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Red Bull: Flugzeugtausch-Spektakel in den USA geht schief
Erinnern Sie sich noch? Am 25. April 2022 geht ein spektakulärer Flugzeugtausch von Red-Bull-Piloten daneben – ohne Personenschaden, aber mit viel Ärger.
Die Ankündigung für den Red Bull Plane Swap klang atemberaubend: Zwei Piloten mit Fallschirm springen im Sturzflug aus ihren Flugzeugen, um in das jeweils andere einzusteigen und anschließend sicher zu landen. Der Stunt, gesponsert und beworben vom österreichischen Getränkehersteller, sollte genauso ablaufen. Die Idee hatten die US-Piloten Luke
Aikins (50) und Andy Farrington (42). Beide sind in der Szene keine Unbekannten: Aikins sprang 2016 nahe Los Angeles in 25 000 Fuß ohne Fallschirm aus einem Flugzeug und wurde von einem Netz am Boden aufgefangen. Auch Farrington ist mit über 16 000 Fallschirmsprüngen und 3000 Flugstunden als Pilot erfahren.
Zwei Cessna 182 wurden für das Vorhaben umgebaut: Neben einer Luftbremse, die unter dem Rumpf ausfährt und den Sturzflug bremst, wurde ein sturzflugtauglicher Autopilot sowie ein Gesamtrettungssystem mit automatischer Auslösung in 1000 Fuß installiert. Außerdem bekamen die Flügelstreben Haltegriffe.
Keine Genehmigung für den Flugzeugtausch
Alles scheint also zu passen, als sich das Team am 25. April 2022 mit den beiden modifizierten Flugzeugen auf den Weg in die Wüste nach Arizona begibt. Einzig und allein die US-amerikanische Luftfahrtbehörde FAA hat etwas dagegen: Der Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung im Hinblick auf einige Vorschriften, die der Unternehmung entgegen stehen, wurde von der Behörde abgelehnt. Die FAA begründet dies unter anderem mit unnötigen Risiken, die mit dem Stunt verbunden seien, und damit, dass kein öffentliches Interesse bestehe. Auch weist die Behörde darauf hin, dass das Vorhaben mit Safety-Piloten, die an Bord der Flugzeuge bleiben, sehr wohl legal möglich wäre. Aikins ist das bekannt, doch er hat diese Informationen weder an Red Bull noch an seine Teammitglieder weitergegeben.
Da also niemand von dem de-facto-Verbot weiß, geht es los: Die beiden Protagonisten fliegen in 14 000 Fuß nahe des Ortes Eloy, Arizona, leiten den Sturzflug ein und verlassen ihre Flugzeuge. Aikins gelingt es, sich zügig der Cessna von Farrington zu nähern und im freien Fall in diese einzusteigen. Er setzt sich auf den Pilotensitz und übernimmt die Kontrolle.
Nur eine der beiden Maschinen kann sicher gelandet werden
Die ursprünglich von Aikins pilotierte Maschine gerät jedoch unmittelbar nach seinem Aussteigen ins Rückentrudeln. Farrington hat keine Chance, in den Schulterdecker einzusteigen, und muss mit ansehen, wie das Flugzeug unkontrolliert zu Boden stürzt. Er selbst öffnet seinen Fallschirm und setzt sicher in der Wüste Arizonas auf. Kurze Zeit später landet auch Aikins. Bei der Maschine, die ins Trudeln geraten ist, öffnet sich in 1000 Fuß der Notfallschirm – allerdings aufgrund des Trudelns nicht vollständig. Das Flugzeug schlägt auf und wird komplett zerstört.
Ursache für das Trudeln war vermutlich die Verschiebung des Schwerpunkts nach hinten beim Ausstieg von Aikins. Daraufhin erhöhte sich die Längsneigung der Cessna und es kam zum Strömungsabriss.
