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Praxis-Tipp: Was tun bei partiellem Leistungsverlust?
Wenn das Triebwerk nicht gleich komplett ausfällt, lässt sich mit der Restleistung noch viel retten!
Wenn die Realität nur so schön schwarz-weiß wäre wie im Flugtraining! Dort ist die Welt ganz einfach: Geübt wird, dass der Motor ausfällt. Gänzlich und komplett, einfach tot. Was dann passiert, ist klar: Es geht abwärts. Je nach Flughöhe hat man mehr oder weniger Zeit, um Fehler zu finden und Checklisten abzuarbeiten – und wenn das Triebwerk nicht wieder anspringt, steht eine Notlandung bevor.
So beeindruckend und vielleicht sogar erschreckend das Szenario für Flugschüler und auch viele erfahrene Piloten ist: Es stellt einen in seiner Klarheit einfachen Fall dar. Denn es gibt keinen Zweifel: Der Motor steht, die Power ist weg. Noch einfacher wird’s, wenn auch gleich feststeht, dass jeder Versuch einer Fehlerbehebung sinnlos ist: Ist die Scheibe voller Öl, blockiert der Motor mit einem Krachen kollidierender Metallteile – dann braucht man mit Tankwahlschalter oder Boost Pump nicht mehr fummeln, sondern kann sich gleich ein geeignetes Landefeld suchen.
Leistungsverlust: Auf den Motor hören!
Doch ganz so einfach wie im Training ist die Sache im richtigen Leben oft nicht. Das beginnt beim Startlauf: War die Maschine bei früheren Flügen nicht viel eher in der Luft? Immer wieder liest man Unfallberichte, bei denen Piloten mit heulendem Triebwerk am Ende einer oft sogar recht langen Bahn im Gestrüpp verschwinden. Welcher Teil der vom Flugzeug gesendeten Botschaft „heute nicht!“ war da missverständlich?
Diese Botschaft eines Motors, der nicht mehr die volle Leistung bringt, versteht leichter, wer die Startstrecke für jeden Flug ausrechnet – oder sie für Standardflüge je nach Beladung, Platzhöhe, Temperatur und Wind gut kennt. Verschiedene Apps machen es heute sehr leicht, diese Berechnung individuell durchzuführen. Sie haben eine Datenbank mit Handbuchwerte, laden die Wetterinfos aus dem Internet und geben dann eine präzise Strecke vor, nach die Maschine in der Luft sein sollte. Den Wert kann man jedesmal mit der Realität vergleichen, indem man etwa vorher die Strecke an den Bahnreitern abzählt. Daraus resultiert im Briefing vor dem Start: Sind wir an der Stelle da hinten nicht in der Luft, brechen wir den Start ab.
Startstrecke verlängert: Sind es 25 Prozent mehr sollte man die Werft aufrufen
Und es ergibt sich eine unmittelbare Erkenntnis über den Motorzustand: Wenn man bislang nie mehr als 15 Prozent über der errechneten Strecke lag und plötzlich sind es regelmäßig 25, dann stimmt wohl etwas mit der Leistung nicht. Die Werft ist dann der richtige Ansprechpartner.
Auch in der Luft sollte man eine genaue Vorstellung davon haben, welche Reisegeschwindigkeit das Flugzeug in Abhängigkeit von Höhe, Beladung, Temperatur und Power Setting erreicht. Schafft man die Speed nicht mehr, muss es einen nachvollziehbaren Grund geben.
Eismaschine im Motorraum: Vergaservereisung ist eine klassische Ursache für Leistungsverlust
Klassischer Fall in vielen Flugzeugen: Auf einer Insel war es wunderschön, zurück geht es in der Abendsonne bei Dunst und sinkenden Temperaturen. Drehzahl oder – beim Verstellprop – Ladedruck sinken? Da wird sich der Gashebel wohl verstellt haben, also schieben wir ein wenig nach. Und ein paar Minuten später wieder.
Doch wo geht sie hin, die ganze schöne Leistung? Höchstwahrscheinlich steckt eine immer stärkere Vereisung des Vergasers dahinter. Richtig wäre also, nicht die Leistung nachzuschieben, sondern nach der Ursache für den Verlust zu suchen: Vergaservorwärmung voll an, Drehzahl oder Ladedruck notieren und schauen, ob die Werte nun bei allmählich abtaunendem Eis wieder ansteigen. Ganz wichtig: Durch die heiße, dünnere Luft im Ansaug- trakt ist das Gemisch fetter geworden. Das kann zu rauem Motorlauf führen, al- so muss abgemagert werden. So oder so bewirkt wärmere Ansaugluft einem Leistungsabfall, aber wenigstens setzt sich der Vergaser nun nicht komplett mit Eis zu.
Partial Power Loss: Rucken im Motorraum
Noch ein Szenario: Der Motor läuft auf einmal rau und unrund, er stolpert, die Drehzahl schwankt, die Leistung sinkt. „Partial Power Loss“ heißt das auf Englisch – entsprechend lautet auch der Eintrag in der Notfall-Checkliste, wenn er denn vorhanden ist.
