Unfallakte

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Motorausfall im Reiseflug: Unfall einer Diamond DA 40D

Fällt bei einer konventionell angetriebenen Einmot die Batterie aus, sind die Folgen unangenehm, aber meist beherrschbar. Bei einem elektronisch gesteuerten Diesel allerdings muss man mit dem Schlimmsten rechnen: Antriebsverlust

Von Redaktion

Die Allgemeine Luftfahrt braucht neue Antriebstechnologien. Das ist unbestritten. Allerdings funktionieren diese oft anders als die bekannten Dinosaurier-Motoren und haben andere Fehlerquellen – das erfordert Umgewöhnung. Gerade eine elektronische Motorsteuerung hält Tücken bereit. Triebwerke mit dieser Technologie arbeiten nur, wenn Strom fließt. Hat man sich mit dem System nicht ausreichend vertraut gemacht, können Störungen fatale Folgen haben.

Dem Piloten einer Diamond DA 40D scheint die elektronische Motorsteuerung seines TAE-Dieseltriebwerks im Mai 2007 offensichtlich noch nicht recht vertraut zu sein. Zwar gilt er mit insgesamt 334 Flugstunden als nicht unerfahren; auf dem viersitzigen Tiefdecker mit Thielert-Antrieb hat er zu diesem Zeitpunkt aber erst sieben Stunden und zwölf Landungen in seinem Flugbuch stehen. An einem sonnigen Vormittag will der 64-Jährige vom Flugplatz Hof-Plauen per VFR nach Calvi auf Korsika fliegen.

Der Flug der Diamond DA 40D startet in Hof-Plauen

Die Bedingungen sind an diesem Spätfrühlingstag optimal: zehn Kilometer Sicht, schwacher Wind aus Nordwest und geringe bis aufgelockerte Bewölkung. An Bord ist ein Passagier mit UL-Lizenz. Noch bevor die DA 40D zum Startpunkt gerollt ist, leuchtet im Cockpit eine Warnmeldung auf, so ergeben spätere Recherchen. Ohne davon Notiz zu nehmen, startet der Pilot um 9.22 Uhr (UTC) und nimmt Kurs Süd-Südwest. Die Anzeige auf dem Panel blinkt auch nach dem Abheben mehrfach auf, der Passagier macht den Piloten sogar darauf aufmerksam. Eine halbe Stunde nach dem Start fallen die Displays des Garmin1000-Avioniksystems aus. Der Pilot trifft nun die Entscheidung, nicht nach Calvi zu fliegen. Die Konsequenz daraus – eine Sicherheitslandung auf dem nächstgelegenen Flugplatz – bleibt allerdings aus.

Eine baugleiche Maschine Diamond DA 40D (Foto: Hersteller)

Stattdessen dreht er nach Norden zurück und versucht, ein GPS-Handgerät und ein externes Funkgerät an das Bordnetz anzuschließen. Als das aber misslingt, aktiviert er die beiden Geräte im Batterie-betrieb. Um die elektronische Motorsteuerung scheint er sich jedoch weniger zu sorgen, obwohl diese ebenfalls vom Bordnetz abhängig ist. Um 10.10 Uhr setzt schließlich das Triebwerk aus. Der Tiefdecker fliegt jetzt etwa 23 Nautische Meilen südlich des Verkehrslandeplatzes Bayreuth. Nach kurzem Gleitflug schafft es der Pilot, den Thielert-Diesel wieder zu starten. Vier Minuten später setzt das Triebwerk erneut aus. Um 10.16 Uhr steuert er antriebslos die Piste 06 von Bayreuth an. Der Approach misslingt gründlich: Im Final über der Schwelle hat die DA 40D noch 500 Fuß Höhe. Dann dreht der Pilot wieder nach Norden.

Sein Ziel: die Grasflächen jenseits der Piste. Auf einem Grasstreifen nahe der Schwelle 24 setzt der Viersitzer auf und überschießt das Flugplatzgelände, dahinter überquert er eine Straße und kracht in die angrenzende Böschung. Pilot und Passagier überleben den Aufprall schwer verletzt. Für die Experten der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BfU) ist bei den folgenden Ermittlungen schnell klar, dass das Unglück bereits am Boden seinen Lauf nahm: Das TAE-Dieseltriebwerk benötigt eine dauerhafte Spannung von 14 Volt für den sicheren Betrieb. Der Strom wird vom Alternator erzeugt, dieser versorgt die so genannte Engine Control Unit A (ECU A) mit Energie. Fällt der Alternator aus, bezieht das System Strom aus der Hauptbatterie, die dabei jedoch entladen wird. Als Backup-Stromversorgung dient die ECU-B-Batterie, sie wird über das Alternate-Power-Relais zugeschaltet und versorgt die Engine Control Unit B mit Energie.

