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Piper Seneca stürzt am Flugplatz Osnabrück-Atterheide ab

Nach einem Triebwerksausfall während des Starts gelingt es
einer Zweimot nicht mehr, Höhe zu gewinnen. Der Flug endet
mit einer Bruchlandung. Was ist zur Ursache des Ausfalls bekannt? Eine Unfallanalyse!

Von Martin Schenkemeyer
Totalschaden: Der hohe Zerstörungsgrad der Piper-Zweimot macht es den Unfalluntersuchern unmöglich, die Treibstoffsysteme genauer zu untersuchen.
Totalschaden: Der hohe Zerstörungsgrad der Piper-Zweimot macht es den Unfalluntersuchern unmöglich, die Treibstoffsysteme genauer zu untersuchen. Bild: BFU

Zweimotorige Flugzeuge mit Kolbentriebwerk bieten mehr Sicherheit als ihre einmotorigen Verwandten. Denn sollte ein Motor ausfallen, hat man ja schließlich noch einen zweiten, mit dem man zumindest wieder landen kann. So die Theorie. Je nach Flugzeugmuster und Motorisierung sieht die Realität besonders bei leichten Zweimots häufig anders aus. Ein Unfall mit einer Piper PA-34 Seneca im März 2016 in Osnabrück-Atterheide (EDWO) zeigt das.

Der 30 Jahre alte Berufspilot will am Unfalltag mit drei Begleitern zu einem IFR-Flug nach Offenburg (EDTO) aufbrechen. Am selben Tag soll es wieder zurück nach Osnabrück gehen. Das Flugwetter ist durchwachsen: Der Wind weht aus östlichen Richtungen mit sechs bis zehn Knoten und frischt in Böen auf bis zu 18 Knoten auf. Die Sichtweite beträgt 6000 Meter, die Wolkenuntergrenze liegt bei 2000 Fuß.

Linke Triebwerk der Piper Seneca produziert kaum Leistung

Doch für einen Flug nach Instrumentenflugregeln sind die Wetterbedingungen mehr als ausreichend. Und so hebt die Seneca um 11.05 Uhr auf der Piste 09 des Verkehrslandeplatzes ab. Unmittelbar nach dem Rotieren bemerkt der Pilot, dass das linke Triebwerk kaum noch Leistung produziert. Dabei dreht das Flugzeug aufgrund des asymmetrischen Schubs am Pistenende nach links. Der Flugzeugführer entscheidet sich, den Flug in diese Richtung fortzusetzen, auch wenn die Platzrunde in die andere Richtung verläuft.

Schnell merkt er, dass die verbleibende Triebwerkleistung nicht mehr ausreicht, um die Höhe zu halten. Nach einer weiteren Linkskurve bleibt ihm nur die Bruchlandung auf einer Brachfläche in Flugrichtung, die glücklicherweise 100 Fuß tiefer als der Flugplatz liegt.

Unfallstelle: Der gelbe Kreis kennzeichnet die Unfallstelle, der gelbe Pfeil zeigt den ungefähre Anflugweg zwischen zwei Gebäuden hindurch.

Der Anflug mit böigem Rückenwind führt den Tiefdecker auf Dachhöhe zwischen zwei Gebäuden hindurch. Zwei Minuten nach dem Start setzt das Flugzeug mit der linken Tragfläche zuerst auf, dreht sich um 180 Grad und kommt mit massiven Beschädigungen zum Stillstand. Zwei Insassen werden schwer, die beiden anderen leicht verletzt. 

Unerklärbarer Spritmangel bei der Seneca

Die Untersuchung des Vorfalls sollte die Experten der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung vor etliche Rätsel stellen. Zunächst stand die Beantwortung der offensichtlichsten aller Fragen im Raum. Nämlich die, warum das linke Triebwerk unmittelbar nach dem Abheben an Leistung verlor. Dazu wurde das Aggregat nach dem Unfall in einem Prüfstand wieder in Betrieb genommen. Abgesehen von einer durch den Aufprall beschädigten Kurbelwelle und einem defekten Magneten lief der Motor einwandfrei. Ein mechanisches Problem war also offenbar nicht die Ursache. 

Platzrunde in Atterheide: Nach dem Start auf der »09« drehte die Maschine nach links aus der Platzrunde heraus.

