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Recht: Checklisten-Pflicht
Routinierte Piloten kennen ihre Maschine in- und auswendig. Eigentlich müssten sie doch auf Checklisten verzichten können – oder?
Frage an Dr. Roland Winkler zum Thema Checklisten-Pflicht:
Unter Piloten wird immer wieder heftig diskutiert, wie umfassend und gründlich die Flugvorbereitung zu sein hat. Mich beschäftigt dabei insbesondere die Frage, ob man unbedingt Checklisten verwenden muss. Als routinierter Privatpilot braucht man sich doch gar nicht um so viele Dinge zu kümmern. Die Gefahr, sich bei den wenigen Punkten zu verheddern, ist viel geringer als etwa bei einem komplexen Airliner. Oder liege ich da falsch? Wie ist die Rechtslage, und welche Konsequenzen kommen auf einen Piloten zu, wenn er ohne Checkliste losfliegt und es dann doch zu einem Unfall kommt?
Dr. Roland Winkler antwortete
Wir alle haben es irgendwann gelernt: Das Luftfahrzeug wird anhand von Klar- oder Checklisten vor jedem Flug überprüft, die sich auch im Handbuch finden. Auch vor jedem Anflug und sonstigem Manöver hat man einen Blick in die Checkliste zu werfen. Wer die Checkliste lediglich als eine Art Spickzettel betrachtet, den nur unsichere Piloten oder solche mit geringer Erfahrung benutzen, liegt komplett falsch. Getreu dem Motto „Nobody is perfect“ hat auch der Gesetzgeber deutliche Worte gesprochen, so in § 27 der Luftbetriebsordnung (LuftBO): „Der Luftfahrzeugführer hat vor, bei und nach dem Flug sowie in Notfällen anhand von Klarlisten die Kontrollen vorzunehmen, die für den sicheren Betrieb des Luftfahrzeuges erforderlich sind.“ Solange nichts passiert, ist alles bestens. Wie so oft sieht die Sache aber nach einem Unfall mit Personenschäden schon anders aus.
Die ersten kritischen Fragen werden von den ermittelnden Polizeibeamten gestellt, denen die 90-Tage-Regel ebenso bekannt sein könnte wie die Vorschrift des § 27 LuftBO. Erklären die als Zeugen befragten verletzten Fluggäste, dass der Pilot keine Liste beim Vorflugcheck verwendet hat, so hat dieser ein Problem. Zunächst einmal ist ein Verstoß gegen die oben genannte Vorschrift bereits eine Ordnungswidrigkeit. Doch damit nicht genug: Die Luftbetriebsordnung ist eine Rechtsvorschrift zur Sicherung des Luftverkehrs im Sinne des § 315a Abs. 1 Ziffer 2 Strafgesetzbuch, und das heißt, dass Verstöße gegen sie mit einer Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden können – wobei eine so hohe Strafe im Falle einer nicht gelesenen Checkliste sicherlich theoretisch anmutet. Realistisch dagegen ist, dass es ein Kaskoversicherer im Schadensfall als grobe Fahrlässigkeit auslegen kann (und wird), wenn ein Pilot nachweislich keine Checkliste benutzt hat.
Checkliste: Mehr als nur ein Merkblatt
Auch nach neuer Rechtslage hat eine Versicherung nämlich einen Regressanspruch gegen den Schädiger, sobald grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Nach der neuen Regelung des § 86 Absatz 2 Satz 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) gilt zwar nicht mehr das „Alles-oder-nichts“-Prinzip, die Kürzung der Versicherungsleistung muss vielmehr im Verhältnis zur Schwere des Verschuldens stehen. Allerdings muss der Pilot den Beweis erbringen, dass eine grobe Fahrlässigkeit nicht vorgelegen hat, was erfahrungsgemäß nur sehr schwer gelingt. Etwas anders gelagert ist der Fall, wenn der Pilot eine Checkliste nicht vollständig abgearbeitet hat. Im Schadensfall wird die Versicherung dann nicht von vornherein von grober Fahrlässigkeit ausgehen und entsprechend normal regulieren. Von diesen juristischen und formellen Dingen einmal abgesehen tut man sich natürlich selbst keinen Gefallen damit, Checklisten komplett zu ignorieren – erst recht dann, wenn man nur in unregelmäßigen Abständen fliegt.
Die Hersteller von Luftfahrzeugen haben sich schließlich etwas dabei gedacht, bestimmte Punkte in einer gewissen Reihenfolge abzuhaken. Immerhin gibt es durchaus Spielraum für eigene Vorlieben, wie in fliegermagazin 2/2010 erklärt (Praxis Fliegen: „Wissen, wo’s steht“). Sinnvoll kann es sein, sich auf Grundlage der Betriebsanleitung eine individuelle Checkliste anzufertigen, ergänzt um Punkte aus dem persönlichen Erfahrungsschatz mit dem jeweiligen Muster. So eine Liste darf natürlich nicht unerreichbar im Gepäckfach liegen. Bei wenig komplexen ULs ist es durchaus üblich, eine Mini-Version als Aufkleber am Panel zu haben. Akribisch die Checkliste abzuarbeiten, ist jedenfalls kein Zeichen von Schwäche. Dumm ist vielmehr, wer es nicht tut.
fliegermagazin 2/2011
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