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Motorstillstand nach dem Start: Kitfox IV-Absturz in der Umkehrkurve
Vor allem kurz nach dem Start fürchten Piloten einen Motorausfall. Es bleibt nur wenig Zeit für Entscheidungen, und für die Umkehrkurve zurück zur Piste braucht man Höhe
Man möchte so etwas einfach nicht erleben: Der Startlauf ist wie gewohnt, der Motor läuft mit Vollgas, die Maschine beschleunigt, rotiert und hebt ab. Doch plötzlich wird es still, und es fühlt sich an, als habe jemand die Handbremse gezogen. Um jetzt noch einen Bedienfehler zu korrigieren, der für das Malheur verantwortlich sein könnte, bleibt keine Zeit. Die Nase muss sofort nach unten, um nicht zu viel Fahrt zu verlieren und im Strömungsabriss vom Himmel zu fallen.
Vor allem die Höhe entscheidet nun darüber, ob und welche Manöver überhaupt noch (oder schon) möglich sind, um sich aus der misslichen Lage zu befreien. Umkehrkurve ja oder nein? Das ist eine der grundlegenden Fragen – und die richtige Antwort lautet sehr viel öfter „Nein“ als Piloten denken. Die Unfallstatistik spricht klar gegen eine Umkehrkurve. Wer sich um die Schäden bei einer Landung abseits des Platzes sorgt, hat definitiv die falschen Prioritäten: Ein Absturz aus der Kurve ist schlimmer, fürs Flugzeug gibt es eine Versicherung. Ende März 2008 steht der Besitzer eines selbstgebauten Kitfox IV-1200 auf dem Flugplatz Birrfeld in der Schweiz, sieben Kilometer südwestlich von Baden, unvermittelt vor der Umkehrkurven-Entscheidung.
Start der selbstgebauten Kitfox IV-1200 auf dem Flugplatz Birrfeld
Es soll der erste Flug nach der 100-Stunden-Kontrolle an Zelle und Triebwerk werden, die der 64-Jährige an seinem Bausatz-Flugzeug erst vor wenigen Tagen durchgeführt hat. Da der Kitfox vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) in der Sonderkategorie Eigenbau zugelassen ist, darf er vom Halter selbst gewartet werden. Neue Avionik ist auch mit an Bord: ein Mode-S-Transponder, der auf dem Flug ausprobiert werden soll. Zuletzt war das Wetter immer zu schlecht für einen Start, das Triebwerk konnte der Pilot aber seit der Wartung zweimal am Boden testen.
Der Wind weht an diesem Tag schwach aus Nordwesten, als der Kitfox gegen Mittag zur Piste 26 rollt. Am Rollhalt macht der Pilot die letzten Checks, lässt dabei den Vierzylinder-Rotax 912 kurzzeitig mit 5200 Umdrehungen drehen. Dann geht’s auf die Bahn, alles läuft wie gewohnt. Ein Blick auf den neuen Transponder: Er schaltet nach dem Abheben in zirka 50 Metern über dem Boden in den Flugmodus um. In gut 80 Meter Höhe, über dem letzten Stück der Auslauffläche, will der Pilot die Propellerverstellung betätigen, als plötzlich die Triebwerksleistung abfällt. Der Prop dreht weiter, immer noch in Startkonfiguration, doch der Motor zündet nicht mehr. Sofort konzentriert sich der Pilot darauf, den Kitfox zurück zur Piste zu bringen.
Er macht keinen Versuch, den Motor wieder zu starten. Für die Notlandung peilt er die parallel zur Hartbelagpiste gelegene Grasbahn der Segelflieger an, Landerichtung „08“. Doch in der Umkehrkurve nach links wird der Höhenverlust so groß, dass der Zweisitzer bereits nach einem Bogen von 150 Grad aufschlägt. Das Fahrwerk bricht, der sich drehende Propeller zersplittert bei der Bodenberührung. Die Maschine rutscht noch 30 Meter weiter, dreht sich dabei um die Hochachse und bleibt dann liegen. Der Pilot ist schwer verletzt, kann aber noch, wie er später erklärt, den Haupthahn unten im Cockpit schließen, um die Brandgefahr zu verringern. Ein herbeigeeilter Helfer schließt den zweiten Benzinhahn an der linken Flügelwurzel, den der Pilot aus eigener Kraft nicht mehr erreichen konnte. Rettungskräfte bringen den Verletzten ins Krankenhaus.
