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Notlandung am Rettungsschirm: Flight Design CTLS an der Elbe
Sieben Tage Insel-Hopping an der Nordseeküste, dann wollen die Insassen einer CTLS wieder zurück in den Süden. Doch die Pläne enden mit einem lauten Knall an der Elbmündung – zum Glück geht alles glimpflich aus
Komm da raus, Papa, das Benzin kann sich entzünden!« – ein Satz, den man nicht gerade am Ende einer schönen Urlaubswoche hören möchte. Doch er steht für eine Geschichte mit glimpflichem Ausgang für die beiden Betroffenen, Vater und Tochter. Es ist der 2. April des vergangenen Jahres, an dem die Crew einer CTLS mit Echo-Zulassung einen siebentägigen Nordseeausflug mit einem Sightseeing-Flug über dem ostfriesischen Wattenmeer ausklingen lässt. Der 51-jährige Pilot ist mit über 800 Flugstunden erfahren. Er fliegt seit 34 Jahren und hat auch auf der CTLS des deutschen Herstellers Flight Design bereits 266 Stunden gesammelt.
Vor dem Start wird der Hochdecker betankt: Handmessung und Bordcomputer zeigen übereinstimmend eine Gesamtmenge von 40 Litern Sprit in den beiden Flächentanks. Am frühen Nachmittag startet die Maschine dann von der Insel Wangerooge und nimmt zunächst Kurs auf Borkum, um ein Foto der westlichsten deutschen Insel machen. Danach wollen Vater und Tochter an diesem Tag noch nach Uetersen und anschließend nach Bielefeld.
Flight Desing CTLS über der Nordsee: Inselhopping im Ultraleicht
Vor der Südküste Borkums dreht die CTLS einen Vollkreis und nimmt Kurs nach Osten in Richtung Uetersen. Der Pilot aktiviert den Autopiloten, es geht direkt auf den Grasplatz nordwestlich von Hamburg zu. Der Computer zeigt einen verbliebenen Spritvorrat von 32,5 Litern und gibt 3500 Fuß Flughöhe an. Der Wind bläst dem Zweisitzer mit bis zu 35 Knoten entgegen. Über der Küste am südlichen Jadebusen kommen starke Turbulenzen dazu. Der Pilot beginnt den Sinkflug und meldet sich beim Flugleiter in Uetersen für Landeinformationen. Kurz danach ist die Maschine bereits über der Elbe, es sind jetzt nur noch wenige Minuten bis zum Platz. Als die CT das östliche Elbufer fast erreicht hat, beginnt der Motor unvermittelt zu stottern, im gleichen Moment blinkt die Engine-Warnlampe auf. Der Bordcomputer zeigt 12,5 Liter Benzin an – das wäre genug, um noch etwa 40 Minuten in der Luft zu bleiben. Und zur Schwelle von Uetersen sind es jetzt nur noch vier Minuten. Doch plötzlich steht der Prop.
Für den Piloten ist sofort klar: Eine Notlandung kommt nicht in Frage, er sieht keine Alternative zum Rettungsschirm. Über unbekanntem Gelände könnte selbst bei nur 75 km/h Fahrt im Anflug ein Crash mit Überschlag den Tod für ihn und seine 23-jährige Tochter bedeuten. Die dabei auftretenden Kräfte wären gewaltig; am Fallschirm dagegen kommt das Flugzeug mit 24 Stundenkilometern deutlich sanfter auf die Erde. Bei einer Notlandung wäre die Fahrt dreimal so hoch, die Aufprallenergie sogar neunmal größer. Dennoch ist auch die Aktivierung der Rettungsrakete riskant, denn die CT hat kaum das andere Elbufer erreicht und kämpft mit starkem Gegenwind. Nach dem Auslösen des Gesamtrettungssystems könnte die Maschine in den breiten Strom zurückgeblasen werden. Auch hier stünden die Überlebenschancen nicht zum Besten. Der Pilot entscheidet sich deshalb dafür, im Segelflug ausreichend Abstand zur Elbe zu gewinnen. Auch die kleine Ortschaft Haselau überfliegt er im Gleitflug.
Über der Elbe: Der Motor stottert, dann steht der Propeller still
Nach einigen endlos quälenden Sekunden, in denen die Nadel des Variometers steil nach unten zeigt, aktiviert der Pilot das Rettungssystem. Mit einem lauten Knall wird die Sollbruchstelle hinter dem Cockpit weggesprengt, als dort die Rakete aus dem Rumpf hinausschießt. Mit einem harten Ruck bremst der Fallschirm das Flugzeug ab, und der Pilot verliert die Kontrolle – wohin Maschine und Crew getragen werden, bestimmt jetzt der Wind. Sekunden später geht das Flugzeug mit einem dumpfen, aber nicht besonders heftigen Aufschlag mit dem Hauptfahrtwerk zuerst zu Boden. Sofort öffnet die Passagierin die Kabinentür und springt aus dem Cockpit ins Freie.
Der Pilot ist nicht so schnell. Da der Wind den Rettungsschirm weiter offen hält und noch am Light Sport Aircraft zerrt, bleibt er zunächst sitzen. Ein Fehler, wie sich kurz darauf zeigt: Der Schirm zieht die Maschine über den matschigen Untergrund; sie überschlägt sich rückwärts. Als sie wieder auf dem Hauptfahrwerk landet, gelingt es auch dem Piloten, die Maschine zu verlassen.
Spielball des Winds: CTLS nach Auslösung des Rettungsschirms
Doch der Kampf ist immer noch nicht vorbei. Mit herbeieilenden Helfern versuchen Vater und Tochter, die vom Wind gebeutelte Maschine festzuhalten. Aber es gelingt ihnen nicht. Erst 300 Meter weiter, auf der anderen Seite einer Landstraße, werden Schirm und Flugzeug von einem Laternenmast, einem Telefonschaltkasten und einem kleinen gemauerten Schutzhäuschen gestoppt. Trotz Totalschaden an der Maschine und beträchtlichem Flurschaden ist schnell klar: Die beiden Insassen hatten großes Glück, sie kommen mit ein paar Schrammen davon.
Der Griff zum Rettungssystem war genau richtig. Dennoch gibt es einen Makel: Zwar hat die CTLS inzwischen die reguläre Zulassung als europäisches LSA in der Echo-Klasse. Die vor dieser Zeit zugelassene Unfallmaschine fliegt ebenfalls mit Echo-Kennzeichen, aber mit einem Permit to Fly. Und diese vorläufige Zulassung, die immer nur auf ein Jahr ausgestellt wird, war ausgerechnet in der Nacht vor dem Unglücksflug abgelaufen. In der Folge zahlt die Versicherung für den Schaden beim Flug mit einem nicht zugelassenen Flugzeug keinen Cent. Der finanzielle Schaden ist enorm.
Für die Ermittler der Bundesstelle für Flugunfallunterschung (BFU) gibt es nicht viel mehr zu tun als den Fall aufzunehmen. Warum der Motor ausfiel, bleibt letztlich ungeklärt. Der Pilot verweist auf viele Diskussionen über Probleme mit der Treibstoffzuführung bei geringer Spritmenge im Zusammenhang mit diesem Muster. Auch hätte er sich eine Möglichkeit gewünscht, den Schirm nach der Landung abtrennen zu können – so wäre der Schaden am Flugzeug minimal geblieben. Dennoch besteht für ihn kein Zweifel: Rettungssysteme müssten für alle Flugzeuge Pflicht sein.
Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 2/2014
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