Praxis Tipp: Landen unter schwierigen Bedingungen
Bahnneigung und Gelände, Wind, Wetter oder Beleuchtung – viele Faktoren können eine Landung erschweren. Dann hilft vor allem mentale Vorbereitung auf die Verhältnisse.
Blutdruck 170 und mehr: Solche Werte haben Piloten bei ganz normalen Routinelandungen – gemessen nicht etwa bei Anfängern, sondern vor Jahren in einem Feldversuch bei gestandenen Lufthansa-Kapitänen. Wohin mag der Druck klettern, wenn zusätzlich besondere Schwierigkeiten zu meistern sind? Von denen gibt es je nach Landeplatz einige. Auf viele kann man sich zum Glück rechtzeitig vorbereiten.
Erreicht ein Pilot seinen Heimatflugplatz kurz vor Feierabend bei einer aufziehenden Kaltfront mit stürmischen Seitenwindböen, sieht er sich vielleicht nahe der Grenze seiner Leistungsfähigkeit. Geht er bei der Risikoabwägung auf die sichere Seite, weicht er besser auf einen Flugplatz mit günstigeren Bedingungen aus. Damit aber handelt er sich unangenehme Konsequenzen für den Heimweg und den Rücktransport des Flugzeugs ein.
Erschwerte Bedingungen: Bei der Risikoabwägung wird meist die riskantere Option gewählt
Statistiken besagen, dass bei der Abwägung zwischen zwei ungünstigen Optionen zumeist die weniger wahrscheinliche, aber riskantere gewählt wird. Bei der Entscheidung für einen Ausweichplatz ist der damit verbundene Aufwand sicher. Beim Versuch einer Landung am Zielort dagegen räumt man sich die Chance ein, dass alles gut geht. Die Wahrscheinlichkeit unangenehmer Konsequenzen wertet man also geringer als beim Flug zum Ausweichplatz, dafür aber ist das Risiko größer.
In einer solchen Situation gewinnen allzu leicht Emotionen wie der Stalltrieb die Oberhand, die man nur durch eine rationale Risikoabwägung wenigstens teilweise übersteuern kann. Diese Risikobewertung einer zu erwarteten Landung beginnt schon bei der Flugplanung. Viele Herausforderungen sind vorhersehbar. Dazu zählt zum Beispiel die Pistenneigung.
Pistenneigung: eine vorhersehbare Herausforderung
Nehmen wir etwa Albstadt-Degerfeld (EDSA). Ein erster Blick auf die Anflugkarte zeigt eine Graspiste mit komfortablen 960 Metern Länge. Allerdings sind die Schwellen weit in die Landebahn hinein versetzt. Den Grund dafür findet man im Geländeprofil auf der Rückseite der Anflugkarte. Mit 1 : 20 wird der Anfluggradient bei Überflug der Hindernisse angegeben, das entspricht zunächst einmal den üblichen drei Grad eines ILS-Anflugs – die aber für eine Sichtflug-Platzrunde eher flach sind.
Das wäre also soweit normal. Doch die Bahne hat ein Gefälle nach Westen von 75 Fuß auf 960 Metern, was knapp 1,5 Grad und fast 2,5 Prozent entspricht. Fliegt man also die Piste 27 mit einem Drei-Grad-Winkel an, so ergibt sich zur Piste der optische Eindruck von extrem flachen 1,5 Grad, verstärkt dadurch, dass der Beginn der Piste bis zur versetzten Schwelle noch steiler abfällt. Um den gewohnten Anblick zu erreichen, wird mancher steiler anfliegen – was aber das Problem der ohnehin schon erheblich verlängerten Bodenrollstrecke zusätzlich verschärft .
Lassen Sie sich nicht täuschen: Es hilft die Landestrecke genau zu berechnen
Dieses Problem hat man hangaufwärts auf der „09“ nicht. Aber: Dort ergibt sich beim Anflug optisch ein Winkel von 3 + 1,5 = 4,5 Grad und somit der Eindruck, man sei zu hoch, was dazu führen kann, nach Überflug der Hindernisse erst einmal abzutauchen und damit den Anflug zu destabiliseren.
Es hilft also, für solche besonderen Bedingungen nicht nur die Landestrecken genau zu berechnen, sondern auch die zu erwartenden Eindrücke vor Flugbeginn mental durchzuspielen. Dabei helfen nicht nur Anflugkarten, sondern auch Fotos aus dem Internet, Webcams oder Satellitenbilder. Immer mehr Navigations-Apps ermöglichen einen virtuellen Anflug mit einer 3D-Geländedarstellung für genau solche Zwecke.
Ungewöhnliche Dimensionen: Schmale Pisten erwecken den Eindruck man sei zu hoch
Ein Klassiker der optischen Täuschungen ist der Anflug auf Pisten mit ungewöhnlichen Dimensionen. 15 Meter Breite sind ein gängiges Maß für Verkehrslandeplätze. Wer dagegen zum Beispiel Weiden in der Oberpfalz anfliegt, findet ein kurzes schmales Band von 570 x 10,5 Metern vor. Da entsteht der Eindruck, man sei zu hoch.
