Unfallakte

/

Missachtung der Mindestflughöhe: Piper PA-28 verünglückt bei der Landung

Bei einem Rundflug über einer schwäbischen Kleinstadt fliegt ein Pilot viel zu tief und kappt dabei eine Starkstrom-Überlandleitung

Von Redaktion

Piloten diskutieren gern über Sinn und Unsinn bestimmter Regeln. Die oft zitierte Freiheit über den Wolken hat ja durchaus Grenzen, und auch darunter lauern zahlreiche Vorschriften. Eine davon ist die Mindestflughöhe: Vor allem über Städten gibt sie Piloten einen gewissen Spielraum, bei einem Problem ein mögliches Unglück vielleicht noch abzuwenden, denn Höhe bedeutet in der Luftfahrt normalerweise Sicherheit.

Seit dem Inkrafttreten der Durchführungsverordnung SERA Ende 2014 darf man aber zumindest über unbebautem Gebiet auch tiefer gehen als die davor geltenden 2000 Fuß über Grund bei Überlandflügen. Dennoch: Wer zu tief fliegt, bringt sich und andere rasch in große Gefahr. Am 3. November 2014 kommt es nahe des Ortes Tuttlingen im Schwarzwald zu einer folgenreichen Unterschreitung der Mindestflughöhe.

Unterwegs mit der Piper – ein Rundflug wie jeder andere?

An einem trüben Novembertag startet ein Pilot um 10.07 Uhr mit einer Piper PA-28 Cadet vom Verkehrslandeplatz Donaueschingen-Villingen. Er ist seit Oktober 2005 im Besitz der Privatpilotenlizenz. Insgesamt hat er seither 112 Stunden in seinem Flugbuch gesammelt, in den letzten 90 Tagen war er jedoch gerade einmal 30 Minuten in der Luft. Er will einen privaten Rundflug entlang der Donau in Richtung Südosten unternehmen.

Ohne Tücken: Die viersitzige Cadet (hier ein baugleiches Muster) galt als das Einstiegsmodell in die PA-28-Familie (Foto: Archiv)

In Donaueschingen ist der Himmel zwar zunächst bedeckt und dunstverhangen, doch die Bedingungen verbessern sich im Verlauf des Vormittags etwas, sodass zumindest in der näheren Umgebung des Platzes einigermaßen annehmbare Sichtflugbedingungen herrschen. Lediglich in den Flussniederungen der Donau und nahe am Bodensee hält sich der Nebel und teilweise auch Hochnebel zäher.

Nach dem Start verlässt die Piper den Nahverkehrsbereich des Flugplatzes Donaueschingen und folgt dem Flusslauf der Donau zunächst Richtung Tuttlingen. Über der schwäbischen Kleinstadt dreht der Pilot nach Norden und geht in einen leichten Steigflug über. Kurz darauf kurvt er erneut, diesmal linksrum nach Westen, zurück Richtung Donaueschingen. Offenbar bewegt sich die Maschine nun in einem extremen Tiefflug auf dem eingeschlagenen westlichen Kurs. Der 39-Jährige steuert sein Flugzeug zu diesem Zeitpunkt so nah am Boden, dass er möglicherweise sogar die Straßenschilder sehen kann.

Piper PA-28 Cadet im extremen Tiefflug über Tuttlingen

Die unmittelbare Gefahr, die damit von ihm ausgeht und die für ihn selbst besteht, scheint ihm entweder nicht bewusst zu sein, oder er ignoriert sie. Nicht nur, dass ihm das Unterschreiten der Sicherheitsmindesthöhe bei einem Motorausfall keinerlei Spielraum über zum Teil bewohntem Gebiet ließe – in dieser Gegend verlaufen auch noch Starkstrom-Überlandleitungen mit einer Spannung von 20 000 Volt. Eben diese Leitungen werden dem sorglosen Flieger fast zum Verhängnis.

