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Ruderflattern: Fluganfänger stürzt beim ersten Soloflug im neuen Flieger ab
Ein Ultraleicht-Pilot hat es mit dem Flugzeugkauf besonders eilig. Gleich nach Scheinerhalt verunglückt er beim ersten Soloflug mit dem neuen Flugzeug tödlich. Eine Unfallanalyse.
Ein eigenes Flugzeug zu besitzen dürfte der Traum vieler (angehender) Privatpiloten sein. Wer sich kurz nach der Ausbildung den Wunsch von der eigenen Maschine erfüllen möchte, der ist gut beraten, zunächst auf ein Muster umzusteigen, das ähnliche Flugeigenschaften wie das Ausbildungsflugzeug hat. Auch eine sehr gründliche Einweisung auf dem neuen Flugzeug ist ein Muss. Andernfalls kann es aufgrund mangelnder Flugerfahrung schnell zu Überforderung und schlimmstenfalls zu einem Unfall kommen.
An einem sommerlichen Tag trifft sich ein 61-jähriger Pilot am Flugplatz Werneuchen (EDBW) nahe Berlin mit dem bisherigen Besitzer eines Flysynthesis Storch 582, um den Kauf des Ultraleichtflugzeugs zu besiegeln. Erst fünf Tage zuvor hat der Käufer seine Ausbildung zum Ultraleichtflugzeug-Piloten abgeschlossen. Seine Gesamtflugerfahrung, die er ausschließlich auf Comco Ikarus C42 B gesammelt hat, beträgt zu diesem Zeitpunkt 45 Stunden.
Der unerfahrene Pilot fliegt gemeinsam mit dem bisherigen Fahrzeughalter
Nach einer gemeinsamen Vorflugkontrolle brechen der neue und der bisherige Flugzeughalter zu einem Einweisungsflug auf. Das Wetter spielt an diesem Tag mit: Bei CAVOK-Bedingungen und 21 Grad Außentemperatur weht der Wind aus östlichen Richtungen mit vier Knoten. Der Verkäufer nimmt auf dem linken Sitz Platz. Kurz nach dem Start übergibt er die Steuerung an den frisch gebackenen UL-Piloten und übernimmt erst wieder zur Landung, nur fünfzehn Minuten später. Der neue Besitzer des Schulterdeckers mit Dreibein-Fahrwerk möchte nun noch einige Platzrunden allein fliegen, um das Flugzeug anschließend nach Magdeburg zu überführen.
Nach Übergabe des ULs rollt er zum Startpunkt der Piste 08. Zwei Minuten später beginnt er den Startlauf zum ersten Alleinflug im neu erworbenen Flieger. Als das Flugzeug in der Luft ist, geht es zunächst in einen flachen Steigflug über und nimmt Geschwindigkeit auf. Nach einigen Nickbewegungen beginnen die Querruder plötzlich zu flattern. Es folgen Höhenruderausschläge in beide Richtungen, bevor das Flugzeug wiederum in einen Steigflug übergeht und an Fahrt verliert. Kurze Zeit später kippt es mit weiterhin flatternden Querrudern über die linke Tragfläche ab und prallt auf den Boden. Es geht sofort in Flammen auf; der Pilot erliegt noch an der Unfallstelle seinen Verbrennungen.
Keine Wartung am Dämpfer
Den Mitarbeitern der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) stand für die Ermittlungen das Video eines Zeugen zur Verfügung, der den Unfallflug gefilmt hat. Auf diesem ist das Querruderflattern eindeutig zu erkennen. Doch wie konnte es dazu kommen? Um Flattern vorzubeugen, wurde der Storch werksseitig mit Gasdruckdämpfern an den Querruderscharnieren ausgerüstet. Ein Dämpfer des linken Querruders wurde 200 Meter westlich des Wracks auf der Piste gefunden.
