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Luftraumbeobachtung ist wichtig: Beinahe Zusammenstoß einer Aquila mit einem Rettungshubschrauber

Weil das Konzept des „Sehen-und-Gesehen-werden“ nicht funktioniert, endet die Begegnung einer Aquila und eines Rettungshubschraubers beinahe in einer Katastrophe. Eine Unfallanalyse.

Von Martin Schenkemeyer
Aquilla

Für Piloten ist es eine der am meisten gefürchteten Gefahren nach Kontrollverlust und Strömungsabriss: Ein Zusammenstoß mit einem anderen Luftfahrzeug im Flug. Kollisionswarner auf Basis von ADS-B oder Flarm schaffen hier potenziell Abhilfe. Da es im Bereich der EASA aber weder einen einheitlichen Standard noch eine Verpflichtung zur Ausrüstung mit Kollisionswarnern gibt, ist die aufmerksame Beobachtung des Luftraums nach wie vor das einzige verlässliche Mittel, um andere Verkehrsteilnehmer zu erkennen.

Doch das Prinzip „see and avoid“, also das visuelle Erkennen anderer Flugzeuge mit anschließendem Ausweichen, gerät schnell an seine Grenzen. Der Beinahezusammenstoß einer Aquila A210 und eines Rettungshubschraubers vom Typ EC135 im Oktober 2020 nahe Worms veranschaulicht das nach wie vor hohe Risiko, das von Begegnungen im dreidimensionalen Raum ausgeht.

Luftraumbeobachtung: ADS-B und Flarm schaffen Abhilfe

Die zweisitzige Aquila befindet sich an jenem schönen Herbsttag auf einem VFR-Ausbildungsflug mit Start- und Zielflugplatz Worms (EDFV). Für den 22-jährigen Flugschüler ist es der erste Flug im Rahmen seiner Ausbildung zum Privatpiloten. Begleitet wird er von seinem 66-jährigen Fluglehrer. Zum Zeitpunkt des Zwischenfalls fliegt die Einmot in 1000 Fuß auf einem Steuerkurs von 85 Grad und sinkt dabei mit 300 Fuß pro Minute, um in den Endanflug der Piste 06 einzudrehen. Zur selben Zeit ist der Rettungshubschrauber auf dem Weg zu einem Einsatz und fliegt nach Sichtflugregeln auf einem Kurs von 345 Grad in die Umgebung des Flugplatzes Worms ein.

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Der Rettungsassistent bemerkt schließlich ein Flugzeug in der 9-Uhr-Position des Helikopters in drei bis fünf Kilometern Entfernung. Dabei handelt es sich aber nicht um die Aquila. Fortan konzentriert sich die Besatzung darauf, diesen Flieger nicht aus den Augen zu verlieren. Plötzlich ruft der Rettungsassistent „Achtung, Fläche von links!“. Im selben Moment nimmt auch der Pilot die Aquila wahr und geht in den Sinkflug über.

Ausweichmanöver zu spät: Während des Vorfalls sind die beiden Luftfahrzeuge nur 100 Meter auseinander

Der Tiefdecker kreuzt den Flugweg der EC 135 von links nach rechts. Laut Radardaten beträgt der horizontale Abstand zum Zeitpunkt des Vorfalls nur 100 Meter und der vertikale Abstand 100 Fuß. Auch die Besatzung des Flächenflugzeugs hat den Helikopter bemerkt. Der Fluglehrer gibt im Nachgang zu Protokoll, dass es für ein Ausweichmanöver in diesem Moment bereits zu spät war.

Doch wie konnte es dazu kommen, dass beide Besatzungen das jeweils andere Luftfahrzeug viel zu spät erkannten? Die Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) analysierten für die Beantwortung dieser Frage verschiedene Aspekte. Das Wetter war am Tag des Vorfalls gut. Es herrschten CAVOK-Bedingungen mit Sichten von mehr als zehn Kilometern. Unter Berücksichtigung der Flugrichtung der beteiligten Luftfahrzeuge spielte eine Blendung durch die Sonne keine Rolle.