Umgekehrt tappen viele Piloten beim Anflug auf die 45 Meter breite Piste eines Flughafens in die mentale Falle und denken, sie seien zu tief. Im Abfangbogen auf einer ungewohnt breiten Landebahn schlägt die zweite optische Täuschung zu: Unbewusst orientiert man sich an der Peripherie seines Gesichtsfelds in Bezug auf den Blickwinkel zum Pistenrand und beendet seine Landung einen halben Meter über dem Beton – mit entsprechend „positiven Kontakt“ beim Aufsetzen.
Zu hoher Anflug: Hindernisse vor der Schwelle können bedrohlich wirken
Hindernisse vor der Schwelle können bedrohlich wirken und zu einem zu respektvollen Abstand beim Überflug führen, sodass einem danach die Bahn ausgeht, weil man zu hoch ankommt. Im optischen Eindruck viel unangenehmer ist jedoch eine hohe Stufe vor dem Beginn einer Landebahn, die auf einer Anhöhe liegt. Eine solche „Flugzeugträgerbahn“ hat zum Beispiel die „08“ von Burg Feuerstein am Westrand der Fränkischen Schweiz. Mit einer Elevation von 1674 Fuß liegt der Pistenanfang 600 Fuß über dem Gelände davor! Es sind nicht nur die optischen Eindrücke, die Gefahren bergen: Die Hangkante verläuft so steil, dass die Anflugkarte vor gefährlichen Abwinden durch Leewirbel warnt.
Praxis-Tipp: Fliegen bei Nacht
Bei Nacht sind vor allem Plätze in einsamen Gegenden für den Black Hole Effect anfällig: Unbeleuchtetes Gelände erscheint konturenlos wie ein schwarzes Loch und vermittelt den Eindruck großer Höhe. So entsteht die Tendenz, zu tief anzufliegen, wo dann Hindernisse stehen könnten.
Black Hole Effect: Abhilfe schaffen optische Anflughilfen
Die beste Lösung ist eine optische Anflughilfe, also ein PAPI oder VASI. Alternativ nutzt man die per GPS leicht feststellbare Distanz zur Piste. Ein Drei-Grad-Anflug erfordert 1000 Fuß Höhe pro drei Nautische Meilen Entfernung. Dann ist eine Sinkrate in Fuß pro Minute vom Fünffachen der Groundspeed in Knoten erforderlich.
Das lässt sich im Vorfeld errechnen, anders als unerwartete Wetterveränderungen. Vor allem Seitenwind kann ein Thema sein, das sich aber in der Wettervorhersage bereits erkennen lässt. Doch manchmal kommt etwa eine Front schneller als angesagt. Die maximal nachgewiesene Seitenwindkomponente im Handbuch ist zwar keine harte Betriebsgrenze. Doch wer bei mehr Wind landet und einen Schaden verursacht, könnte womöglich bei der Versicherung in Erklärungsnot geraten.
Aus der Luft erkennbar: Waldkanten oder Hügel können Turbulenzen erzeugen
Schon aus der Luft lässt sich bei aufmerksamer Beobachtung erkennen, ob im Landeanflug Leewirbel und Turbulenzen wahrscheinlich sind: Waldkanten oder Hügel in Platznähe, düsenähnlich wirkende Lücken zwischen großen Hallen – das sind Alarmzeichen.
Seitenwindlandungen sollten immer wieder geübt werden. Los geht es mit einem stabilen Anflug mit Vorhaltewinkel, der einen auf der Bahnachse hält. Rechtzeitig vor dem Aufsetzen – wann genau ist auch eine Frage der Übung – wechselt man dann in den Seitengleitflug mit in Windrichtung hängendem Flügel. Das Ziel ist, Quer- und Seitenruder so zu kreuzen, dass die Flugzeuglängsachse parallel zur Bahn verläuft und es keine seitliche Drift mehr gibt. So hält man die Fluglage, bis erst das luvseitige Rad aufsetzt, dann das andere.
You can always go around: Seien Sie immer bereit durchzustarten
Aufschläge auf die Anfluggeschwindigkeit von 1,3 x Vs0 sollte es für einen stetigen Wind nicht geben. Ist es böig, empfiehlt sich als zusätzliche Reserve die Hälfte des Böenfaktors, also der Differenz zwischen stetigem Wind und Böenspitzen. Die wichtigste Vorbereitung auf erschwerte Landebedinungen: Seien Sie immer bereit durchzustarten, wenn nicht alles so passt, wie Sie es möchten.
Text: Helmuth Lage, Illustrationen: Eric Kutschke, Zeichnungen: Helmuth Mauch
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