Die Checkliste aus dem Handbuch hat natürlich Vorrang vor allem hier Gesagten, aber es gibt typische Verdächtige: Das Gemisch ist einer. Prüfen Sie, ob es zu fett oder zu mager ist. Auch kann etwas mit den Zündmagneten oder einer der Zündkerzen nicht stimmen. Zum Glück haben die meisten Flugzeuge zwei redundante Zündkreise. Aber man muss erstmal darauf kommen, der Reihe nach den einen und den anderen mit dem Zündschlüssel abzuschalten. Läuft der Motor auf einem der beiden Zündkreise allein wieder rund, auf dem anderen dagegen noch rauer oder überhaupt nicht, ist der Fehler gefunden. Schalten Sie den defekten Zündkreis ab!
Angeschlagener Motor: Wie weit kann man noch fliegen?
Danach müssen Sie eine Entscheidung treffen, wie weit Sie mit dem angeschlagenen Motor noch fliegen wollen. Beim Ausfall eines Zündkreises sollten Sie in jedem Fall noch zum nächsten Flugplatz kommen, vielleicht sogar bis nach Hause.
Doch es gibt so viele Fehlermöglichkeiten, bei denen Ihnen nicht mehr die komplette Leistung zur Verfügung steht. Zum Beispiel, wenn der Ansaugtrakt durch ein Leck Nebenluft zieht. Oder der Lufteinlass nach einem Vogelschlag teilweise blockiert ist. Verlangsamen Sie die Geschwindigkeit in die Nähe der Speed für bestes Gleiten, dann brauchen Sie wenig Motorleistung, um die Höhe zu halten. Nun humpeln Sie entweder zum nächsten Flugplatz oder zumindest zu einem geeigneten Notlandefeld. Wenn Sie mit dieser Entscheidung warten, bis der Motor ganz ausfällt, haben Sie keine Optionen mehr.
Durchdrehender Verstellprop: Anzeichen eines Öllecks
Auf jeden Fall ist die Leistung deutlich zu reduzieren, wenn der Verstellpropeller auf einmal nicht mehr regelt, sondern auf höchste Drehzahl geht. Dann müssen Sie die Power rausnehmen – und zugleich einen Blick auf Öldruck und -temperatur werfen. Denn es kann gut sein, dass der durchdrehende Prop erstes Anzeichen eines Öllecks ist. Dann bleibt nicht mehr viel Zeit bis zum kompletten Stillstand des Motors, aber vielleicht noch genug, um gezielt ein Landefeld anzusteuern.
Auch wenn die Anzeigen etwa für Öl- oder Zylinderkopftemperatur in den roten Bereich gehen, ist eine Leistungsreduzierung der erste Schritt. Passiert daraufhin nichts mit den Werten und sind sie zum Beispiel voll am Anschlag, muss eine andere Möglichkeit in Erwägung gezogen werden: Ist der Temperaturanstieg echt oder handelt es sich um einen Sensorfehler?
Im Ernstfall: Nach dem nächstgelegenen Flugplatz Ausschau halten
Wenn aber die Temperaturen wirklich durchs Dach gehen, spielt Zeit eine entscheidende Rolle. Davon bleibt jetzt womöglich nicht mehr viel, bis der Motor vom Graubereich des „Mir geht’s nicht so gut“ ins schwarze-weiße „Das war’s dann“ wechselt.
Für genau diesen Fall gibt es die NRST-Taste am GPS, die fein säuberlich die nächstgelegenen (nearest) Flugplätze zeigt – samt Entfernung und Richtung. Unter Berücksichtigung des Winds suchen Sie sich einen der Top 3 aus und drehen erstmal auf den richtigen Kurs. Dann überlegen Sie kurz, ob die Entfernung wirklich zu bewältigen ist: 3 Meilen sind schnell geschafft, 25 dauern jetzt eine Ewigkeit. Fixieren Sie sich nicht auf den Flugplatz: Wenn’s nicht reicht, muss eine Wiese oder ein Acker genügen. Suchen Sie sich al- so gleich ein Feld direkt vor der Nase aus. Wenn Sie es überfliegen, suchen Sie das nächste – und so weiter, im besten Fall bis zum rettenden Flugplatz.
Manche Fehler sind aber auch vergleichsweise harmlos. Die anfangs genannte Vergaservereisung zählt dazu, wenn man rechtzeitig auf die Symptome reagiert. Ebenso kann es bei manchen Flugzeug zu einem rau laufenden Motor kommen, wenn an heißen Sommertagen der in der Sonne geparkte Sprit sehr warm geworden ist und nun in den Leitungen zum Motor Dampfblasen bildet. Eine elektrische Zusatzpumpe sorgt dann für er- höhten Treibstoffdruck – wenn man darauf kommt, sie zu aktivieren.
Zeichnungen: Helmuth Mauch, Illustrationen: Eric Kutschke
Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.
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