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Neue Vorschrift für die Sprechfunk-Verfahren – eine große Umstellung?
Die neue Vorschrift für die Sprechfunk-Verfahren an kleinen Plätzen macht Schluss mit vielen alten Gewohnheiten. Wir sagen, was sich ändert.
Nun haben wir schwarz auf weiß, was wir eigentlich schon immer wussten – und was eigentlich auch schon immer galt: Flugleiter dürfen keine Flüge leiten! Vor allem Piloten sind jetzt gefragt: Sie müssen ihr Verhalten und ihre Verfahren drastisch umstellen. Über die Nachrichten für Luftfahrt (NfL) hat das Bundesverkehrsministerium kürzlich die »Richtlinien für die Durchführung des Flugfunks auf Flugplätzen ohne Flugverkehrsdienste« als NfL 2024- 1-3240 erlassen. Sie ergänzen die schon vor einigen Monaten erschienen »Grundsätze über die Betriebsleitung auf Landeplätzen und Segelfluggeländen ohne Flugverkehrsdienste « (NfL 2024-1-3106). Wer die Originale lesen möchte, die Sprechfunk-NfL finden Sie hier zum Download, die NfL über die Betriebsleitung unter folgendem Link.
Beide NfL gelten bereits und legen zusammen fest, wie der Flugbetrieb inklusive Sprechfunk an Plätzen ohne Flugverkehrsdienste ablaufen soll. Das sind alle Plätze, die weder einen Tower noch eine AFIS-Stelle haben – also die überwiegende Mehrheit. Ist die Bodenfunkstelle dieser
Plätze besetzt, hört sie auf das Rufzeichen »Radio« oder »Segelflug«. Über die ältere NfL hatten wir hier ausführlich berichtet, sie ist auch online einsehbar. Darin wurde der Wechsel von der Bezeichnung Flugleiter auf Betriebsleiter festgelegt.
Und es wurden Verfahren etabliert, wie auch ohne Betriebsleiter geflogen werden kann. Nun legt das Ministerium nochmal ordentlich nach: Ganz konkret wird festgelegt, was ein Betriebsleiter alles nicht tun und vor allem sagen darf. Und dazu zählt so ziemlich alles, was an deutschen Plätzen geübter Normalfall war. Deshalb ist die Umstellung für Piloten drastisch. Für die legt die NfL ebenfalls Sprechgruppen fest, die künftig zu verwenden sind. Auch dabei gibt es viele Neuerungen.
Grundprinzip beim Fliegen: Selbstständig separieren!
Schon in der Einführung wird klargestellt: Das Grundprinzip beim Flugbetrieb besteht darin, dass Luftfahrzeuge ihre Position und ihre Flugabsichten ankündigen und sich eigenständig in Übereinstimmung mit den Flugregeln und den veröffentlichten Flugplatzverfahren von anderen Flugzeugen separieren. Weiter heißt es: Der Betreiber einer Bodenfunkstelle kann »einfache, nicht zertifizierte Verkehrs- und Wetterinformationen zur Verfügung stellen«. Die seien aber »in keinem Fall obligatorisch«. Stets hat das Ministerium in der NfL darauf geachtet, nie den Eindruck zu erwecken, dass der Betriebsleiter für den Flugbetrieb erforderlich sei – im Gegenteil.
Die Liste der für den Betriebsleiter verbotenen Sprechfunkinhalte ist lang: Verkehrsinformationen unter Angabe von Position und Höhe, Anweisungen zu Landereihenfolgen oder zum Durchstarten, Erteilung von Freigaben, Bewegungslenkung und vieles mehr. Erlaubt sind allgemeine Hinweise und die Empfehlung einer vorherrschenden Landerichtung. Selbst die früher oft von Flugleitern zur Begründung von Anweisungen herangezogene Gefahrenabwehr zieht nicht mehr.
Ein eigener Abschnitt der NfL beschäftigt sich damit. Bei allem, was ein Betriebsleiter zur Gefahrenabwehr sagt, »ist explizit darauf zu achten, dass es sich dabei keineswegs um Anweisungen handelt!« Auch wenn ein Betriebsleiter zugleich Beauftragter für die Luftaufsicht ist, ändert das seine Befugnisse im Sprechfunk nicht. Was bleibt: Es sei zulässig, heißt es in der NfL, dass der Betriebsleiter zusätzlich Daten zum Beispiel für das gesetzlich vorgeschriebene Hauptflugbuch abfrage, also etwa den Start- oder Zielflugplatz.
Keine konkreten Wetterangaben weitergeben
Wie wichtig den Autoren der NfL die von der EASA vorgegebene, klare Trennung zu AFIS- und Towerlotsen ist, macht ein weiteres Verbot deutlich: Betriebsleiter dürfen künftig weder einen QNH noch eine konkrete Windstärke oder -richtung weitergeben. Allenfalls so etwas wie »schwach aus Süd« ist erlaubt. Es sei klar gesagt: Ein Pilot, der für eine sichere VFR Landung die Windansage auf Knoten und Grad genau braucht oder seine Flughöhe ohne ein QNH nicht abschätzen kann, der hat anderweitig Schulungsbedarf.
