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Recht: Gurtpflicht

Ein Passagier will sich in einem Kleinflugzeug partout nicht anschnallen, auf dem Sitz bleiben will er auch nicht. Was kann der Pilot dagegen tun?

Von Redaktion

Frage an Dr. Roland Winkler zum Thema Gurtpflicht:

Wie verhält es sich eigentlich mit der Anschnallpflicht beispielsweise in einer Cessna 172? Und wo ist diese gesetzlich verankert? Was beim Pkw selbstverständlich ist, scheint hier kompliziert zu sein, denn im Internet konnte ich nichts Konkretes dazu finden. Ein frecher Mitflieger erklärte mir, dies sei lediglich eine „Kann-Regelung“ und deshalb nicht verpflichtend. Noch verrückter: Er wollte während des Flugs den Platz verlassen und ins Heck klettern, da er dort seine Kamera liegen hatte. Eine Kontroverse war unvermeidbar. Ich weiß, dass ich alle zehn Jahre neue Gurte für meine Maschine kaufen muss – dies wäre ja wohl unsinnig, wenn es keine Anschnallpflicht gäbe. Als ich 1975 meinen PPL gemacht hatte, gab es nur den Beckengurt. Aber auch da war es schon beim Prüfungsflug höchst angeraten, sich zu vergewissern, ob auch der Prüfer sicher angegurtet war – und zwar noch bevor man den Motor startete. Wie ist die Rechtslage?

Dr. Roland Winkler antwortete

Es stimmt tatsächlich: Im Luftverkehr gibt es keine dem § 21 a Abs. 1 Satz 1 StVO vergleichbare Vorschrift für eine Gurtanlegepflicht eines jeden einzelnen Fahrzeuginsassen. Interessant ist in dem Zusammenhang, dass das Bußgeld von immerhin bis zu 2000 Euro von dem nicht Angeschnallten selbst zu bezahlen ist, nicht vom Fahrzeuglenker. Für Luftfahrzeuge gilt § 19 Abs. 1 Ziff. 1 LuftBO. Danach gehört zur Pflicht-Ausrüstung bei Personenbeförderung (ausgenommen Ballone) ein Anschnallgurt für jeden Sitz. Allerdings gibt es im Luftverkehrsrecht kein Bußgeld für nicht angelegte Anschnallgurte. Bereits im Straßenverkehrsrecht ist aber der Fahrzeugführer dafür verantwortlich, dass alle am Fahrzeug angebrachten Sicherheitseinrichtungen zu gebrauchen sind. Es gibt Fälle, in denen der Fahrzeugführer nach einem Unfall wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wurde, weil er dies unterließ.In unserem Fall folgt aus § 3 Abs. 1 Satz 2 LuftVO, dass die Anschnallgurte sehr wohl angelegt werden müssen.

Die Vorschrift besagt, dass der Luftfahrzeugführer die während des Flugs, bei Start und Landung und beim Rollen aus Gründen der Sicherheit notwendigen Maßnahmen zu treffen hat. Das Anschnallen ist ohne Zweifel eine solche aus Gründen der Sicherheit notwendige Maßnahme. Was können Sie aber tun, wenn sich ein Fluggast weigert und stattdessen eine Diskussion anfängt? Bis zur Landung müssen Sie ihn ja mitnehmen, erst danach können Sie ihn von weiteren Flügen ausschließen. Zwar haben Sie als Pilot in Command gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 LuftBO die so genannte Bordgewalt, das heißt: Sie allein bestimmen, was bei Ihnen im Flieger geschieht. Trotzdem können Sie Ihren renitenten Fluggast ja nicht mit brachialer Gewalt zwingen, sich anzuschnallen und auch angeschnallt zu bleiben. Und wenn der Fluggast meint, während des Flugs in den Kofferraum krabbeln zu müssen, haben Sie faktisch auch keine Handhabe, ihn daran zu hindern.

Anschnallpflicht in Kleinflugzeugen: Da schnallst du ab!

Sie können nur mit Worten auf ihn einwirken. Die Zwickmühle dabei: Unternehmen Sie nichts, tragen Sie das Risiko eines Strafverfahrens, wenn bei der Landung etwas schiefgeht, und der nicht angeschnallte Passagier verletzt oder gar getötet wird. Dass im Zivilrecht der Schadenersatzanspruch des Passagiers oder der Hinterbliebenen wegen Mitverschuldens des Passagiers gekürzt werden kann, ist nur eine Marginalie. Auch eine aus diesem Gesichtspunkt mildere Bestrafung hilft Ihnen nicht weiter, denn: Strafe bleibt Strafe. Dreh- und Angelpunkt ist dabei, dass Sie den Nachweis führen können, dass Sie alles in Ihren Kräften stehende getan haben, um den frechen Passagier zur Raison zu bringen. Ihnen bleibt als Möglichkeit die Benachrichtigung von FIS oder eine Mitteilung an die Flugleitung des Zielflugplatzes. An einem Platz mit Kontrollzone könnte nach einer solchen Mitteilung übrigens sogar der Einflug in die CTR zur Landung verweigert werden.

FIS oder INFO des Zielflugplatzes werden Ihre Mitteilung festhalten, und Sie haben damit den notwendigen Beweis, dass Sie alles in Ihrer Macht stehende versucht haben. Ihr Ansprechpartner dort kann im Falle eines Falles als Zeuge gehört werden. Auch gegenüber Ihrer Aufsichtsbehörde wäre dann der Nachweis Ihrer Zuverlässigkeit erbracht, sodass auch dort keine Veranlassung besteht, Sie einer eventuellen Überprüfung zu unterziehen.Die wichtigste und letztendlich auch einzige Maßnahme für den Pilot in Command ist bei dem von Ihnen geschilderten Fall also die Beweissicherung.

fliegermagazin 3/2014

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