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Haftungsausschluss und Enthaftungserklärung
Ein Pilot möchte sich gegen Risiken absichern, indem er Passagiere vor dem Mitflug eine Erklärung unterschreiben lässt. Ist das zulässig?
Frage an Dr. Roland Winkler zum Thema Haftungsausschluss:
Auf meinen Flügen nehme ich immer wieder mal Gäste mit, unabhängig davon, ob sie sich an den Kosten beteiligen oder nicht. Die meisten zeigen sich ja doch in irgendeiner Weise erkenntlich. Um das Risiko bei der Mitnahme von Fluggästen zu reduzieren, habe ich ein Dokument für eine Haftungsvereinbarung mit diesem Wortlaut entworfen: „Hiermit erkläre ich (Name des Passagiers), dass ich auf Schadensersatzansprüche gegen (Name des Piloten) aus dem Flug am (Datum) von (Startflugplatz) nach (Zielflugplatz) verzichte, soweit der Schaden auf leichte oder grobe Fahrlässigkeit des Piloten zurückzuführen ist. Dieser Verzicht soll auch für meine Erben gelten. (Ort, Datum, Unterschrift.). Diese Haftungsvereinbarung ist kein Beförderungsvertrag und keine Allgemeine Geschäftsbedingung.“ Sind solche oder ähnliche Haftungsvereinbarungen wirksam?
Dr. Roland Winkler antwortete:
Es ist extrem schwierig, tatsächlich zu einem Haftungsausschluss oder zu einer Haftungsbegrenzung zu kommen. Wir reden hier auch nicht darüber, dass bei einer harten Landung die Brille oder der Fotoapparat eines Passagiers beschädigt oder zerstört wird – wir sprechen von Verletzungen des Fluggasts am Körper bis hin zu dessen Tötung bei einem Crash. Und genau in diesem Bereich setzt der Gesetzgeber strenge Maßstäbe zum Schutz eines Fluggasts. Aber gehen wir Ihren Entwurf im Einzelnen durch. „Beförderungsvertrag“ und „Allgemeine Geschäftsbestimmungen“ sind Rechtsbegriffe, die das Gesetz, hier das BGB, definiert. Der einzelne Bürger kann nicht für sich und seine Verhaltensweisen bestimmen, welche rechtliche Bedeutung seinem Tun zukommt. Wenn Sie einen Passagier verabredungsgemäß auf einem Flug von A nach B mitnehmen, handelt es sich um eine Beförderung.
Wenn nicht außergewöhnliche Umstände hinzukommen, die im Regelfall nicht vorliegen, erfolgt die Beförderung auch mit Rechtsbindungswillen, also liegt ein Vertrag vor. Ohne Bedeutung ist hierbei, ob der Fluggast sich an den Kosten beteiligt oder nicht. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind in § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB definiert. Dies sind vorformulierte Klauseln, die eine Partei für eine Vielzahl von Verträgen vorsieht und der jeweils anderen Partei stellt. Bereits ab drei Verwendungen ist die „Vielzahl“ erreicht. Auch hier kann der Bürger nicht bestimmen, dass seine Klauseln keine AGB sein sollen. Den Begriff „Verzicht“ finden wir im BGB nicht, rechtstechnisch heißt dies Erlassvertrag. Und weil es ein Vertrag ist, reicht die eine Unterschrift nicht, sondern Sie müssten noch gegenzeichnen. Doch auch dann hilft dies nicht weiter: Ein formularmäßiger Verzicht ist nach der Rechtsprechung unwirksam.
Haftungsausschluss: Spaß ja, Verantwortung nein?
Grundsätzlich gilt, dass in AGB ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Fahrlässigkeit unwirksam ist, die sich auf Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit bezieht. Hierbei ist der Grad der Fahrlässigkeit unbedeutend. Für Sachschäden (Kamera, Brille) gilt dies bei grob fahrlässiger Verursachung des Schadens. Jeglicher Versuch, eine Haftung auszuschließen oder sie zu begrenzen, ist also unwirksam. Dies bedeutet aber nicht, dass die Mitnahme von Fluggästen unbeherrschbare Risiken für den Piloten birgt. Bei der heute üblichen CSL-Deckung in der Halterhaftpflichtversicherung, die auch die Ansprüche der im Flugzeug beförderten Passagiere abdeckt, ist der Pilot gut versichert. Kommt es durch fahrlässiges Handeln des Piloten zum Schadensfall, werden Forderungen der Passagiere beglichen. Dasselbe gilt für Ansprüche von Personen, denen der getötete Passagier zu Unterhalt verpflichtet war.
Soweit der Schaden nicht durch grobe Fahrlässigkeit des Piloten eingetreten ist, ist die Sache – abgesehen von dem menschlichen Leid – für den Piloten unproblematisch. In diesen Fällen kann der Versicherer keinen Regress nehmen, denn gerade für derartige Fälle hat man ja schließlich die Versicherung. Liegt aber grobe Fahrlässigkeit vor, hat der Pilot also missachtet, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, so kann sich der Versicherer unter Umständen auf fehlende Deckung berufen und jegliche Zahlung verweigern. Dies in jedem Fall dann, wenn die Pflichtwidrigkeit des Piloten für den Unfall und die dabei entstandenen Schäden ursächlich war. Typischer Fall: Spritmangel.
fliegermagazin 12/2017
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