Laut Wartungshandbuch des Herstellers sind die Dämpfer alle 200 Flugstunden oder alle zwei Jahre auszutauschen. Der Verkäufer des Ultraleichtflugzeugs konnte gegenüber der BFU nicht belegen, dass dieser Austausch jemals stattgefunden hat. Die Ermittler nehmen daher an, dass es durch eine erhebliche Geschwindigkeitszunahme kurz nach dem Abheben in Verbindung mit den in die Jahre gekommenen Dämpfern zum Flattern der Querruder kam. Im Flughandbuch des Unfallmusters weist der Hersteller darauf hin, dass in diesem Fall die Motorleistung reduziert und am Höhenruder gezogen werden soll, um den Schnellflugzustand und schließlich das Flattern der Ruder zu beenden. Ob dem Piloten dieses Verfahren bekannt war und er dessen Anwendung versucht hat, ist unklar.
Dämpfer-Wartung vorgeschrieben: Der DAeC gibt nach dem Unfall eine Lufttüchtigkeitsanweisung raus
Nach dem Unfall hat das Luftsportgeräte-Büro des DAeC eine Lufttüchtigkeitsanweisung für das betroffene Muster herausgeben. Nach dieser müssen Flugzeuge, in denen Dämpfer verbaut sind, von einer sachkundigen Person untersucht werden. Bei defekten Dämpfern ist der Flugbetrieb demnach einzustellen.
Ein weiterer Punkt, der im Rahmen der Unfalluntersuchung betrachtet wurde, ist die geringe Flugerfahrung des verunfallten Piloten. Eine Umschulung auf ein anderes Muster ist für Inhaber einer Lizenz zum Führen aerodynamisch gesteuerter Ultraleichtflugzeuge nicht vorgeschrieben. Der Pilot hat vor dem Unfall ausschließlich die aerodynamisch vergleichsweise einfache C42 B geflogen. Das Unfallmuster hatte ein Pendelhöhenruder, mit dem er bislang nicht vertraut war. Dies könnte nach Einschätzung der BFU zum Aufschaukeln kurz nach dem Abheben beigetragen haben.
Der Pilot konnte das Flugzeug nicht mehr einfangen
Die BFU nimmt weiterhin an, dass der Pilot nach Einsetzen des Flatterns mit der Situation überfordert und nicht mehr in der Lage war, einen Normalflugzustand wiederherzustellen, sodass es schließlich zum Strömungsabriss kam.
Die Entstehung des Unfalls wurde somit durch zwei Aspekte begünstigt: Zum einen durch einen Piloten, der über keinerlei Mustererfahrung verfügte und zuvor nur eine äußerst rudimentäre Einweisung erhalten hat; zum anderen durch ein Luftfahrzeug, das Wartungsmängel aufwies. Diese Mängel sind offensichtlich bei keiner der vorherigen technischen Überprüfungen des Flugzeugs aufgefallen. Wartungsarbeiten an Ultraleichtflugzeugen dürfen vom Halter selbst gemäß der Herstellervorgaben vorgenommen werden. Ein Instandhaltungsprogramm, wie beispielsweise bei Flugzeugen der Echo-Klasse, muss dafür nicht erstellt werden. Ein Prüfer kommt lediglich bei der Jahresnachprüfung ins Spiel, wo der aktuelle Zustand des Luftsportgeräts überprüft wird.
Freiheit und Vernunft
Vor dem Hintergrund des geschilderten Vorfalls muss die Bemerkung erlaubt sein, dass die Freiheiten, die im Rahmen der UL-Fliegerei gewährt werden, ein erhöhtes Maß an Verantwortung der Beteiligten fordern, damit sie nicht zum Sicherheitsrisiko werden. Wer vermeiden möchte, dass ein sicherheitsbewusstes Verhalten etwa bei der Wartung oder beim Umstieg auf ein neues Muster explizit und bis ins Detail vorgeschrieben wird, der muss von selbst einen vernünftigen Rahmen finden.
Text: Martin Schenkemeyer
Martin Schenkemeyer begann im Jahr 2007 mit dem Segelfliegen. Inzwischen ist er ATPL-Inhaber und fliegt beruflich mit Businessjets um die ganze Welt. In seiner Freizeit ist er als Vorstand seines Luftsportvereins tätig und fliegt an seinem Heimatflugplatz Bad Pyrmont Segelflugzeuge, Ultraleichtflugzeuge und Maschinen der E-Klasse. Für das fliegermagazin ist der Fluglehrer seit 2020 als freier Autor tätig und beschäftigt sich hauptsächlich mit Themen rund um die Flugsicherheit.
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