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Notlandung wegen Motorproblem: Schleppmaschine Zlin 143L
Bei manchen Unfällen müssen Untersucher eine Fülle von äußeren Faktoren beachten, um der Ursache auf die Schliche zu kommen. Anders bei diesem Crash einer Zlin: Das Flugzeug setzte sich quasi selbst außer Gefecht
Was ist los? Dritter Schleppflug an diesem Augusttag, eine Zlin 143L ist im Anflug auf den Flugplatz Münster im Kanton Wallis. Der Pilot hat ein ungutes Gefühl, etwas stimmt nicht. Beim Take-off schien ihm die Startstrecke länger als während des Schlepps davor. Und im Steigflug lahmte der Tiefdecker, obwohl die Masse des geschleppten Segelflugzeugs dem des vorherigen entsprach.
Nun ja, erstmal landen; der Segler hat ausgeklinkt, und die Einmot ist auf dem Rückflug. Der 57-Jährige schaltet die Vergaservorwärmung ein und reduziert zweimal die Leistung. Immer schön die Piste 05 im Blick, vergleicht er Höhe, Speed und Entfernung, etwas Power geben, dann passt’s. Doch als der Schweizer den Gashebel nach vorn schiebt, spürt er nicht einen kräftigen Propellerzug, sondern vernimmt ein Motorstottern, die Drehzahl klettert nur leicht.
Kurz nach dem Schlepp: Motorstottern der Zlin Z-143L
Nacheinander verändert der Mann die Stellung des Leistungshebels, der Vergaservorwärmung und des Mixers – ohne Ergebnis. Er blickt sich im Cockpit um. Instrumente? Hebel? Schalter? Nichts davon lässt Rückschlüsse zu auf das widerwillige Gebaren des Lycomings. Mit der Leistungseinbuße ist der rettende Asphalt unerreichbar, das ist dem Piloten schnell klar. Er muss notlanden. Das Gelände vor ihm scheint hindernisfrei zu sein. Schon meldet sich die Überziehwarnung, kurz darauf prallt die Zlin an eine Böschung, das linke Fahrwerk wird abgerissen.
Schlitternd kommt das Flugzeug nach 30 Metern zum Stehen, der Pilot verletzt sich erheblich. Das Büro für Flugunfalluntersuchungen (BFU) macht sich an die Arbeit, Experten bauen den Motor aus. Ebenso den Vergaser, bei dessen Zerlegung die Fachleute im Venturi-Kanal auf ein kleines Metallstück stoßen – ein abgebrochenes Rippenstück aus dem Inneren des rechten Wärmetauscher-Gehäuses, wie sich herausstellt. Dort, am verbleibenden Teil der Rippe, finden die Fachleute eine deutliche Bruchstelle bei einem Nietloch.
Erhebliche Leistungseinbußen: Die Zlin muss notlanden
Sie rekonstruieren: Nachdem es sich losgelöst hatte, wurde das Rippenstück beim Öffnen der Vergaservorwärmungsklappe durch den Luftstrom via Luftschlauch und -filterkammer direkt in den Venturi-Kanal befördert. Dort blieb es hängen und verklemmte sich zwischen einer Verstrebung und der Benzindüse. Die Folge war eine massive Veränderung des Luft-Benzin-Gemisches – dem Motor blieb die Luft weg. Dazu passt auch die Aussage eines Zeugen, der eine Rauchfahne (verursacht durch zu fettes Gemisch) an dem vorbeifliegenden Viersitzer beobachtete. Doch wie kam’s zu dem Rippenbruch? An beiden Gehäusen des Wärmetauschers, bei den Rohrverbindungen zum Flansch des Aufpuffs, fanden die Ermittler Scheuerspuren. Sie rührten von Vibrationen her. Zudem waren Befestigungslöcher der Halteklammern zur Montage und Demontage des Gehäuses stark ausgeschlagen und teilweise durch Aufdoppelung mit Blech repariert.
Grund genug für die BFU, in ihrem Untersuchungsbericht unter dem Punkt Ursache kritisch zu resümieren: „Zum Unfall hat die unzweckmäßige Konstruktion des Wärmetauschers beigetragen“. Zlin hat auf den Unfall reagiert und ein „Mandatory Service Bulletin“ herausgegeben. Darin wird die Kontrolle der aus Duraluminium gefertigten Rippen vorgeschrieben. Zudem beabsichtigt der Hersteller eine Revision der Wartungsunterlagen und will damit sicherstellen, dass entsprechende Kontrollverfahren detaillierter beschrieben sind. Es ist wohl reiner Zufall, dass es nicht schon früher aus den gleichen Gründen zu einer Störung kam: Im rechten Wärmetauscher entdeckten die Experten eine zweite Rippe, an der ein Stück fehlte. Was mit diesem geschah, konnten die Untersucher nicht klären.