Nur der Heli hat FLARM

Der Vorfall ereignete sich zwar nahe des Verkehrslandeplatzes Worms, aber außerhalb der Platzrunde. Der Rettungshubschrauber stand daher lediglich mit seiner Leitstelle in Funkkontakt. Er hatte weder die Frequenz des Verkehrslandeplatzes noch die des Fluginformationsdienstes (FIS) gerastet. Auch die Besatzung der Aquila stand zuvor nicht mit FIS in Kontakt. Die BFU weist in ihrem Bericht darauf hin, dass die Verkehrsinformationen von FIS oder das Mithören des Funkverkehrs auf der Platzfrequenz durch die EC135-Besatzung den Vorfall möglicherweise hätten verhindern können. Vorgeschrieben ist der Funkkontakt hingegen nicht.

Die technische Ausrüstung der beteiligten Maschinen wurde ebenfalls durch die BFU in Betracht gezogen. Während die A210 keinen Kollisionswarner hatte, war im Drehflügler immerhin ein Flarm-Gerät an Bord. Es warnt jedoch nur vor Gefahren, wenn auch das jeweilige Gegenüber damit ausgestattet ist. Die BFU kommt zu dem Schluss, dass ein Gerät, das zusätzlich vor Kollisionen mit Flugzeugen warnt, die nur Mode-S- oder ADS-B-Signale abstrahlen, den Konflikt möglicherweise frühzeitig aufgelöst hätte.

Visuelle Wahnehmung: Die Luftfahrzeugen hätten sich rechtzeitig sehen können

Darüber hinaus verweist die BFU in ihrem Bericht auf Untersuchungsergebnisse zur visuellen Wahrnehmung anderer Luftfahrzeuge und der notwendigen Reaktionszeit. Legt man die Funktionsweise und visuellen Wahrnehmung eines gesunden Auges zugrunde, so hätten die Piloten der Aquila unter Berücksichtigung der sichtbaren Rumpflänge des Helikopters rund 25 Sekunden vor dem Passieren sehen können. Die Crew des Helikopters hätte die A210 rechnerisch 30 Sekunden vorher erkennen können. Legt man statt der sichtbaren Rumpflänge die Rumpfhöhe zugrunde, so reduzieren sich die Werte auf fünf Sekunden Reaktionszeit für die Aquila- beziehungsweise 15 Sekunden für die Hubschrauber-Besatzung.

Die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA kam in einer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass zwischen dem Erkennen eines anderen Luftfahrzeuges und dem Ausweichmanöver bis zu 12,5 Sekunden vergehen. Danach hätte allenfalls die Besatzung des Rettungshelikopters die Chance gehabt, rechtzeitig ein Ausweichmanöver einzuleiten, wenn sie die Aquila sofort erkannt hätte.

Luftraumbeobachtung ist das A und O

Es bleibt die alte Erkenntnis, dass eine gute Luftraumbeobachtung das A und O ist. Die Ausrüstung von Flugzeugen mit Kollisionswarnern, die Flarm- und Transpondersignale verwerten können, ist ein weiterer Baustein für die zukünftige Unfallverhütung. Ein einheitlicher Standard wäre dabei hilfreich.

Zu guter Letzt ist man im wahrsten Sinne des Wortes gut beraten, Angebote wie den Fluginformationsdienst auf jedem Flug zu nutzen, mindestens jedoch die Frequenzen von Flugplätzen zu rasten und mitzuhören, an denen der eigene Flugweg dicht vorbei führt.

Text: Martin Schenkemeyer

Über den Autor
Martin Schenkemeyer

Martin Schenkemeyer begann im Jahr 2007 mit dem Segelfliegen. Inzwischen ist er ATPL-Inhaber und fliegt beruflich mit Businessjets um die ganze Welt. In seiner Freizeit ist er als Vorstand seines Luftsportvereins tätig und fliegt an seinem Heimatflugplatz Bad Pyrmont Segelflugzeuge, Ultraleichtflugzeuge und Maschinen der E-Klasse. Für das fliegermagazin ist der Fluglehrer seit 2020 als freier Autor tätig und beschäftigt sich hauptsächlich mit Themen rund um die Flugsicherheit.

Schlagwörter
  • Luftraumbeobachtung
  • Kollisionswarngerät
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  • Aquila A210