Unfallakte

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Schlechte Flugplanung: Cessna 172-Crash kurz vor der Heimkehr

Nach einem langen Streckenflug will der Pilot einer Cessna auf seinem Heimatflugplatz landen. Doch inzwischen ist es Nacht geworden, und der Kraftstoff geht auch zur Neige

Von Redaktion

Fliegergeschichten klingen manchmal wie Seemannsgarn. Solche kuriosen Abenteuer erwartet man eher nicht in den nüchternen Untersuchungsberichten der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU). Der Bericht mit dem Aktenzeichen 15-0315-3X klingt wirklich stellenweise atemberaubend, und doch ist die Geschichte wahr. Sie hat sogar ein gutes Ende.

Es ist einer der ersten Frühlingstage des vergangenen Jahres, der 6. April 2015. Der Pilot einer Cessna 172D ist morgens in Spanien gestartet und am frühen Nachmittag zu einem Tankstopp im südfranzösischen Ales/Deaux gelandet. Er will keine Zeit verlieren und gleich weiter Richtung Süddeutschland. Die Wetteraussichten sind für einen Sichtflug optimal. Um 16.38 Uhr UTC startet er und nimmt Kurs auf Neuhausen ob Eck (EDSN), einen früher militärisch genutzten Sonderlandeplatz auf der Schwäbischen Alb. Für den letzten Streckenabschnitt des Tages hat er eine Flugzeit von drei Stunden und 40 Minuten berechnet.

Pilot der Cessna 172: Flug in die Nacht

Der Cessna-Pilot ist ein erfahrener Streckenflieger. Nach eigenen Angaben hat er eine Gesamtflugerfahrung von etwa 1800 Stunden. Auf dem Weg nach Süddeutschland hält er Funkkontakt zu mehreren Fluginformationsdiensten. Den Zielflugplatz hat er aber offenbar nicht informiert, denn dort weiß niemand etwas von seinem Flugplan, der eine Landung außerhalb der Betriebszeiten des Platzes vorsieht. Der Flugleiter beendet dort seine Arbeit planmäßig um 18 Uhr Ortszeit. Eine Landung außerhalb der Betriebszeiten ist in Neuhausen ob Eck prinzipiell möglich, sie muss aber vor dem Flug angemeldet werden.

Glück im Unglück: Der Pilot überlebt den Absturz und bleibt wie durch ein Wunder unverletzt (Foto: Polizeipräsidium Tuttlingen)

Die Sonne geht an diesem Frühlingstag nach der lokalen Sommerzeit um 20.01 Uhr unter. Etwa 40 Minuten später endet die Dämmerungsphase, und der Flugplatz liegt in völliger Dunkelheit. Radaraufzeichnungen zeigen, dass die Cessna erst eine Stunde nach Sonnenuntergang in der Nähe des Platzes auftaucht. Vermutlich kann der Pilot die Piste in der Dunkelheit nicht gleich finden. Er dreht eine halbe Nautische Meile westlich der Asphaltbahn einen Vollkreis, um sich dann wieder in südlicher Richtung zu entfernen. Der 68-Jährige hat weder eine Nachtflugqualifikation (NFQ), noch ist die Maschine für Nachtflug ausgerüstet.

Cessna 172 vor dem Absturz: Treibstoffmangel und Dunkelheit

Aber er hat noch ein weiteres, ganz anderes Problem: Seine Tanks sind mittlerweile fast leer. Der anscheinend zu knapp bemessene Kraftstoffvorrat ist möglicherweise aufgrund von Gegenwind auf der Strecke nahezu aufgebraucht, als der Pilot über den Ausläufern der Schwäbischen Alb versucht, irgendwo in der schwarzen Landschaft unter dem Flugzeug eine Piste auszumachen. Kurz nach 21 Uhr Ortszeit ruft der Controller von Zürich Information die Cessna. Die Antwort kommt in Zürich nur schwer verständlich und unvollständig an: „Read you five, äh, I am in the äh … (unverständlich)“, meldet der Pilot. Der Lotse antwortet: „Read you broken.“ Auch die folgende Antwort der Cessna kommt nur in Bruchstücken an: „… final and please … (unverständlich) close my flightplan.“

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Der Controller bestätigt daraufhin das Schließen des Flugplans und entlässt den Piloten mit: „Squawk now seven thousand, contact Neuhausen on one one niner decimal six, schönen Abend.“ Der Nachtflieger sendet eine letzte, kaum verständliche Antwort um 21.04 Uhr Ortszeit, danach endet auch die Radaraufzeichnung. Die letzten ausfliegbaren Tropfen Kraftstoff sind nun aufgebraucht, und der Pilot versucht eine Notlandung in den Baumwipfeln eines vor ihm liegenden Walds. Nach der ersten Kollision kracht die Cessna zwischen zwei Bäumen auf den Boden.

Fehler des Piloten: Unfassbares Glück

In dieser Lage stehen die Überlebenschancen selbst bei schneller Hilfe schlecht. Der Pilot hat seinen Flugplan bereits geschlossen, und der Flugplatz, vor dem die Maschine abgestürzt ist, liegt in völliger Dunkelheit – dort ist niemand mehr, der zur Hilfe kommen könnte. Zu allem Unglück bleibt auch der eingebaute Notsender stumm, das ELT wird auch nicht manuell aktiviert.

Missglückte Heimkehr: Die Fernreise endet in einem Wald 2,5 Kilometer vor der Piste (Foto: Polizeipräsidium Tuttlingen)

Die letzte Wendung der Geschichte ist verblüffend: Unverletzt befreit sich der 68-Jährige aus dem Wrack und geht zu Fuß zum Flugplatz. Dort legt er sich in sein neben der Piste abgestelltes Auto und richtet sich für eine kalte Nacht ein. Um 9.30 Uhr am nächsten Morgen, nachdem er ausgeschlafen hat, meldet er den Absturz bei der örtlichen Polizeidienststelle. Die Bergung des Wracks organisiert er danach selbst.

Rätselhaft bleibt, warum der Pilot die Ankunft an seinem Heimatplatz nicht vorher angekündigt hat. In diesem Fall wäre auch die vorhandene Pistenbefeuerung eingeschaltet gewesen. Natürlich hätte der Unfallpilot selbst dann wenigstens 30 Minuten früher am Ziel sein müssen, um seinen Langstreckenflug noch legal und sicher abzuschließen. Es aber einfach drauf ankommen zu lassen, hätte ihn sehr leicht das Leben kosten können.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 3/2016

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