzeigen im grünen Bereich? Wird die Speed angezeigt? Rollt die Maschine in der Mitte der Runway und in die vorgesehene Richtung? Und: Wann kommt der Punkt für den Startabbruch?

Der muss natürlich nicht abgewartet werden, wenn vorher klar ist, dass etwas nicht stimmt. Eine wichtige Faustregel: Hat man bei der Hälfte der Bahn noch keine 70 Prozent der Abhebegeschwindigkeit erreicht, wird die Piste zu kurz! Bei gängigen Einmots wären das ungefähr 40 Knoten, die man auf einer 700-Meter-Piste deutlich vor der Halbbahnmarkierung erreicht haben sollte. Der dafür ermittelte Punkt wäre dann zugleich die Trennlinie zwischen stop und go. Bei Feuer an Bord darf beim Evakuieren keine Zeit verloren werden. Dabei ist es zweitrangig, ob die Piste blockiert wird. Gemäß der alten Regel »aviate, navigate, communicate« ist eine Information an den Tower im Fall des Startabbruchs zwar nett, sie hat aber keinerlei Priorität.

Notlandung mit vollen Klappen durchführen

Fällt der Motor erst nach dem Abheben aus, muss sofort nachgedrückt werden, um einen Stall zu vermeiden. Die anschließende Notlandung, egal wo, ist mit vollen Klappen und minimaler Speed durchzuführen. Wenn eine betriebliche Störung bei noch laufendem Motor zur sofortigen Rückkehr zwingt, hat das Flugzeug Priorität, sobald der Pilot eine Notlage meldet.

Aber auch hier gilt: Erstmal das Flugzeug fliegen und vor allem nicht zu langsam werden! Bei IFR-Flügen, die sich bei niedriger Wolkendecke bereits in IMC befinden, werden die Radarlotsen alle erdenkliche Unterstützung für eine sichere Rückkehr bereitstellen.

Text: Helmuth Lage

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