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Recht: Vorflugregeln
In der Nähe von kontrollierten Flugplätzen kommen Privatpiloten Verkehrsflugzeugen ziemlich nah. Nicht immer ist klar, wer ausweichen muss
Frage an Dr. Roland Winkler zum Thema Vorflugregeln:
In manchen Gegenden Deutschlands sind kontrollierte Lufträume, insbesondere solche mit der Bezeichnung HX, recht eng gepflastert. Wenn man zum Beispiel in Worms startet und in südlicher Richtung am Haardtrand entlangfliegt oder wenn man Richtung Pirmasens steuert, so ist es fast unmöglich, sich von den Anflugrouten nach Zweibrücken und erst recht der Air Base Ramstein fernzuhalten. Es kommt dann des Öfteren dazu, dass man Luftfahrzeuge sieht, die von der Seite auf einen zufliegen.
Natürlich befinden sich diese Flieger immer im Anflug zur Landung. Wie ist es eigentlich mit den Ausweichregeln? In meiner PPL-Ausbildung habe ich einmal gelernt, dass der Stärkere dem Schwächeren, der Schnellere dem Langsameren und der Linke dem Rechten im Luftverkehr ausweichen müsse. Für die dicken Brummer scheint das manchmal nicht zu gelten. Als Leichtflieger hat man sowieso immer das Nachsehen, schon allein wegen der physischen Unterschiedlichkeit des Fluggeräts. Wie soll man sich in solchen Fällen verhalten? Schließlich will ja keiner, insbesondere kein Sichtflieger, dass es zu gefährlichen Begegnungen mit irgendwelchen Airlinern kommt.
Dr. Roland Winkler antwortete
Sie sprechen ein Problem an, das der Gesetzgeber zwar im Rahmen der Luftverkehrsordnung geregelt hat – hundertprozentige Sicherheit gibt es damit aber naturgemäß nicht. Uns allen sind die Ausweichregeln aus § 13 LuftVO bekannt. Zunächst einmal hat jedes Luftfahrzeug, das sich zu einem anderen auf Gegenkurs befindet, nach rechts auszuweichen, um die Gefahr eines Zusammenstoßes zu vermeiden.
In Ihrem Fall reden wir allerdings nicht von Kollisionskurs; vielmehr geht es um den Fall des § 13 Abs. 2 LuftVO, nämlich darum, dass sich die Flugwege zweier Luftfahrzeuge kreuzen. Hier bestimmt die Luftverkehrsordnung, dass das Luftfahrzeug auszuweichen hat, das von links kommt. Wie im Straßenverkehr gilt der Grundsatz „rechts vor links“. Die Ausweichregel gilt nur für gleich gut manövrierfähige Luftfahrzeuge. Motorgetriebene Luftfahrzeuge, die schwerer als Luft sind, müssen demnach Luftschiffen, Segelflugzeugen, Hängegleitern, Gleitsegeln und Ballonen ausweichen. Luftschiffe wiederum weichen Segelflugzeugen, Hängegleitern, Gleitsegeln und Ballonen aus; Segelflugzeuge, Hängegleiter und Gleitsegel geben Ballonen Raum, und motorgetriebene Luftfahrzeuge schließlich weichen den Luftfahrzeugen aus, die erkennbar andere Luftfahrzeuge oder Gegenstände schleppen.
Ausweichregeln: Ist der Himmel groß genug?
Außerdem steht in Absatz 4: „Luftfahrzeugen im Endteil des Landeanflugs und landenden Luftfahrzeugen ist auszuweichen.“ Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist vor allem: Wann genau befindet sich ein Luftfahrzeug im Endteil des Landeanflugs? Bei Airlinern beginnt der Anflug zur Landung 20 Minuten bis 25 Minuten vorher, nämlich dann, wenn sie ihre Reiseflughöhe, die üblicherweise deutlich höher als Flugfläche 100 ist, verlassen. Allerdings gibt es hier ein Urteil des Landgerichts Konstanz aus dem Jahr 2003. Demnach ist, wer mit seinem Luftfahrzeug die Sicherheitsmindesthöhe nicht unterschreiten darf, eben nicht im Endteil des Landeanflugs und hat damit anderen landenden Luftfahrzeugen unter Umständen auszuweichen.Wenn ein Privatpilot also außerhalb einer Kontrollzone, aber im Anflugsektor eines Flugplatzes unterwegs ist, und von der Seite kommt ein Airliner, so hat dieser nicht per se das Vorflugrecht mit der Begründung, er sei im Landeanflug.
Kommt der Airliner auch noch von links, so müsste er erst recht gegebenenfalls ausweichen. Das Ganze ist natürlich dennoch eine ungute Situation, denn einem Airliner wird es sicher schwerer fallen auszuweichen, als wenn man mit einer Einmot abdreht. Was also tun? Nachdem § 1 Abs. 1 LuftVO die Grundregel aufstellt, dass jeder Teilnehmer am Luftverkehr sich so zu verhalten hat, dass Sicherheit und Ordnung im Luftverkehr gewährleistet sind und kein anderer gefährdet, geschädigt oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird, könnte man die Sache auch so angehen: Wenn ich schon in der Nähe eines solchen Platzes im Anflugsektor bin, empfiehlt es sich, die Turmfrequenz zu rasten. So weiß man rechtzeitig, ob überhaupt mit landendem Verkehr zu rechnen ist.
Auch kann man Sprechfunkkontakt mit dem Turm oder mit FIS aufnehmen und die Lotsen informieren, was man vorhat – was in der Regel zu einer freundlichen Reaktion führen sollte, denn man hat damit nicht nur zur Sicherheit des Luftverkehrs beigetragen, sondern dem Lotsen auch noch seine Arbeit ein bisschen erleichtert. Wohlgemerkt: Sich so zu verhalten steht jedem frei und ist nicht erzwingbar – vernünftig ist es allemal.
fliegermagazin 1/2013
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