Schnell rückte das Kraftstoffsystem in den Fokus der Ermittler. Dabei stellten sie fest, dass im Kraftstoffverteilerventil des linken Triebwerks zum Zeitpunkt des Unfalls kein Kraftstoff vorhanden war. Der Grund hierfür ließ sich nicht zweifelsfrei feststellen. Die BFU kommt zu dem Schluss, dass ein »sporadisch auftretender Fehler im Kraftstoffsystem« ebenso infrage kommt wie eine fehlerhafte Stellung des Kraftstoffventils. Letztere konnte aufgrund des Zerstörungsgrads der Seneca nicht mehr eindeutig nachvollzogen werden. Eine Fehlbedienung durch den Piloten vor dem Start kann somit nicht ausgeschlossen werden, auch wenn dieser zu Protokoll gab, beide Kraftstoffventile vor dem Abflug geöffnet zu haben. 

Warum reicht verbleibender Motor nicht aus?

Die nächste Frage: Warum reichte der verbleibende Motor nicht aus, um die Zweimot in der Luft zu halten? Die Geschwindigkeit für die beste Steigrate mit einem Motor (Vyse) beträgt bei der Seneca 92 Knoten. Diese wurde jedoch nie erreicht und die Geschwindigkeit während des kurzen Flugs betrug nach dem Leistungsverlust nur zwischen 63 und 74 Knoten über Grund.

Die geringe Fahrt dürfte auch dazu geführt haben, dass der Propeller des ausgefallenen Triebwerks schnell zum Stillstand kam und die so genannten »Start Locks« einrasteten. Sie verhindern, dass der Propeller beim regulären Abschalten des Triebwerks in Segelstellung geht. Sind die Locks einmal eingerastet, ist es unmöglich, die Luftschraube in diese widerstandsarme Position zu bringen, wodurch die Flugleistung der PA-34 massiv beeinträchtigt war. 

Der Pilot gab außerdem an, dass er nach dem Abheben das Fahrwerk nicht einfahren konnte. Auch hierfür gab es keine eindeutigen Beweise, wie die BFU feststellte. Bei der Untersuchung des Wracks wurde der Fahrwerkshebel in der Position „Down“ vorgefunden und das Fahrwerk war entsprechend ausgefahren. Ob es zwischenzeitlich eingefahren und zur Landung wieder ausgefahren wurde, oder aber vom Piloten gar nicht eingefahren wurde oder nicht eingefahren werden konnte, ließ sich nicht zweifelsfrei nachweisen. 

Fehlendes Notfall-Briefing

Die Unfalluntersucher stellten zudem fest, dass die maximale Zuladung des Flugzeugs um zirka 60 Kilogramm überschritten wurde. Dies dürfte die Flugleistung ebenfalls negativ beeinflusst haben. Die BFU kritisiert außerdem, dass vom Piloten kein Briefing durchgeführt wurde, in dem er sich Gedanken um mögliche Notfälle während des Startlaufs und geeignete Notlandemöglichkeiten machte. 

So hätte es südlich des Platzes großzügige Notlandeflächen gegeben, wohingegen die Linkskurve nach dem Start die Piper über bewohntes Gebiet führte. Das Flughandbuch gibt für den Fall eines Triebwerkausfalls außerdem vor, mit drei bis fünf Grad Querneigung in Richtung des noch funktionierenden Motors zu fliegen, also nach rechts, was beim Unfallflug möglicherweise ebenfalls nicht erfolgt ist. Trotz aller Feststellungen heben die Ermittler hervor, dass der Pilot aufgrund der beschriebenen Umstände unter erheblichem Stress und gleichzeitigem Handlungsdruck stand. Fehlerfreie Entscheidungen seien in solchen Situationen nicht selbstverständlich.

Dennoch zeigt der Vorfall, wie wichtig es ist, sich vor jedem Start einen »Plan B« für den Fall des Triebwerkausfalls zurechtzulegen und den vom Hersteller vorgegebenen Verfahren zu folgen. Denn auch wenn der Pilot alles richtig gemacht hätte, wäre die Steigleistung der Seneca mit einem Triebwerk gering gewesen. 

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Über den Autor
Martin Schenkemeyer

Martin Schenkemeyer begann im Jahr 2007 mit dem Segelfliegen. Inzwischen ist er ATPL-Inhaber und fliegt beruflich mit Businessjets um die ganze Welt. In seiner Freizeit ist er als Vorstand seines Luftsportvereins tätig und fliegt an seinem Heimatflugplatz Bad Pyrmont Segelflugzeuge, Ultraleichtflugzeuge und Maschinen der E-Klasse. Für das fliegermagazin ist der Fluglehrer seit 2020 als freier Autor tätig und beschäftigt sich hauptsächlich mit Themen rund um die Flugsicherheit.

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  • Unfallakte
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  • Flugzeugabsturz