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Recht: Wann Flugschüler haften

Schulbetrieb ist riskant – vor allem, wenn kein Lehrer mehr mitfliegt. Was ist, wenn dann mal was passiert? „Zahlt doch die Versicherung!“ werden die meisten denken. Wirklich?

Von Redaktion

Persilschein zum Crashen?

Frage an Rechtsanwalt Dr.Roland Winkler:

Ein Flugschüler brachte nach einem Soloüberlandflug das Schulflugzeug zurück und stellte es ab. Am nächsten Morgen entdeckte ein Fluglehrer erhebliche Beschädigungen: Nicht nur das Fahrwerk war verbogen, die rechte Fläche war an der Spitze eingedellt, dort waren zudem Lackspuren zu sehen.

Eine Untersuchung des Schadens ergab, dass die Maschine nicht mehr lufttüchtig war: Offenbar wurde bei einer Landung das Fahrwerk überbeansprucht. Die Delle in der Fläche muss wohl beim Rangieren entstanden sein.

Die Kaskoversicherung unserer Flugschule regelte die Angelegenheit bis auf den Selbstbehalt von 1500 Euro. Wir rätseln nun, ob wir den Flugschüler in die Pflicht nehmen können. In seinem Ausbildungsvertrag steht keine Abmachung für diesen Fall. Einige Kollegen und auch Fluglehrer meinen, Flugschüler generell nicht in Anspruch nehmen zu können. Stimmt das?

Dr. Roland Winklers Antwort zum Thema, wann Flugschüler haften:

Lässt sich dieser Fall eventuell durch unsere Beiträge zur allgemeinen Haftung des Charterers in den fliegermagazin-Ausgaben 01/2005 und 06/2005 beantworten? Auch die Frage, ob der Flugschüler bei einem Fehler in der Platzrunde zum Schadensersatz herangezogen werden kann, haben wir im fliegermagazin 01/2004 behandelt – und verneint. Doch so einfach geht’s nicht. Bevor wir uns damit beschäftigen, ob und wie weit ein Flugschüler haftet, wollen wir uns die drei Stadien betrachten, die ein Lizenzaspirant durchläuft:

Welche Schulungsstadien durchläuft ein Flugschüler?

  • Am Anfang ist das Flugzeug für den Flugschüler ein Buch mit sieben Siegeln. Er darf nichts allein unternehmen und wird von seinem Fluglehrer an die Hand genommen.
  • Im zweiten Teil seiner Ausbildung ist der Schüler zu den ersten Soloplatzrunden ausgecheckt. Immerhin haben sich zwei Fluglehrer unabhängig voneinander davon überzeugt, dass der Anfänger in der Lage ist, Platzrunden zu fliegen und die Maschine wieder heil zu Boden zu bringen.
  • Der dritte Abschnitt beginnt dann, wenn der Fluglehrer seinen Schüler für so fit hält, ihn mit Flugauftrag auf Soloüberlandflüge zu schicken.

Nach der Vorschrift des Paragraph 4 IV 3 LuftVG braucht der Flugschüler dafür keine Erlaubnis, da der Trip vom Lehrer angeordnet und beaufsichtigt worden ist. Wird nun ein Schaden verursacht – entweder vorsätzlich oder fahrlässig –, so gilt zunächst der Grundsatz, dass der Verursacher haftet.

Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit haftet der Flugschüler für verursachte Schäden in der Flugausbildung

Bei Vorsatz spielt es keine Rolle, in welchem Stadium der Flugschüler ist: Er haftet automatisch. In den anderen Fällen wird man danach fragen, ob dem Flugschüler Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann.

Im Zivilrecht gilt ein objektiv abstrakter Sorgfaltsmaßstab. Das bedeutet: Grundsätzlich kann sich jeder darauf verlassen, dass andere die zur Erfüllung ihrer Pflichten nötigen Fähigkeiten und Kenntnisse haben. Wer sich beispielsweise operieren lässt, darf davon ausgehen, dass der Chirurg Medizin studiert hat und entsprechend geschult ist. Der Arzt kann sich bei einem Kunstfehler nicht auf fehlende Fachkenntnisse oder mangelnde Geschicklichkeit berufen.

Fahrlässiges Handeln hingegegen setzt voraus, dass der Flugschüler – um zum Fall zurückzukehren – die Gefahr vorhersehen konnte, aber trotzdem nichts dagegen unternommen hat.

Solange der Flugschüler keine Soloplatzrunden absolviert, ist er unter der Kontrolle des Fluglehrers und haftet nicht

Übertragen auf die drei Stufen der Ausbildung bedeutet das: Im ersten Stadium haftet der Flugschüler nie für Schäden, die er aufgrund fehlenden Wissens und Übung weder vorhersehen noch vermeiden kann. Deswegen sitzt ja der Fluglehrer neben ihm.

Im zweiten Stadium hat unser Flugschüler bereits soviel gelernt, dass er beispielsweise erkennen kann, ob die Einteilung für den Landeanflug passt. Setzt er zu steil auf und beschädigt dadurch das Flugzeug, wird er sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, dass die Gefahr erkennbar und somit vermeidbar war. Trotz offenkundiger, einfacher Fahrlässigkeit wird man hier dennoch eine Haftung verneinen. Noch immer steht der Flugschüler unter der engen Aufsicht des Fluglehrers, der ihm beispielsweise über Funk
die Anweisung zum Durchstarten erteilen und beim zweiten Landeversuch helfen kann. Ähnlich wie beim Fahrschüler gilt für den Pilotenanwärter eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Dies ist unabhängig davon, was der Schulungsvertrag festlegt.

Im dritten Stadium wird es allerdings für den Flugschüler eng. Sein Lehrer überwacht ihn nicht mehr unmittelbar und hat ihm vielmehr das Flugzeug aufgrund von Lernfortschritten anvertraut.

Kommt es also bei einer Zwischenlandung während des angeordneten Soloüberlandflugs durch leichte Fahrlässigkeit zum Schaden, so wird der Flugschüler den Selbstbehalt, den der Kaskoversicherer nicht abdeckt, bezahlen müssen.

Der Flugschüler kann sich übrigens nicht darauf berufen, dass zwar sein Fluglehrer von seinen Fähigkeiten überzeugt war, er selbst jedoch nicht. In diesem Fall hätte er das Risiko eines Schadens übernommen und müsste ebenfalls zahlen.

(aus fliegermagazin 03/2006)

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