Schnellflug: Was muss ein Pilot beachten?
»Fahrt ist das halbe Leben« – damit meinen Piloten die sichere Nutzung des Langsamflugspektrums. Mit dem Schnellflug tun sich viele leichter – obwohl hier die Limits von mehr Faktoren abhängen. Umso wichtiger ist es, sie zu kennen.
Schnell fliegen macht Spaß. Wer viel Strecke in kurzer Zeit hinter sich lässt, schnuppert die Luft, in der sich High Performance Flugzeuge (HPA) bewegen. Der fühlt sich den langsameren Kameraden gern auch mal überlegen. Außerdem fasziniert die Unmittelbarkeit der Flugzeugreaktion auf Ruderinputs, vergleichbar mit der Fahrdynamik eines Sportwagens.
Die Grenzwerte am unteren Ende des Geschwindigkeitsspektrums beziehen sich aufs Anliegen der Strömung und somit darauf, Auftrieb zu gewährleisten. Die Speed-Grenzwerte »oben raus« hat ausnahmslos mit der Strukturbelastung des Flugzeugs zu tun. Dazu findet man in Kapitel 2 des Flughandbuchs unter »Betriebsgrenzen« (Limitations) Angaben über das höchstzulässige Lastvielfache (max Load Factor). Bei den gängigen Einmots beträgt es in der Verwendung als Normalflugzeug +3,8/–1,52 g . Als Nutzflugzeug beträgt es +4,4/–1,76 g, jeweils mit eingefahrenen Klappen.
Wie das Lastvielfache nicht überschreiten?
Wer diese Werte überschreitet, stürzt nicht sofort ab. Es besteht noch ein gehöriges Sicherheitspolster zur Bruchlast, die erst bei einer Überlastung von 50 Prozent erreicht wird. Also bei +5,7/–2,3 g beziehungsweise +6,6/–2,6 g. Abgesehen davon, dass solche Belastungen die physiologischen Kapazitäten eines Piloten überschreiten könnten, müsste man damit rechnen, dass die Maschine abmontiert, die Tragfläche also bricht. Wer das höchstzulässige Lastvielfache einhält, gibt seinem Flugzeug eine Chance auf eine dauerhaft intakte Struktur (Zelle, Ruder).
Doch wie kann man im Flug dafür sorgen, dass das maximale Lastvielfache nicht überschritten wird? Einen g-Messer findet man nur in kunstflugtauglichen Maschinen. Da die strukturbelastenden Faktoren Auftrieb und Widerstand von der Strömungsgeschwindigkeit abhängen, haben wir für die normalen Flugsituationen in jedem Cockpit eine Messeinrichtung: den Fahrtmesser.
Gelb geht nur in ruhiger Luft: Schnell fliegen
Im Geradeausflug auf konstanter Höhe sind Auftrieb und Gewicht gleich groß. die Struktur wird also mit der einfachen Erdbeschleunigung (1 g) belastet. Bei gleichbleibendem Anstellwinkel wächst mit zunehmender Geschwindigkeit der Auftrieb (wie auch der Form- und der Restwiderstand) im Quadrat zur Geschwindigkeit. Schon eine Zunahme der Geschwindigkeit von 100 auf 140 Knoten bringt demnach eine Verdoppelung des Auftriebs und somit auch der g-Belastung.
Da die Luftdichte den Auftrieb beeinflusst, ist die angezeigte Geschwindigkeit (Indicated Airspeed – IAS) für die Auswirkungen auf die Strukturbelastung maßgeblich. Die wird mit zunehmender Höhe kleiner, weil die Luftdichte abnimmt (und auch der Auftrieb). Je größer die Flughöhe, desto größer darf deshalb auch die wahre Eigengeschwindigkeit (True Airspeed – TAS) sein, bevor ein Grenzwert des Lastvielfachen erreicht ist.
Für alle Klappenstufen: Flaps nur im weißen Bereich!
Der höchste von ihnen ist die mit Vne (ne – never exceed) bezeichnete Geschwindigkeit. Diese darf in keiner Flugsituation überschritten und auch nur in ruhiger Luft erreicht werden. Bei turbulenter Luft ist der grüne Fahrtmesserbereich einzuhalten. Die Vno (no – normal operation) markiert sein oberes Ende. Zwischen der Vno und der Vne liegt ein gelber Sektor. Er ist nur nutzbar, wenn es keine Turbulenz gibt – sie würde die g-Belastungen erhöhen.
Bleibt noch der weiße Bereich, dessen oberes Ende der Maximalgeschwindigkeit für ausgefahrene Landeklappen (Vfe) ist (fe – flaps extended). Auch hier geht es um strukturelle Belastung, weil ausgefahrene Klappen der Strömung mehr Angriffsfläche bieten. Dadurch sind nicht nur die Flaps, sondern auch ihre Anlenkungen erhöhter Belastung ausgesetzt. Betriebshandbücher verraten dazu mehr. So ist bei der Cessna 172 die erste Klappenstufe (10 Grad) bis 110 Knoten IAS erlaubt. Die weiteren Stufen dann erst im weißen Bereich, der bis 85 Knoten reicht. Auf der sicheren Seite ist, wer sich für alle Klappenstufen merkt: Flaps nur im weißen Bereich!