Flugpläne dürfen von Betriebsleitern nun nur noch auf explizite Bitte des Piloten geöffnet oder geschlossen werden. Die Weitergabe von Freigaben ist nicht erlaubt. Zwar hatte die BFU in einem Unfallbericht gerade die Option gefordert, dass Piloten IFR-Freigaben auch bei Flugregelwechselverfahren bereits am Boden erhalten. Doch das ließe sich auch ganz ohne Betriebsleiterregeln, indem Piloten direkt ATC kontaktieren, etwa per Telefon.
Für Piloten bedeuten diese Vorgaben vor allem eins: Jetzt ist endlich Schluss mit dem großen Schweigen in der Platzrunde! Die NfL schreibt genau das vor, was zum Funktionieren des Systems erforderlich ist: Position und Absichten müssen regelmäßig von allen Verkehrsteilnehmern gemeldet werden! Die Luftfahrzeugführer müssen ihrer Verantwortung jederzeit gerecht werden, sie können sie nicht mehr an einen Betriebsleiter abgeben. Das ist eine nicht zu unterschätzende Umstellung. Beim konkreten Blick auf die Sprechgruppen, die von der NfL vorgegeben werden, lohnt zuerst ein Abgleich mit den in der Praxis bisher weit verbreiteten Sprechgruppen, die in der NfL gar nicht vorkommen – und die es deshalb auch in der Praxis künftig nicht mehr geben darf.
Formulierungen zum Abgewöhnen
Ganz vorne auf der Liste der nicht-existenten Sprechgruppen: Die Formulierung »abflugbereit« findet sich in der NfL ebensowenig wie »Start nach eigenem Ermessen «. Dieser Dialog ist schlicht nicht vorgesehen. Stattdessen gibt es »Rolle zum Abflugpunkt Piste xx«. Wer schlau ist, der wartet kurz, bevor er das tut, damit ein anderer Pilot Einspruch erheben kann, falls das erforderlich ist.
Ebenso wenig steht diese Formulierung in der NfL: »… erbitte Start-/Landeinformationen. « Den Erstanruf sieht die NfL wie folgt vor: »(Flugplatzname) Radio, (eigene Kennung), (Luftfahrzeug-Muster), (Position), (Absicht), (ggf. Informationen zum Flug)«. Mit anderen Worten: Da der Erstanruf ohnehin an die übrigen Flugzeuge in Platznähe geht, sagt man sofort, wo man ist und was man vor hat.
Große Denk Barriere für viele Piloten: Wie entscheidet man selbstständig, welche Bahn zu benutzen ist? Wie ergänzt man also im Erstanruf die »Absicht« beim Spruch: »zur Landung auf Piste …«? Es gibt vier Möglichkeiten. Die erste: Aus dem Abhören der Frequenz in den Minuten zuvor ergibt sich, welche Bahn die anderen nutzen. Wenn keine sicherheitsrelevanten Gründe dagegen sprechen, sollte man sich unbedingt daran anpassen. Möglichkeit zwei: Im Funk ist nichts los, aber der Wind (der an irgendwas am Boden erkennbar sein wird) gibt die Richtung vor. Dritte Option: Es ist windstill – dann entscheidet der Pilot einfach angesichts der Umstände sinnvoll. Vierte Möglichkeit: Man nennt eine Bahnrichtung, aber der Betriebsleiter empfiehlt eine andere und gibt Gründe dazu an. Dann sollte man diese Empfehlung sicherlich ernsthaft erwägen.
Verantwortung übernehmen – und kommunizieren
Zum Thema Positionsmeldungen räumt die NfL klar mit einer langen Debatte unter Piloten auf: Eine zeitliche Meldung wie »fünf Minuten nördlich des Platzes« ist keine Positionsmeldung! Die Position in Relation zu einem markanten Punkt ist verlangt. Das sollte ein Punkt sein, den auch Ortsfremde erkennen können. »Meiers Kiesgrube« oder »die rote Schule« zählt dazu eher nicht. Die NfL gibt vor, dass jeder Abschnitt der Platzrunde zu melden ist. Dazu gehört bei einer Rechtsplatzrunde auch der Zusatz »rechter« zum Gegen- und Queranflug. Ebenso soll die Nummer in der Landefolge angegeben werden, um zu signalisieren, dass man die vorausfliegenden Maschinen in Sicht hat. Spätestens im Endanflug sollte man dann auch verraten, was man vorhat: »zur Landung«, »Touch & Go« oder »Tiefanflug« zum Beispiel.
Die Piloten haben jetzt die Verantwortung für ihr Handeln an Plätzen ohne Tower oder AFIS-Stelle. Sie müssen Position und Absicht in allen Teilen der Platzrunde sowie am Boden melden. Sie können und müssen selbstständig sinnvoll über die genutzte Bahnrichtung entscheiden. Und sie müssen sich über die Verfahren am Platz informieren und sich präzise daran halten. So, wie es seit Jahren weltweiter ICAO-Standard ist.
Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.
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