Konsequenzen des Stunts
Für die beiden Stuntmänner hat die Show ein Nachspiel: Die FAA entzieht im Anschluss beiden Piloten ihre Fluglizenz. Erst nach einem Jahr können sie versuchen, ihre Lizenz wiederzuerlangen – was die Behörde aber nicht zulassen muss. Aikins muss zudem eine saftige Geldstrafe zahlen. Die FAA begründet ihre Strafe mit dem Verstoß gegen verschiedene Luftfahrtgesetze. Dazu zählt das unerlaubte Verlassen des Pilotensitzes sowie das fahrlässige und rücksichtslose Führen eines Luftfahrzeugs.
Dennoch, so argumentieren viele Beobachter: Niemand kam bei dem Ereignis zu Schaden. Als gänzlich gescheitert kann der Stunt auch nicht bezeichnet werden: Aikins dürfte der erste Pilot in der Geschichte der Luftfahrt sein, der ein anderes Flugzeug gelandet hat als das, in dem er gestartet ist.
Red Bull ist dafür bekannt waghalsige Stunts zu sponsern
Über die Sinnhaftigkeit solcher extremen Manöver muss trotzdem diskutiert werden. Red Bull ist dafür bekannt, Extremsportler zu sponsern und die Stunts mit großem Aufwand zu vermarkten. Erst im September 2021 flog der Red-Bull-Pilot Dario Costa mit einer Zivko Edge 540 durch einen engen Tunnel nahe Istanbul.
Dass Flüge wie dieser, aber auch der von Aikins und Farrington, mit erheblichen Risiken für die Beteiligten verbunden ist, liegt auf der Hand. Nicht auszudenken, wenn es doch mal zu einem tödlichen Unfall kommt und ein weltweites Publikum via Livestream dabei zusehen muss, wie Menschen für ein wenig Ruhm ihr Leben lassen. Das wären definitiv Bilder, die hängen bleiben, sich rasch verbreiten und so schnell nicht in Vergessenheit geraten werden. Der Allgemeinen Luftfahrt würde Red Bull damit einen Bärendienst erweisen. Denn das Gefühl, dass die „Verrückten in ihren klapprigen Kisten“ ihr Leben, aber unter Umständen auch das Unbeteiligter, sinnlos riskieren, dürfte sich bei dem ein oder anderen Betrachter einstellen.
Sicherheit erhöhen
Sollte man spektakuläre, aber auch lebensgefährliche Stunts und Weltrekordversuche also komplett verbieten? Das vielleicht nicht. Doch anders als bei Farrington und Aikins sollte zumindest eine behördliche Genehmigung vorliegen beziehungsweise auf etwaige behördliche Forderungen zur Erhöhung der Sicherheit eingegangen werden. Auch darf hinterfragt werden, ob die Bilder live im Internet zu sehen sein müssen. Wenn etwas schiefgeht, müsste man jedenfalls die Öffentlichkeit nicht damit belasten. Fraglich ist außerdem, ob jede erdenkliche Grenze ausgetestet oder sogar überschritten werden muss.
Die Sicherheit ist in der Luftfahrt das höchste Gut und viele Menschen mussten ihr Leben lassen, um das aktuelle Sicherheitsniveau zu erreichen. Diese Errungenschaften und den Ruf einer ganzen Branche durch verrückte Vorhaben rücksichtslos zu riskieren – das muss einfach nicht sein.
Text: Martin Schenkemeyer
Martin Schenkemeyer begann im Jahr 2007 mit dem Segelfliegen. Inzwischen ist er ATPL-Inhaber und fliegt beruflich mit Businessjets um die ganze Welt. In seiner Freizeit ist er als Vorstand seines Luftsportvereins tätig und fliegt an seinem Heimatflugplatz Bad Pyrmont Segelflugzeuge, Ultraleichtflugzeuge und Maschinen der E-Klasse. Für das fliegermagazin ist der Fluglehrer seit 2020 als freier Autor tätig und beschäftigt sich hauptsächlich mit Themen rund um die Flugsicherheit.
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