Das schweizerische Büro für Flugunfalluntersuchungen (BFU) beginnt noch am selben Tag mit den Ermittlungen. Rasch zeigt sich, dass der Haupthahn nicht geschlossen, sondern geöffnet ist. Die Markierung „OFF“ ist verrutscht: Der Aufkleber hat sich um 90 Grad verschoben und verdeckt die Markierung „ON“ für den geöffneten Benzinhahn. Da der verunglückte Pilot jedoch angibt, den Hahn nach der Landung geschlossen zu haben, deutet sich die mögliche Ursache für den Triebwerksausfall bereits an. Die Absturzmaschine hat zwei Tanks in den Flügeln, die Leitungen führen in einen Sammeltank unten im Rumpf, von dort weiter zu den Vergasern. Treibstoff ist genug vorhanden, 27 Liter rechts, 32 Liter links, 5,7 Liter im vollständig gefüllten Sammeltank.
Großer Höhenverlust: In der Umkehrkurve stürzt die Kitfox ab
Der linke Flügeltank hat einen Absperrhahn, der Haupthahn ist unterhalb des Panels im Cockpit montiert, zwischen Sammeltank und Brandschott, und dient damit gleichzeitig als Brandhahn. Testläufe des ausgebauten Motors auf einem Prüfstand zeigen, dass nach Unterbrechung der Treibstoffzufuhr noch gut 30 Sekunden verbleiben, bevor der Motor abstirbt. Das ist in etwa auch die Zeit, die vom Startlauf bis zur missglückten Notlandung verging. Eine Untersuchung weiterer Bauteile wie Vergaser, Benzinpumpe und Auspuffsystem ergibt keinen Hinweis auf einen Defekt, der zum Motorstillstand hätte führen können. Zwar ist der linke Gashebelzug nicht ganz gängig und klemmt zeitweise, wodurch sich die Drosselklappe des linken Vergasers nicht bei jeder Betätigung in Vollgasposition bringen lässt. Doch die daraus resultierenden Leistungseinbußen sind nicht nennenswert. Eine zusätzliche elektrische Benzinpumpe, wie sie vom Motorenhersteller empfohlen wird, ist nicht eingebaut.
Als Ursache für das Motorversagen stellt das BFU in seinen Schlussfolgerungen ein unbeabsichtigtes Schließen des Benzin-Haupthahnes fest. Der Grund für die misslungene Notlandung liegt im Kontrollverlust über das Flugzeug in der Umkehrkurve. Die falsche Beschriftung des Benzinhahns, so die Untersucher, habe den Piloten dazu verleiten können, den Haupthahn irrtümlich zu schließen. Vermutlich sei das sogar erst kurz vor dem Start geschehen, denn er rollte mit Motorkraft zum Rollhalt und führte dort noch einen Run-up durch. Offen bleibt die Frage, ob der Pilot als Erbauer des Kitfox und mit 732 Stunden Erfahrung auf dem Hochdecker überhaupt noch auf Beschriftungen achten musste. Denkbar ist jedoch, dass er durch die neue Avionik in seiner Konzentration und Routine zu sehr abgelenkt war – und ihm deshalb die folgenreiche Verwechslung unterlaufen konnte.
Das BFU betont, dass die Umkehrkurve in Bodennähe immer ein großes Risiko darstellt. Der kleine Kurvenradius zurück zur Piste 08 in Kombination mit der Bremswirkung des in Startstellung drehenden Propellers (viel Widerstand) dürfte zusätzliche Hürden aufgeworfen haben. Zum raschen Absacken des Zweisitzers könnte durchaus auch eine plötzliche Böe beitragen haben; gemessen wurden Spitzen bis zwölf Knoten bei einer Windstärke von vier bis sechs Knoten aus West-Nordwest. Die Fixierung des Piloten auf die Rückkehr zum Platz verwundert angesichts der Umstände in Birrfeld: In Verlängerung der Piste 26 dehnen sich ebene Felder aus. Für eine Landung dort hätten leichte Kurskorrekturen ausgereicht, der Pilot hätte so eine größere Chance gehabt, einigermaßen kontrolliert aufzusetzen.
fliegermagazin 10/2009
Martin Naß war bis Ende 2021 Redakteur des fliegermagazins und dort auf UL-Themen spezialisiert.
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