Schnell fliegen: Überforderung der Elektrik, Hydraulik oder Mechanik
Bei Flugzeugen mit Einziehfahrwerk gibt es zusätzliche Höchstgeschwindigkeiten, die man nicht am Fahrtmesser ablesen kann, sondern wissen muss, sofern sie nicht auf einem Schildchen im Cockpit stehen. Das Fahrwerk selbst ist meist so robust, dass ihm eine überhöhte Geschwindigkeit nichts anhaben würde. Wohl aber seinen Abdeckungen, die im geöffneten Zustand der Luftströmung ausgesetzt sind.
Außerdem besteht die Gefahr, dass die Elektrik, Hydraulik oder Mechanik der Fahrwerksmimik überfordert ist, wenn sie die Beine bei zu hoher Strömungsbelastung bewegen soll. So kann es sein, dass die Höchstgeschwindigkeit mit ausgefahrenem Fahrwerk Vle (le – landing gear extended) über der Geschwindigkeit liegt, bis zu der es bewegt werden darf, der Vlo (lo – landing gear operating). Beispielhaft sei hier die Cessna 172 RG genannt: 140 Knoten IAS für Fahrwerksbetätigung, 161 Knoten bei ausgefahrenen Beinen.
Lastvielfaches erhöht sich im Kurvenflug
Auch Typen, bei denen sich die Fahrwerksabdeckungen schließen (was sie schützt), wenn die Räder draußen sind, vertragen in dieser Konfiguration eine höhere Geschwindigkeit als während des Ein- und Ausfahrvorgangs. Meist ist es schlicht eine Frage der Kraft, ob die Fahrwerksbetätigung beim Ein- oder Ausfahren gegen den Luftwiderstand ankommt (ohne Schaden zu nehmen). Die Vlo limitiert ihn.
Damit sind wir bei Höchstgeschwindigkeiten, die etwas mehr Überblick erfordern als einfach nur die Beachtung von Farbmarkierungen. So erhöht sich das Lastvielfache im Kurvenflug. Bei einer Schräglage von 60 Grad sind es bereits 2 g. Bei noch mehr Querneigung steigt die Belastung steil an, bei 75 Grad sind 3,8 g erreicht. Wesentlich früher kann dieser Wert überschritten werden, wenn zusätzliche Belastungen durch Turbulenz, einen Abfangbogen oder abrupte Manöver hinzukommen.
Va hängt vom Fluggewicht ab: Schnell fliegen
Deshalb lernen Piloten, ungewöhnlicher Fluglagen so auszuleiten, dass bei abgesenkter Nase, zunehmender Geschwindigkeit und gleichzeitigem Kurvenflug zunächst die Schräglage zu korrigieren ist, um die g-Belastung zu verringern. Und dann erst der Abfangbogen sanft eingeleitet werden darf. In umgekehrter Reihenfolge würden sich die Belastungen addieren und schnell die Maximalwerte überschreiten.
Die Manövergeschwindigkeit Va gibt den Maximalwert an, bis zu dem volle Ruderausschläge zulässig sind. Das ist keineswegs das untere Ende des gelben Bogens auf dem Fahrtmesser. Die Va liegt deutlich darunter, bei der Cessna 172 um bis zu 38 Knoten, der Wert hängt vom Fluggewicht ab.
Leichte Maschinen reagieren schneller auf abrupte Rudereingaben
Auf den ersten Blick erstaunt, dass Va bei einem schweren Flugzeug höher ist als bei einem leichten. Grund: Leichte Maschinen reagieren schneller auf abrupte Rudereingaben, wodurch die Strukturbelastung höher ausfällt als bei schwereren und damit auch schwerfälligeren. Bevor man seine fliegerischen Fähigkeiten mal wieder durch Airwork trainiert, sollte man sich also im Handbuch über die zum Fluggewicht passende Va informieren, damit das Flugzeug keinen Schaden nimmt.
Was verbleibt, sind zwei eher kuriose Höchstgeschwindigkeiten aus älteren Handbüchern, die aber gerade an heißen Tagen durchaus relevant sein können. Die Maximalfahrt für geöffnete Fenster – bei der Cessna 172 beträgt sie 158 Knoten, was keinerlei Einschränkung bedeutet, denn das ist zugleich die Vne. Und die Geschwindigkeit, bis zu der bei einer Piper PA-28 die Chance besteht, eine nicht ganz geschlossene Tür zu schließen. Das sind 87 Knoten. In diesem Muster lassen rechts sitzende (Co-)Piloten nämlich gern die Tür am Boden einen Spalt weit auf. Wird dann vergessen, sie vor dem Start zu schließen, fällt es mit zunehmender Fahrt schwerer, dies nachzuholen.
Viele Erfahrungen notwendig: Schnell fliegen
Deshalb die Geschwindigkeit übermäßig zu reduzieren, womöglich in Schräglage und bei hoher Arbeitsbelastung während des Abflugs, ist aber keine Option. Selbst wenn man sich am Gegenpol zum schnell fliegen gut auskennt.
Text: Helmut Lage
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