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Recht: Haftungsfragen (II)

Nach dem tödlichen Crash eines Piloten versuchen die Erben, die zahlungsunwillige Versicherung in die Pflicht zu nehmen

Von Redaktion

Frage an Dr. Roland Winkler zum Thema Haftungsfragen:

Ein VFR-Überlandflug Ende November. Bei Wolkenuntergrenzen von 200 bis 300 Fuß kann ein Pilot nicht, wie ursprünglich vorgesehen, auf einem Regionalflughafen landen. Er wird auf einen Militärplatz umgeleitet, wo er von einer Radarstation einen Ground Controlled Approach (GCA) bekommt – mündliche Steueranweisungen zur Landung. Doch beim Anflug fällt der Motor wegen Treibstoffmangels aus. Das Flugzeug verliert Höhe, kollidiert mit einer Hochspannungsleitung und stürzt ab, der Pilot stirbt. Offenbar hatte er vergessen, den Tankwahlschalter zu bedienen, denn im linken Tank war genug Treibstoff, wie die spätere Untersuchung zeigt. Der Pilot habe sich auf den radargeführten Anflug konzentriert und sei die Landecheckliste nicht komplett durchgegangen, erklärt der Gutachter. Die Erben des Piloten ver-suchen, die Haftpflicht- und die Vollkasko–versicherung zur Zahlung von jeweils 110 000 Euro und 100 000 Euro zu bewegen. Ihre Klage wird in zweiter Instanz vom Oberlandesgericht (OLG) abgewiesen.

Dr. Roland Winkler antwortete

Das Luftfahrzeug war auf der Grundlage der von allen Versicherungen verwendeten Allgemeinen Bedingungen für die Luftfahrtkasko- und für die Luftfahrthaftpflichtversicherung versichert. Beide fordern, dass der Führer eines Luftfahrzeugs bei Schadenseintritt die vorgeschriebenen Erlaubnisse, erforderlichen Berechtigungen oder Befähigungsnachweise hat und dass bei Flugantritt VMC herrscht. Wenn diese Punkte nicht erfüllt sind, besteht kein Versicherungsschutz – die Versicherung muss nicht zahlen. Der Pilot hatte am frühen Morgen eine individuelle Flugwetterberatung eingeholt, die einen VFR-Flug erlaubte. Der Abgestürzte verfügte zwar über eine gültige Privatpilotenlizenz, aber seine Klassenberechtigung war abgelaufen. Zudem durfte er nur in Begleitung eines Sicherheitspiloten fliegen. Beide Klauseln werden von der Rechtsprechung als so genannte Risikobegrenzung ausgelegt: Durch die abgelaufene Berechtigung und die fehlende Begleitung war der Pilot nicht versichert.

Bei einer Risikobegrenzung gibt es auch keinen Vertrauensschutz für Drittgeschädigte, so das OLG. Dritte sind hier die Erben, die nichts mit dem Flug zu tun hatten, und die eigentlich darauf vertrauen konnten, dass das Flugzeug versichert ist. Doch da es durch die nicht erfüllten Klauseln keinen Versicherungsschutz gab, zahlte der Haftpflichtversicherer nicht, die Ansprüche richteten sich gegen den Nachlass. Etwas anderes gilt bei einer so genannten Obliegenheitsverletzung, wenn ein Verhalten des Piloten gefordert wird, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder verliert. Beispielsweise ist er verpflichtet, dem Versicherer unverzüglich und wahrheitsgemäß über einen Schadensfall Auskunft zu erteilen. Ansonsten riskiert er den Verlust des Versicherungsschutzes. In so einem Fall hätten die Erben aber Vertrauensschutz, und das Luftfahrzeug wäre versichert.

Unversichert abgestürzt

Die Kläger wandten ein, dass der Verstoß gegen die Auflage, nur mit einem Sicherheitspiloten zu fliegen, weder strafbar sei noch Auswirkung auf die Lizenz habe. Darauf kommt es aber nicht an. Es reicht prinzipiell nicht, dass der Pilot im Besitz eines PPL ist – ohne eine gültige Muster- oder Klassenberechtigung darf schlicht und einfach nicht geflogen werden. Die Erben machten geltend, dass sich seit Mai 2003 mit Einführung des JAR-FCL das Fluglizenzrecht verändert habe. Sie argumentierten, der Versicherer hätte den Piloten über die Änderung informieren müssen. Aus der Verletzung der Aufklärungs- oder Belehrungspflicht ergebe sich eine Zahlungspflicht. Diesen Ansatz verwarf das OLG mit dem Hinweis, dass dem deutschen Recht eine generelle Aufklärungspflicht einer Partei gegenüber der anderen fremd ist.

Jeder der Beteiligten muss sich über die für den Abschluss und die Durchführung des Vertrags maßgeblichen Umstände selbst informieren, auch wenn sich Rahmenbedingungen ändern. Das Gericht stellte fest, dass dem Piloten die abgelaufene Klassenberechtigung und der Umstand, dass er nur noch mit Sicherheitspilot fliegen durfte (Definition in JAR-FCL 1.035 und JAR-FCL 3.035), selbst bekannt waren, hierüber musste er nicht gesondert belehrt werden. Achtung: Es liegt auf der Hand, dass man diese Rechtsprechung auch auf die Verletzung der 90-Tage-Regel für die Mitnahme von Passagieren übertragen kann. Sind 90 Tage verstrichen (keine drei Monate!), muss ein Pilot allein drei Starts und Landungen absolvieren, bevor er mit Fluggast abheben darf. Auch hier ist Genauigkeit verlangt, die Frist muss korrekt berechnet werden.

fliegermagazin 3/2011

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