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Recht: Rechte und Pflichten

Fliegen ist eine komplexe Tätigkeit; entsprechend hoch ist das Risiko, etwas falsch zu machen. Man kann es aber auch übertreiben

Von Redaktion

Frage an Dr. Roland Winkler zum Thema Rechte und Pflichten:

Seien wir ehrlich: Welcher Pilot hat sich nicht schon mal auf die Worte eines anderen Piloten verlassen? Sei es, dass man sich beim vorherigen Charterer nach dem Spritstand erkundigt; sei es, dass man als mitfliegender Lizenzinhaber darauf vertraut, dass der PIC seine Flugvorbereitung und seinen Außencheck ordentlich gemacht hat. Man verlässt sich darauf, dass der Tankwart den richtigen Sprit einfüllt; wir glauben der Wetterberatung und dass nicht nur die „offizielle“ ICAO-Karte, sondern auch die Anflugkarten anderer Anbieter die Luftraumsituation zutreffend wiedergeben. Und wenn ich in der Platzrunde fliege und nicht ausweichpflichtig bin, dann gehe ich davon aus, dass andere Piloten dies auch respektieren. Aber was ist, wenn doch etwas passiert? Kann man mir dann vorhalten, ich hätte noch mehr tun können, noch besser schauen, noch umsichtiger fliegen müssen?

Man hört ja immer wieder, dass die Unfallverursacher, die einen gravierenden Fehler gemacht haben, danach um jeden Preis versuchen, dem Geschädigten noch ein Mitverschulden anzuhängen. Auch der eine oder andere Versicherer ist manchmal sehr bemüht, doch noch ein Härchen in der Suppe zu finden. Wie ist hier die Rechtslage?

Dr. Roland Winkler antwortete

Grundlage einer jeglichen Haftung eines Handelnden (in diesem Fall eines Luftfahrzeugführers) ist immer, dass er schuldhaft eine Pflicht verletzt hat. Pflichten ergeben sich für Piloten mannigfach aus den Regelungen des Luftverkehrsrechts. Schuldhaft bedeutet, dass der Pilot entweder vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Konzentrieren wir uns hier einmal auf die Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer im Verkehr die erforderliche Sorgfalt außer acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Umgekehrt handelt nicht fahrlässig, wer diejenige Sorgfalt an den Tag legt, die in der konkreten Lage üblicherweise erwartet werden kann, und zwar „in dem Maß, das nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger des betroffenen Verkehrskreises vom Handelnden zu fordern ist“ – so der Bundesgerichtshof im Jahr 1971.

Das Oberlandesgericht Bamberg hat kürzlich diesen Maßstab für die Sorgfalt noch dahingehend ergänzt, dass man sich durchaus darauf verlassen darf, dass andere Teilnehmer am Luftverkehr die für die Erfüllung ihrer Pflichten erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse besitzen und entsprechend umsichtig handeln. Darüber hinaus stellte das Bamberger Gericht klar, dass eben nicht ein Verhalten verlangt wird, das jegliche Gefahr vermeidet, sondern „nur“ der sachgerechte Umgang mit der Gefahr. Heißt im Klartext: Wenn nicht zu erkennen ist, dass eine große Gefahr oder eine besonders kritische Situation vorliegt, muss man auch keine außergewöhnlichen Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Von Bedeutung ist dies allerdings nur bei der rechtlichen Aufarbeitung eines Unfallgeschehens; hierbei geht es vor allem darum, dass eigene Schadenersatzansprüche oder die der Hinterbliebenen nicht wegen eines möglichen Mitverschuldens gemindert werden können.

Wie viel Vorsicht ist genug?

Allzu sorglos darf man nun natürlich auch nicht unterwegs sein. Wenn man beispielsweise bereits in der Platzrunde ist und gemäß § 13 Abs. 4 LuftVO als landendes Luftfahrzeug Vorrang genießt, greift dennoch der Absatz 9 desselben Paragrafen, wonach ein Pilot so zu handeln hat, dass der Zusammenstoß mit einem anderen Luftfahrzeug vermieden wird. Ist diese Gefahr in greifbarer Nähe, gibt es keinen Platz für Rechthaberei – man weicht aus. Bei der Gelegenheit: Sie erinnern sich noch an die erste Regel der LuftVO, § 1 Abs. 1? „Jeder Teilnehmer am Luftverkehr hat sich so zu verhalten, dass Sicherheit und Ordnung im Luftverkehr gewährleistet sind und kein anderer gefährdet, geschädigt oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird.“ Bevor man einen Flug antritt, kontrolliert man den Treibstoffvorrat in jedem Fall selbst, und zwar gründlich.

Fremdschätzungen über den vorherigen Treibstoffverbrauch taugen niemals für die eigene Flugplanung. Als Passagier werde ich hingegen kaum darauf bestehen, den Außencheck des PIC nochmals nachzuvollziehen – entweder ich kann mich auf dessen Zuverlässigkeit verlassen, oder ich fliege mit diesem Kameraden erst gar nicht mit. Dasselbe gilt beim Tankwart, den Mitarbeitern der Wetterberatung oder Anbietern von Luftfahrtkarten – man darf voraussetzen, dass sie wissen, was sie tun. Bei der Luftraumbeobachtung oder in der Platzrunde schließlich ist man so aufmerksam wie möglich und kann davon ausgehen, dass andere Piloten die gültigen Regeln beachten werden. Wohl gemerkt: Das alles ist keine Garantie, dass nicht doch einmal etwas passiert. Wer sich aber so verhält, dem wird man hinterher kaum Fahrlässigkeit vorwerfen können.

fliegermagazin 9/2015

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