Recht

Ruhezeiten: Vor dem Fliegen sollst du ruh’n …

Wer von Berufs wegen fliegt, muss sich an geregelte Pausen halten, wie es Bus- und Lkw-Fahrer auch tun. Privatpiloten müssen das nicht – oder etwa doch?

Von Redaktion
Der Tag geht, die Atmosphäre bleibt: Die letzten Maschinen sind hangariert – langsam kehrt auf dem Gelände Ruhe ein (Foto: Peter Wolter)

Ein Leser fragt

Immer wieder hört man von Ruhezeiten beim Fliegen. Dass es Ruhezeiten für Berufs- und Verkehrspiloten gibt und dass sie eingehalten werden müssen, versteht sich von selbst. Aber muss ich als Privatpilot denn auch bestimmte Pausen einhalten?

Rechtsanwalt Ingo-Julian Rösch antwortet

Für Privatpiloten gibt es grundsätzlich keine verbindlichen Regelungen zu Ruhezeiten. Dies ist aber kein Freibrief, übermüdet zu fliegen. SERA.3101 regelt, dass Luftfahrzeuge weder vorsätzlich noch fahrlässig so betrieben werden dürfen, dass Menschenleben gefährdet werden. Fliegt man übermüdet und kommt es zu einem Unfall, so drängt sich geradezu auf, dass ein mindestens fahrlässiges Verhalten vorliegt. Übermüdet zu fliegen ist auch kein Kavaliersdelikt, und gerade bei Privatpiloten – die ja nicht fliegen müssen – würde sich eine nachgewiesene Übermüdung entsprechend nachteilig auf eine Haftung auswirken.

Sekundenschlaf kommt nicht plötzlich

Auch § 4 LuftVO regelt, dass ein Luftfahrzeug nicht geführt werden darf, wenn der jeweilige Pilot aufgrund geistiger oder körperlicher Beeinträchtigungen dazu nicht in der Lage ist. Bedenkt man die strenge Handhabung der Gerichte bei Fällen von Sekundenschlaf im Auto, so sollte man hier nicht auf Verständnis durch Richter hoffen. Auch bei der Versicherung drohen Nachteile, wie ein Vergleich mit der Rechtsprechung zum Straßenverkehr zeigt: Im Bereich der Kfz-Kaskoversicherung wird ein Sekundenschlaf regelmäßig als grob fahrlässig bewertet. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass ein Sekundenschlaf nicht plötzlich kommt. Wenn man eine Übermüdung bemerkt, muss man also anhalten und eine Pause einlegen. Im Flug ist das Anhalten naturgemäß schwierig; von einem Piloten wird man daher erwarten, dass er gar nicht erst losfliegt, wenn er zu müde ist.

Bei gewerblichen Flügen müssen die Ruhezeiten eingehalten werden

Bei gewerblichen Flügen wird die Sache noch etwas komplizierter, an dieser Stelle daher nur ein grober Überblick. Eine Gewerblichkeit liegt immer vor, wenn Entgelt bezahlt wird. Für gewerblich tätige Piloten gelten verbindliche Flugdienst- und Ruhezeiten. Die diesbezüglichen Regelungen müssen vom jeweiligen Luftfahrtunternehmer festgelegt werden. Im gewerblichen Flugverkehr ist sogar eine Risikoanalyse über den Müdigkeitszustand der jeweiligen Besatzungen anzustellen. Es schadet sicherlich nicht, wenn auch der Privatpilot im Rahmen der Risikoanalyse kritisch hinterfragt, ob er nach Zigarre und Drink Samstagnacht am Sonntagmorgen schon wieder fit zum Fliegen ist.

Eine Besonderheit gibt es für UL-Piloten: Werden sie gewerblich tätig – fliegen sie also gegen Entgelt –, so müssen auch sie die Ruhezeiten des § 55 LuftBO beachten. Demnach muss der Halter Höchstzeiten und angemessene Ruhezeiten festlegen. Was darunter zu verstehen ist, unterliegt einer Einzelfallbetrachtung.

Auf Höchstzeiten ist zu achten

Ein leider teils noch hohes Maß an Unsicherheit besteht bei gemischten Tätigkeiten, also wenn etwa der Berufspilot in seiner Freizeit im Verein schult oder gerne auch mal privat über das Wochenende mit dem Flugzeug unterwegs ist. Oftmals regelt der Arbeitgeber beziehungsweise der Luftfahrtunternehmer, dass Berufspiloten in der Freizeit keine Tätigkeiten durchführen dürfen, welche die maximalen Flugzeiten einschränken. Diese Regelungen sind dann auch zu beachten.

Schwierig wird es, wenn zusätzlich auch die (Vereins-)Flugschule in ihrem Handbuch Höchstzeiten regelt oder auf die FCL-Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 ORA.ATO.130 d) und damit auf Ruhezeitenvorgaben verweist. Ob dann eine ehrenamtliche Tätigkeit bei den maximal zulässigen Flugstunden zu berücksichtigen ist, ist umstritten. Bisher sind LBA und Verkehrsministerium der Auffassung, dass ehrenamtliche, freiwillige Flüge wie auch Freizeitaktivitäten sich nicht auf die Höchstzeiten und Ruhezeiten auswirken, wenn kein »Zwang« zur Tätigkeit besteht.

Ein solcher Zwang kann sich aber auch aus der Organisation einer ATO ergeben. Eine abschließende, verbindliche Regelung gibt es insoweit bisher nicht. Berufspiloten, die in ihrer Freizeit ehrenamtlich oder im Verein schulen, sollten also unbedingt darauf achten, dass sie nicht tätig werden müssen, sondern hinsichtlich ihrer Schulungszeiten absolut frei bleiben. Übermüdet zu fliegen kann nach § 315a Abs. 1 Nr. 1 StGB sogar mit Geld oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden; schon der Versuch kann strafbar sein. Daher sollten auch Privatpiloten immer wach genug zum Fliegen sein – auch ohne geregelte Ruhezeiten.

Ingo-Julian Rösch, Rechtsanwalt und Pilot fliegermagazin 5/2020

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