Unfallakte II: Mangelhafte Vorflugkontrolle – Wenn’s plötzlich trommelt
Ist ein Pilot nachlässig, so stellt sich die Frage nach seinen fliegerischen Grundtugenden. Eine davon ist Gewissenhaftigkeit. Zum Beispiel bei der Vorflugkontrolle: Starts mit offenen Tankdeckeln passieren immer wieder. Nicht erst eine Maschine ist deswegen schon vom Himmel gefallen.
Die Beech C90A hebt gerade ab, die Crew fährt das Fahrwerk ein. Im Bauch der Zweimot sitzen sechs Passagiere. Was diese durch die Kabinenfenster sehen, kann nicht normal sein: Beide Tankdeckel, gesichert durch eine Kette, schlagen im Fahrtwind gegen die Flächen. Ein Fluggast informiert augenblicklich die beiden Piloten. Diese entschließen sich, sofort zum Sonderlandeplatz Werneuchen zurückzukehren. In 100 Meter über Grund kurvt die King Air rechts herum zur Piste 26. Etwa 115 Knoten liegen an, die Bahn ist gerade mal eine Nautische Meile seitlich entfernt. Während des Kurvens wundern sich die Männer im Cockpit über die ihrer Meinung nach geringe Speed und Power der Zweimot und prüfen den Fahrwerks- und die Leistungshebel. „Wo ist die Bahn?“ fragt der verantwortliche, 60-jährige Pilot vom linken Sitz. „Da vorne“, antwortet sein 30-jähriger Kollege. In diesem Moment ist die Beech eine Meile nördlich der Runway.
Kurz darauf werden die Klappen und das Fahrwerk ausgefahren, der Kurs beträgt nun 140 Grad. Bereits während des Kurvens ertönte die Stallwarnung mehrmals für einen kurzen Moment, jetzt quäkt das Horn konstant, der Pilot zwingt die taumelnde Zweimot in eine weitere Rechtskurve Richtung Runway. Südlich der Schwelle zur 26 ist ein UL unterwegs, sein Pilot wird Augenzeuge des Unglücks: Bis kurz vor dem Aufprall auf eine Wiese hat die Zweimot starke Querneigung. Die (zum Teil schwerverletzten) Insassen entkommen aus eigener Kraft dem Wrack. Der Copilot, 2480 Stunden erfahren (2130 davon auf der Beech C90A) und wie sein Kollege ATPL-Inhaber, wollte die Maschine vorm Start betanken. Er öffnete die Tankdeckel, doch da kam ein Telefonat mit dem Flugzeugeigner dazwischen: Man beschließt, erst am Zielplatz Sprit zu bunkern. Die Deckel blieben offen – und bei der Vorflugkontrolle unbemerkt.
Gewagtes Manöver der Beech C90A
Mit seiner spontanen Entscheidung, nach rechts zu kurven, brachte sich der mit knapp 15 000 Stunden (3850 auf dem Unfallmuster) erfahrene PIC in die ungünstige Lage, die Bahn nur eingeschränkt im Blickfeld zu haben. Eine saubere Platzrunde war so jedenfalls nicht möglich. Vermutlich schätzte der PIC die Situation bedrohlicher ein, als sie tatsächlich war: Die King Air zog eine Treibstofffahne hinter sich her, der verantwortliche Pilot befürchtete einen Triebwerkausfall wegen leergesaugter Tanks. Zu Unrecht: Das Kraftstoffsystem der Beech ist so ausgelegt, dass durch die Flächenstutzen kein Sprit aus den Nacelle- und inneren Tragflügeltanks entweichen kann. Das dort schwappende Jet- Fuel hätte locker für eine ausgedehnte Platzrunde gereicht.
Die hohe Abflugmasse und starke Neigung beim Kurven machen die Unfalluntersucher für die vermeintlich fehlende Leistung verantwortlich. Als sich zudem Klappen und Fahrwerk gegen die Strömung stemmten und eine Kurve mit großer Querneigung folgte, um aufgrund der geringen Entfernung noch zur Runway 26 zu gelangen, stallte die Turboprop. Der Fall erinnert fatal an den Absturz des Grob-Testpiloten Werner Kraut im Jahr 1994. Kraut überzog eine King Air, als er in einer scharfen Umkehrkurve kurz nach dem Start auch noch das Fahrwerk rausließ. Beim Aufschlag kam der 48-Jährige ums Leben. Der Grund für das gewagte Manöver: Der linke Tankdeckel klopfte im Luftstrom nervend gegen die Fläche – der erfahrene Pilot war unter Zeitdruck und hatte vergessen, ihn nach dem Tanken wieder zuzudrehen.
Text: Markus Wunderlich, fliegermagazin 7/2007
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