Orientierungslos: Nachdem die Avionik-Displays um 9.50 Uhr ausgefallen sind, fliegt der Pilot anscheinend ziellos Richtung Norden (Foto: Jeppesen)

Der Schwachpunkt dieser redundanten Stromversorgung: Das Backup schaltet sich nur bei plötzlichem und deutlichem Spannungsverlust ein, nicht aber bei einer graduellen Entladung, wie im Fall der DA 40D aus Hof-Plauen. Fällt die Spannung im Bordnetz unter 12,6 Volt, dann leuchtet eine Warnmeldung auf dem Display auf, zusätzlich ist einmalig ein Signalton zu hören. Die Aussagen der beiden Insassen in Bezug auf die Anzeige sind widersprüchlich. Der Pilot gibt an, weder eine Warnmeldung noch einen Signalton bemerkt zu haben. Dagegen sagt der Passagier aus, den Piloten sogar darauf aufmerksam gemacht zu haben. Die Datenaufzeichnungen der ECU zeigen eindeutig, dass die Bordspannung des Tiefdeckers bereits vor dem Start unter 12,6 Volt gefallen war. Der Grund: ein Kabelbruch an der Verbindung zum Alternator. Wird der Motor aber allein von der Hauptbatterie mit Energie versorgt, so ist dessen einwandfreier Betrieb nur noch für 30 Minuten sichergestellt.

Geringe Bordspannung bereits vor dem Start der DA40

Diese Information, zu lesen im Flughandbuch, in Kombination mit der blinkenden Warnmeldung vor dem Start, hätte beim Piloten der Diesel-Einmot ebenfalls alle Alarmleuchten aufblinken lassen müssen. Die richtige Reaktion wäre gewesen: am Boden bleiben. Vermutlich aufgrund mangelhafter Kenntnis des Systems startete der Pilot trotzdem. Begünstigt wurde diese Fehlentscheidung zusätzlich, so die BfU, durch eine unvollständige und unverständliche Darstellung im Flughandbuch, teilweise sogar gegen die Richtlinien der General Aviation Manufactures Association (GAMA): Dort heißt es ausdrücklich, dass Notverfahren (Emergency Procedures) und abnormale Betriebsverfahren (Abnormal Procedures) im dritten Kapitel des Handbuchs zusammengefasst sein müssen. Im Flughandbuch der DA 40D war dies nicht der Fall.

Dass der Pilot eine halbe Stunde nach dem Start immer noch keine Sicherheitslandung einleitete, lässt darauf schließen, dass ihm der Zusammenhang zwischen Strom- und Motorausfall offenbar nicht bewusst war. Zu diesem Zeitpunkt sind die Anzeichen für den Spannungsabfall im Cockpit mit dem Verlust sämtlicher Display-Anzeigen unübersehbar. Die DA 40D aber, so zeigen die Radaraufzeichnungen, drehte jetzt direkt über dem Segelfluggelände Hersruck östlich von Nürnberg nach Norden. An Ausweichplätzen besteht in dieser Gegend kein Mangel: Weiter südlich liegen die Segelfluggelände Altdorf-Hagenhausen und Ottenberg, östlich Fichtelbrunn, Amberg und der Militärflugplatz Vilseck, nördlich die Sonderlandeplätze Lauf-Lillinghof und Pegnitz-Zipser Berg.

Technischer Defekt: Ein Kabelbruch an der Verbindung zum Alternator war Ursache des Stromausfalls (Foto: BFU)

Möglicherweise hat die Notlage im Zusammenspiel mit der mangelhaften Systemkenntnis des Piloten auch Stress im Cockpit ausgelöst und so zu den folgenschweren Fehlentscheidungen beigetragen. Der planlose Flug der DA 40D kreuz und quer über die Oberpfalz bis Bayreuth legt solche Vermutungen nahe. Auch der katastrophale Abschluss dieser Odyssee mit 500 Fuß Überhöhung im Endanflug und dem unbeholfenen Schwenk in Richtung der Grasflächen nördlich der Piste lässt wenig Zweifel daran, dass der Pilot in dieser Phase des Flugs nicht mehr in der Lage war, angemessen auf die Notlage zu reagieren. Später gab er an, durch den Ausfall des GPS keine Informationen über Höhe und Geschwindigkeit mehr gehabt zu haben. Die DA 40D war allerdings auch mit einem mechanischen Fahrt- und Höhenmesser als Backup zur elektronischen Display-Anzeige ausgerüstet.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 11/2009

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