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Haftung bei Passagierflügen
Regelmäßig bietet eine Fliegergemeinschaft Jugendlichen die Möglichkeit, die Welt von oben zu erleben. Gelten für solche Flüge andere Regeln?
Frage an Dr. Roland Winkler zum Thema Haftungsfragen:
Unsere Fliegergemeinschaft ist Dachverband und Interessenvertretung der an unserem Verkehrslandeplatz beheimateten Motor- und Segelflugvereine, Flugschulen und Flugzeugeigner. Wir selbst und die uns angeschlossenen Fliegervereinigungen sind der Rechtsform nach – zumeist gemeinnützige – eingetragene Vereine. In regelmäßigen zeitlichen Abständen geben wir Schülern der im Umkreis angesiedelten Spezialschulen für entwicklungsbehinderte Jugendliche und deren Begleitern – meist einem Elternteil – Gelegenheit zu Rund- und Schnupperflügen in der Region.
Diese Flüge werden von uns in Zusammenarbeit mit den betreffenden Schulen und der Flugplatzgesellschaft organisiert und von ortsansässigen PPL-A-Piloten mit deren Vereins- oder Privatmaschinen unentgeltlich durchgeführt. Daraus ergeben sich bei diesen Einsätzen naturgemäß Haftungsrisiken und für den Fall eines Körper- oder Sachschadens bei den Eingeladenen oder deren Angehörigen auch das Risiko unzureichender Versicherungsabdeckung. Wie würden Sie die Haftungsrisiken dieser Flüge bewerten, welcher Versicherungsschutz wäre passend?
Dr. Roland Winkler antwortete:
Zunächst müssen wir klären, auf welcher rechtlichen Basis die Charity-Flüge stattfinden. Hier kommen zwei Möglichkeiten in Betracht: Nachdem die Flüge unentgeltlich durchgeführt werden, könnte man daran denken, dass sich alles im Unverbindlichen bewegt und auf rein gesellschaftlicher Ebene geschieht. Wenn ein Pilot ausfällt, findet der vorgesehene Flug eben nicht statt, eine Ersatzleistung gibt es nicht. Dies würde bedeuten, dass sich die Haftung bei Unfällen nach BGB richtet. Der Fluggast (oder seine Hinterbliebenen) müsste in diesem Fall ein Verschulden des Piloten nachweisen.
Die aktuelle Rechtsprechung tendiert allerdings in die andere Richtung: Man nimmt an, dass die Durchführung der Flüge schon verbindlich vereinbart ist, dass also insbesondere der Veranstalter mit dem sogenannten „Rechtsbindungswillen“ handelt. Dies bedeutet, dass die Beförderungen, wenn auch unentgeltlich, so doch auf vertraglicher Basis erfolgen. Für vertragliche Luftbeförderungen gelten die Haftungsnormen der §§ 44 ff. LuftVG, damit gilt die Gefährdungshaftung, und der Geschädigte muss ein Verschulden des Piloten nicht nachweisen. Der Vorteil dieser Haftungsregeln ist, dass dem Verpflichteten die Haftungshöchstbeträge des § 45 Abs. 2 LuftVG zugute kommen und dass diese Haftung gut versicherbar ist.
Als nächstes ist die Frage zu klären, wer in Ihrem Fall haftet, wenn etwas passiert. Nach Ihrer Schilderung verhält es sich so, dass Sie als Dachverband an die Schulen herantreten und ihnen die Flüge anbieten. Nach deren Zusagen organisieren Sie dann die tatsächliche Durchführung mit Hilfe der am Platz ansässigen Fliegervereinigungen und privaten Piloten oder Flugzeugeigner. Damit sind Sie im Verhältnis zu den Schulen nicht nur Ansprech-, sondern auch Vertragspartner, ohne allerdings selbst am Steuer zu sitzen.
Haftungsfragen: Fliegen für einen guten Zweck
Die Durchführung der Flüge geschieht mit Hilfe Ihrer Partner. Damit findet § 48b LuftVG Anwendung. Diese Vorschrift kennt nicht nur den ausführenden, sondern auch den vertraglichen Luftfrachtführer. Ihr Dachverband ist dann vertraglicher Luftfrachtführer, und die Piloten, die im Cockpit sitzen, sind die ausführenden Luftfrachtführer. § 48b LuftVG bestimmt, dass der vertragliche und der ausführende Luftfrachtführer als Gesamtschuldner haften: Der Geschädigte hat die Wahl, wen er in Anspruch nimmt. Im Innenverhältnis haften die Luftfrachtführer zu gleichen Teilen – wenn der eine mehr als die Hälfte bezahlt haben sollte, kann er entsprechenden Ausgleich vom anderen verlangen. Somit ist es unabdingbar, dass Sie sich vergewissern, dass bei allen beteiligten Partnern ausreichender und gleichlautender Versicherungsschutz gegeben ist.
Die heute übliche CSL-Deckung beinhaltet Elemente sowohl der Halter- als auch der Luftfrachtführerhaftung. Luftfahrzeuge ohne eine solche Versicherung sollten nicht verwendet werden. Vor Durchführung der Veranstaltung sollten Sie unbedingt Ihren Versicherer kontaktieren. Bei der Auswahl der Piloten sollten Sie im eigenen Interesse kontrollieren, ob nicht nur Lizenz und Medical aktuell gültig sind, sondern auch, dass die 90-Tage-Regel eingehalten ist. Schließlich noch ein wichtiger Hinweis: Die Haftungsbegrenzung des § 45 Abs. 2 LuftVG gilt dann nicht, wenn ein Schaden durch schuldhaftes Handeln eines an der Flugdurchführung Beteiligten verursacht wurde. Dass die Flüge als Charity-Veranstaltung durchgeführt werden, führt zu keinerlei Erleichterung bei der Haftung.
fliegermagazin 4/2017
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