Vermutlich sieht der Pilot das Unglück erst im letzten Moment kommen: Bei seinem extremen Tiefflug über dem Bahnhof von Tuttlingen durchtrennt er mit dem Propeller und den Tragflächen seiner Maschine zwei Leitungen der oberen Traverse. Um 10.28 Uhr schalten sich daraufhin die beiden Leitungssysteme des Umschaltwerks Tuttlingen wegen eines Kurzschlusses automatisch ab. Die gekappten Stromleitungen fallen auf die Bahntrasse des Bahnhofs Tuttlingen, wo sich zu diesem Zeitpunkt glücklicherweise niemand aufhält, und auf die angrenzende Bundesstraße 311. Der Zugverkehr steht für zwei Stunden still.

Stark beschädigt: Der Pilot kann die Piper noch sicher landen, doch die Leitung hat ordentlich in die Cadet gesägt (Foto: Guenter Vollmer)

Die Piper ist durch die Kollision schwer beschädigt, jedoch noch flugfähig. Der Pilot fliegt nach der Kollision umgehend zurück zum Verkehrslandeplatz Donaueschingen, wo er sicher und unverletzt landet. Er meldet den Vorfall und gibt an, während des Flugs eine Stromleitung übersehen und mit dem Propeller gekappt zu haben. Weitere Angaben will er nicht machen.

Nach dem Unfall: Die Maschine fliegt weiter

An der Piper werden nach der Landung die Schäden dokumentiert. Unter anderem hat eine der Leitungen die Motorverkleidung im unteren Bereich auf einer Länge von 15 Zentimetern. Die Eintrittskante der rechten Tragfläche ist auf der gesamten Länge mehrere Zentimeter tief eingedrückt, der Randbogen wurde abgerissen. Es gibt jedoch keinerlei Hinweise auf ein technisches Problem des Triebwerks. Warum der Pilot derart tief über besiedeltem Gebiet flog, bleibt rätselhaft. Der Bericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) zu dem Vorfall ist kurz gefasst. Der offensichtliche und massive Verstoß gegen die Sichtflugregeln bei Überlandflügen, insbesondere gegen das Gebot der Sicherheitsmindestflughöhe, stellen die Ermittler mit einem Auszug aus der Luftverkehrsordnung (LuftVO, Stand 2014 und damit vor SERA) dar.

Darin heißt es: „Über Städten, anderen dicht besiedelten Gebieten, Industrieanlagen, Unglücksorten sowie Katastrophengebieten beträgt die Sicherheitsmindesthöhe mindestens 300 Meter (1000 Fuß) in einem Umkreis von 600 Metern, in allen übrigen Fällen 150 Meter (500 Fuß) über Grund oder Wasser. (…) Überlandflüge nach Sichtflugregeln (…) sind in einer Höhe von mindestens 600 Metern (2000 Fuß) durchzuführen.“ Die Überlandleitung über dem Bahnhof Tuttlingen verlief etwa 28 bis 30 Meter über Grund.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 3/2018

Schlagwörter
  • Unfallakte
  • Piper PA-28 Cadet
  • Mindestflughöhe
  • Durchführungsverordnung
  • SERA
  • Tuttlingen
  • Unterschreitung
  • Donaueschingen-Villingen
  • Cadet
  • Privapilotenlizenz
  • Sicherheitsmindesthöhe
  • Starkstrom-Überlandleitungen
  • schwäbisch
  • Zugverkehr
  • Sichtflugregeln
  • Luftverkehrsordnung
  • Bundesstraße 311
  • Kurzschluss
  • Flieger
  • Vorschriften
  • Piper
  • PA-28
  • Piper PA-28
  • Deutschland
  • Europa
  • Tiefflug
  • Baden-Württemberg
  • Überlandflug
  • Flugbuch
  • Fuß
  • Donau
  • ‎EDTD
  • Schwarzwald
  • BFU
  • Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung
  • Verkehrslandeplatz
  • Propeller