Recht

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Recht: Toleranzen

Was muss bei der Flugvorbereitung und unterwegs unbedingt
stimmen – und wo darf man nachlässiger sein? Ein Blick in die Vorschriften

Von Redaktion

Frage an Dr. Roland Winkler zum Thema Toleranzen:

Angesichts der vielen Regeln in der Allgemeinen Luftfahrt stellt sich mir manchmal die Frage, ob ich als Pilot ein Idealmensch sein muss, der immer perfekte Leistung zeigt. Aus der Technik weiß man, dass es keine Maschine gibt, die dauerhaft mit 100 Prozent Leistung gefahren werden kann, ohne dass sie relativ schnell Schaden nimmt. Betrachten wir unsere Flugzeugmotoren, so sehen wir, dass der optimale Leistungsbereich bei 75 Prozent liegt. Mir stellt sich nun die Frage, ob ich dies auch auf den Piloten übertragen kann, der schließlich nur ein fehlbarer Mensch ist. Gibt es im Luftrecht Toleranzen oder stecken wir eng in einem Korsett?

Dr. Roland Winkler antwortete

Der Flugsport bietet wunderbare Aussichten auf die Landschaft, beinhaltet durch die komplexe Technik in Verbindung mit Naturkräften aber auch Betriebsgefahren. In der Luftverkehrsordnung, besonders Paragraf 3a, und durch Vorschriften der Luftbetriebsordnung, zum Beispiel Paragraf 29 (Betriebsstoffmengen), haben Piloten daher Pflichten, damit ein Flug problemlos verläuft. Denn im Bereich Sicherheit werden höhere Anforderungen gestellt als bei Aspekten, bei denen es beispielsweise „nur“ um Lärmbelästigung geht. Beginnen wir mit dem Luftfahrzeug: Bei Beladung über das Limit von Gewicht oder Schwerpunkt hinaus gibt es keinerlei Toleranz. Überladung beginnt mit dem ersten Gramm Gewicht, das die im Flugbetriebsbuch angegebene Grenze überschreitet: Ob ein Kilo zuviel oder 70, ist juristisch egal. Auch beim Piloten ist die Sicherheit wichtig: Wenn seine Brille die Sehkraft nicht mehr optimal korrigiert, darf er nicht fliegen.

Die Sicht und damit die sie vermittelnde Brille müssen hundertprozentig stimmen. Auch beim Treibstoff darf es nicht passieren, dass eine Notlandung kurz vor dem Ziel erforderlich wird, weil die Tanks leer sind. Etwas anders wird der Reservekraftstoff bewertet: Da das Gesetz keine genauen Angaben zur mitzuführenden Menge enthält, gibt es hier Spielraum (siehe fliegermagazin 4/2011). Auch bei der Flugplanung kann man differenzieren: Sicherheit steht im Vordergrund, wenn es darum geht, gesperrte Lufträume zu meiden, etwa während der Fußball-WM oder militärischen Übungen wie Elite. Auch TRAs sowie die Lufträume C und D sind ohne Freigabe tabu – es gibt keine Argumentation: „Ich bin doch nur am Rand eingeflogen“. Es bleibt bei einer Straftat, der Staatsanwalt hat nur bei der Strafhöhe einen Ermessensspielraum.

Geringer Spielraum für Piloten

Andere Bereiche der Flugplanung sind nicht sicherheitsrelevant – etwa, weil es unerheblich ist, ob man sich an einer Bahnlinie oder an einer Autobahn orientiert, um zum Ziel zu kommen. Kein Pilot ist daher gezwungen, sich einen Bleistiftstrich in die Karte zu malen und diesem zu folgen. Eine eingeschränkte Toleranz gib es bei der Platzrunde, die zwar möglichst genau einzuhalten ist, bei der aber nach rechts und links Abweichungen möglich sind. Auch bei Wetter, Wolken und Sichten geht es um Sicherheit. Die Luftraumordnung mit den Bestimmungen zum Abstand von Wolken, zur Flugsicht und zur Sicherheitsmindesthöhe duldet daher keine Abweichungen: Sind die VFR-Minima nicht gegeben, kann der Flug nicht stattfinden. Ein Unterschreiten der absoluten Sicherheitsmindesthöhe von 500 Fuß über Grund ist unzulässig, ebenso wie der Einflug in eine Wolke.

Auch die in Paragraf 6 Absatz 3 der LuftVO vorgeschriebene Reiseflughöhe von 2000 Fuß über Grund ist verbindlich – nur die Einhaltung sonstiger Vorschriften und Festlegungen nach der LuftVO kann eine geringere Höhe erlauben. Streng nach Vorschrift müssen auch die Geltungsdauer der Lizenzen und die 90-Tage-Regel eingehalten werden. Bei abgelaufener Lizenz oder Berechtigung gibt es kein Pardon, im ersten Fall bewegt man sich im Bereich einer Straftat, im zweiten Fall geht es um eine Ordnungswidrigkeit. Konsequenzen für den Piloten sind in den Null-Toleranz-Bereichen zunächst straf- beziehungsweise ordnungswidrigkeitenrechtliche: Ein Flug über das Oktoberfest etwa kostet eine Geldbuße von 750 Euro. Fehltritte wie eine Notlandung wegen Treibstoffmangels oder ein Verstoß gegen lizenzrechtliche Vorgaben führen darüber hinaus versicherungsrechtlich und damit finanziell zu erheblichen Nachteilen, weil die Versicherer bei einer Missachtung in der Regel nicht zahlen müssen.

fliegermagazin 8/2011

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