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Recht: Prüfung unter Verwandten

Kungeleien und Filz haben im Geschäftsleben nichts verloren. Doch spricht etwas dagegen, dass sich Fluglehrer gegenseitig prüfen, wenn sie miteinander verwandt sind?

Von Redaktion

Frage an Dr. Roland Winkler zum Thema Prüfung unter Verwandten:

Mein Vater und ich sind Fluglehrer mit den gleichen Berechtigungen und sind Mitglied in demselben Verein. Für die Verlängerungen unserer Lizenzen und Berechtigungen sind verschiedene Regierungspräsidien zuständig. In den Informationen zur Lizenzverlängerung des für mich zuständigen Regierungspräsidiums steht unter der Überschrift „Offene Fragen zur Verlängerung von Klassenberechtigungen (KB)“ folgender Satz: „Darf ein Familienmitglied einem anderen Familienmitglied eine KB auf der Rückseite der Lizenz verlängern? Nein, dies ist nicht möglich. (Befangenheit!)“ Zu diesem Satz habe ich mehrere Fragen, die ich gerne beantwortet hätte.

  1. Auf welcher rechtlichen Grundlage beruht diese Einschränkung durch die Landesluftfahrtbehörde?
  2. Wie weit ist der Begriff „Familienmitglied“ in diesem Zusammenhang gefasst?
  3. In einem kleinen Verein kann es schnell vorkommen, dass es nur zwei Ausbilder je Berechtigung gibt.

Wie kann vermieden werden, dass diese, wenn sie verwandt sind, ihre Lizenz nicht mehr auf dem einfachen und normalen Weg verlängern können?

Dr. Roland Winkler antwortete

Der Begriff der Befangenheit findet sich in allen Verfahrensordnungen, die wir in Deutschland kennen. Hintergrund ist, dass niemand Richter in eigener Sache sein soll, wobei auch die Mitwirkung an einer Entscheidung vermieden werden soll, die nicht die eigenen, sondern die Interessen nahestehender Personen betrifft. In unserem Fall bewegen wir uns im Bereich des Verwaltungsverfahrensrechts, sodass die in allen Bundesländern gleich gefassten Landesverwaltungsverfahrensgesetze gelten. Auch der Bund hat ein Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), an dem sich die Problematik der Befangenheit exemplarisch am § 20 erläutern lässt. Dort ist bestimmt: In einem Verwaltungsverfahren darf für eine Behörde nicht tätig werden, 1. wer selbst Beteiligter ist; 2. wer Angehöriger eines Beteiligten ist; 3. wer einen Beteiligten kraft Gesetzes oder Vollmacht allgemein oder in diesem Verwaltungsverfahren vertritt.

Dem Beteiligten steht gleich, wer durch die Tätigkeit oder durch die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erlangen kann. Der Begriff des Angehörigen wird in Absatz 5 definiert wie folgt: Verlobte, Ehegatten, Verwandte, Verschwägerte gerader Linie, Geschwister, Kinder der Geschwister, Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten, Geschwister der Eltern und auch Pflegeeltern und Pflegekinder. Die Vorschrift geht sogar so weit, dass die Angehörigeneigenschaft fortdauert, auch wenn zum Beispiel die sie begründende Ehe schon längst nicht mehr besteht. Sinn dieser Vorschriften ist es, den Angehörigen davor zu bewahren, dass er durch seine Mitwirkung in eine prekäre Situation gerät, weil die Entscheidung vielleicht nicht so ausfällt, wie der Antragsteller es sich wünscht. Darüber hinaus soll bei der Ausübung hoheitlicher Gewalt jeglicher Anschein von Parteilichkeit vermieden werden.

Böser Onkel, guter Onkel

Diese Vorschrift ist jedoch nicht ohne Weiteres auf die hier vorliegende Situation des Übungsflugs übertragbar. Es wird beispielsweise nur wenige Väter geben, die Fünfe grade sein und dabei in letzter Konsequenz ihren Sohn sehenden Auges in eine Katastrophe fliegen lassen. Darüber hinaus ist es zweifelhaft, ob ein Fluglehrer, der einen Übungsflug abnimmt, „für eine Behörde“ tätig wird: Ihm wurde zwar über die Regeln der JAR-FCL die Abnahme des Übungsflugs übertragen – ein Beschäftigungsverhältnis für die hier zuständige Lizenzbehörde besteht damit sicherlich  nicht. Mit anderen Worten: Die Aussage, dass bei einem Familienmitglied grundsätzlich Befangenheit vorliegt, entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage. Selbst wenn man im Wege der Analogie zu dem Ergebnis käme, dass der Vater beziehungsweise der Sohn kraft Gesetzes von der Abnahme des Übungsfluges ausgeschlossen ist, so würde dies nicht dazu führen, dass der Übungsflug null und nichtig wäre.

Die Klassenberechtigung ist damit wirksam erteilt, auch wenn diese Erteilung rechtswidrig wäre. Die Behörde könnte nun die Erteilung zurücknehmen, müsste aber im Rahmen der Ermessensausübung darlegen, dass etwa beim Übungsflug grobe Fehler übertüncht wurden. Dies hätte dann allerdings auch Konsequenzen für den Inhaber einer Lehrberechtigung, denn es spricht doch gegen die Zuverlässigkeit eines Fluglehrers, wenn er trotz grober Mängel den Übungsflug abnimmt. Soweit allerdings der Übungsflug in der Sache ordnungsgemäß absolviert wird, gibt es keinen Grund, im Vater-Sohn-Verhältnis Befangenheit zu erkennen. Es würde vielmehr bedeuten, dass man den Vater oder im umgekehrten Fall den Sohn ohne tatsächliche Grundlage unter Generalverdacht stellt und ihm unterstellt, beim Übungsflug beide Augen zugedrückt zu haben. Und das ist doch ein bisschen zu viel des Guten.

fliegermagazin 4/2010

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