Unfallakte

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Reiseflug im UL: Notlandung einer Fascination in Bayern

Im Reiseflug hört ein UL-Pilot einen dumpfen Knall. Als die Steuerung nur noch schwammig reagiert, will er das Rettungssystem auslösen

Von Redaktion

Sobald man mit einem Ultraleichtflugzeug oder einer Cirrus mindestens etwa 500 bis 600 Fuß über Grund fliegt, hat man in Sachen Sicherheit eine beruhigende Option: das Gesamtrettungssystem. In der Not schießt eine Rakete einen Rettungsschirm in den Himmel, an dem das Luftfahrzeug zur Erde schwebt. Soweit die Theorie. Ein haarsträubender Fall zeigt, dass es ganz anders kommen kann.

Am 8. April 2017 will der Pilot einer D4BK Fascination mit einem Passagier vom Flugplatz Dingolfing nach Kempten im Allgäu fliegen. Seine UL-Lizenz hat der 38-Jährige erst im vorherigen Jahr erworben und seither insgesamt 112 Stunden in seinem Flugbuch gesammelt. Auf der anspruchsvollen Fascination sind es jedoch gerade mal 23 Stunden. Gegen Mittag rollt der schnelle Tiefdecker zum Startpunkt und hebt um 12.14 Uhr ab. Nach dem Verlassen der Platzrunde nimmt der Pilot Kurs West-Südwest in Richtung Kempten. Nach wenigen Minuten ist der Zweisitzer bereits auf Reiseflughöhe angekommen und beschleunigt auf rund 220 Stundenkilometer. Kurz bevor das UL den Flugplatz Vilsbiburg passiert, hört der Pilot einen dumpfen Knall vom hinteren Teil der Zelle.

Das Gesamtrettungssystem der Fascination versagt – Notlandung

Direkt danach werden die Ruder plötzlich weich, und die Maschine ist nur noch eingeschränkt steuerbar. Der Pilot entscheidet sich deshalb dafür, das Gesamtrettungssystem zu aktivieren. Er zieht den Griff für die Rakete etwa zehn Zentimeter heraus – doch es tut sich nichts: Das System versagt den Dienst, die Rakete zündet nicht. In seiner Not versucht der Pilot daher, den Tiefdecker trotz eingeschränkter Steuerung auf der Graspiste von Vilsbiburg zu landen. Es gelingt ihm tatsächlich, die angeschlagene Fascination über den Platz zu bringen. Bei der Landung springt das UL zwar mehrmals und setzt dabei hart auf, doch schließlich kommt die Maschine zum Halt. Pilot und Passagier überstehen die Notlandung unverletzt.

In die Röhre geguckt: Der Blick in den Rumpf offenbart das Ausmaß der Beschädigung – einen umlaufenden Riss sowie zahlreiche Weißbrüche (Foto: BFU)

Beim Inspizieren der Maschine entdecken sie einen umlaufenden Riss der Rumpfröhre, ungefähr 1,6 Meter vor dem Höhenleitwerk. Das Rumpfgewebe ist in einer geraden Linie aufgerissen und der hintere Teil des Rumpfs scheinbar kurz davor, einfach abzufallen. Nur die Führungsrohre der Steuerseile und die Verstärkung der Führungsschiene für die Kabinenhaube auf dem Rumpfrücken halten den Rumpf noch einigermaßen zusammen.


Pilot und Passagier überstehen die Notlandung unverletzt

Bei weiteren Untersuchungen der Maschine durch die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) herrscht nach ersten Materialtests bei den Experten helle Aufregung: Zunächst gehen sie von einer fehlenden Verstärkungsschicht im Inneren des Rumpfs aus. Dort, in der Rumpfröhre, entdecken die Experten sogenannte Weißbrüche in symmetrischer Anordnung, die sowohl im oberen als auch im unteren Segment der Rumpfröhre verlaufen. Ein potenzieller Produktionsfehler der D4BK hätte massive Folgen für alle Muster dieses Typs und dann natürlich auch für die Verkehrszulassung. Doch die Befürchtungen bestätigen sich nicht, den Hersteller trifft ganz offensichtlich keine Schuld.

An der Unfallmaschine sind keine bautechnischen Mängel zu finden: Alles ist gemäß den Vorschriften gefertigt und montiert, die notwendigen Laminatdimensionierungen werden in weiteren Untersuchungen klar nachgewiesen. Ein Produktionsfehler kann damit ausgeschlossen werden. Das Ergebnis lässt nur einen logischen Schluss zu: Vermutlich gab es bei einem der Vorbesitzer einen Rangier- oder Reparaturschaden, der nicht entdeckt oder nicht ausreichend behoben worden war. Dadurch konnte sich im anschließenden Betrieb der Maschine der umlaufende Riss im Rumpf bilden – mit beinahe fatalen Folgen für die Insassen der Fascination.

Pilot der Fascination: Gut entschieden, gut gelandet

Die Entscheidung des Piloten, das Rettungssystem zu aktivieren, war sicherlich goldrichtig, hätte das Gerät nur funktioniert. Die Ermittlungen der BFU in dieser Richtung kommen zu dem Ergebnis, dass das komplette Rettungssystem bei Wartungsarbeiten ausgebaut und später falsch wiedereingebaut worden war. Dabei wurde die Auslösevorrichtung derartig gequetscht, dass die Rakete nicht ausgelöst werden konnte. Durch sein umsichtiges Verhalten und eine unter diesen Umständen sehr gut ausgeführte Notlandung hat der UL-Pilot sich selbst und seinem Passagier das Leben gerettet. 


Auch das noch: Der Bowdenzug zum Auslösegriff der Rakete für das Rettungssystem ist gequetscht (roter Kreis) und damit außer Funktion (Foto: BFU)

Trotz der Entlastung des Herstellers hat die BFU den Unfall zum Anlass genommen, eine Sicherheitsinformation zur Fascination zu veröffentlichen, und der Musterbetreuer hat an die Besitzer dieses Typs eine technische Mitteilung versandt. Als Maßnahmen werden eine Sichtprüfung der Außen- und Innenhaut sowie die Überprüfung der Oberflächenbeschaffenheit des Faserverbunds der Rumpfröhre festgelegt. Ebenso sollte die Innenhaut des Laminats auf Weißbrüche überprüft werden.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 6/2018

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