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Recht: Haftungsfragen nach einem Unfall

Viele Piloten haben unterschiedliche Vorstellungen darüber, was nach einem Unfall auf sie zukommen könnte: Wer haftet wann? Und wofür?

Von Redaktion

Frage an Dr. Roland Winkler zum Thema Haftungsfragen:

Bei uns im Fliegerclub wird heftig über die mögliche Haftung gegenüber Passagieren bei einem Unfall diskutiert. Einige der Fliegerkollegen sind der Auffassung, dass es bei der zivilrechtlichen Haftung einen Unterschied macht, ob man leicht oder grob fahrlässig gehandelt hat. Andere sagen, diese Unterscheidung gäbe es in Wirklichkeit gar nicht. Wieder andere meinen, man könne die Haftung, insbesondere für Passagiere, durch Abschluss eines Beförderungsvertrages reduzieren. Schließlich behaupten einige ernsthaft, dass man die Haftungsrisiken noch weiter minimieren könne, wenn man einen kurzen Schlenker über das Ausland fliegt – Stichwort „Warschauer Abkommen“. Im Ergebnis herrscht bei uns ein fürchterliches Wirrwarr, und es würde mich interessieren, wie die Rechtslage tatsächlich ist.

Dr. Roland Winkler antwortete

Zunächst grundsätzlich Folgendes: Jegliche vertraglich vereinbarte Mitnahme von Fluggästen verbietet sich für PPL-Inhaber, unabhängig davon, ob der Pilot für deren Mitnahme ein Entgelt verlangen darf. Die Haftung gegenüber Passagieren ist zwar Gegenstand unterschiedlicher Regelungen, zum Beispiel § 44 LuftVG oder Warschauer Abkommen und die dazu geschlossenen Zusatzabkommen – für uns als Privatflieger sind diese Regelungen aber alle schlicht nicht anwendbar. Die von der Höhe her begrenzte Haftung nach § 44 LuftVG setzt ebenso wie die Haftung nach dem Warschauer Abkommen eine vertragliche Beförderung durch einen Luftfrachtführer voraus, und ein solcher kann der Privatpilot nicht sein. Auch der Inhaber einer CPL bräuchte noch die Genehmigung nach § 20 LuftVG: Er müsste Betreiber eines Luftfahrtunternehmens oder für ein solches tätig sein.

Privatpiloten bewegen sich dagegen im Bereich der einfachen Haftung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, hier vor allem § 823 Abs. 1 BGB, der die Schadensersatzpflicht regelt. Gegebenenfalls trifft auch § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 3 a LuftVO zu, wenn ein Pilot die Flugvorbereitung ungenügend durchgeführt hat und wegen Spritmangels notlanden musste. Die BGB-Haftung ist dreistufig aufgebaut: Erstens muss ein konkreter Tatbestand gegeben sein; in unserem Fall ist dies entweder die Verletzung der Gesundheit, des Körpers oder des Lebens des Passagiers. Liegt dieser so genannte objektive Tatbestand vor, stellt sich als nächstes die Frage, ob der Pilot rechtswidrig gehandelt hat. Das trifft zwar oft zu, dennoch gibt es hier Ausnahmen. So wäre beispielsweise ein Verhalten nicht rechtswidrig, das zwar zu Schäden geführt hat, aber mit dem Ziel geschehen ist, noch größeres Unheil abzuwenden.

Haftung nach einem Unfall: Reine Privatsache

Ein Beispiel wäre eine Sicherheitslandung, wenn der Pilot merkt, dass mit dem Luftfahrzeug irgendetwas nicht in Ordnung ist, und er einen Absturz in unwegsamem Gelände verhindern will. Drittes Element ist das Verschulden, hier gibt es zwei Formen: Vorsatz und Fahrlässigkeit. Vorsatz wäre gegeben, wenn ein Pilot mit voller Absicht gegen einen Berg fliegt, um Selbstmord zu begehen. Fahrlässigkeit bedeutet, dass man die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hat. Das Privat- oder Zivilrecht (anders als das Versicherungsvertragsrecht) unterscheidet tatsächlich nicht zwischen leichterund grober Fahrlässigkeit: Es ist für den Tatbestand egal, ob ein Passagier verletzt wurde, weil der Pilot bei der Landung unaufmerksam war („normale Fahrlässigkeit“), oder weil er bei der Flugvorbereitung keine vernünftige Spritberechnung gemacht hat, was allgemein als grobe Fahrlässigkeit angesehen wird.

Die Haftung nach BGB ist grundsätzlich unbegrenzt. Allerdings muss der Anspruchsteller das Vorliegen der oben beschriebenen Elemente nachweisen, insbesondere das Verschulden. Statt unsinnige (weil vor Gericht unwirksame) Vereinbarungen zur Haftungsmilderung zu treffen, sollten Piloten lieber ihren Versicherungsschutz überprüfen: Wer öfter Personen mitnimmt, ist gut beraten, eine Passagierhaftpflichtversicherung oder eine Kombination aus Halterhaftpflicht- und Insassenversicherung (Combined Single Limit, CSL) abzuschließen. Nicht zuletzt: Wenn ein Pilot einen Flug solide vorbereitet, sich an die Checklisten hält und auch sonst konzentriert bei der Sache bleibt, wird man ihn bei einem Unfall, der durch einen technischen Defekt verursacht wurde, auch sicher nicht haftbar machen können.

fliegermagazin 4/2014

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