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Kurvenflug
Ist doch einfach …! Klar, irgendwie schafft jeder Pilot eine Kurve. Aber das reicht nicht: Sauberer Kurvenflug erhöht die Sicherheit und bringt Vorteile. Dazu müssen fortwährend Querneigung, Höhe und „Kugel“ kontrolliert werden
Was mit heutigen Flugzeugen banal erscheint, galt in den frühen Tagen der Luftfahrt als riskant: der Kurvenflug. Schräglagen von mehr als ein paar Grad waren kaum zu beherrschen. Zum Teil lag das an der wenig wirksamen Steuerung um die Längsachse – bevor Querruder aufkamen, gab es Flügelverwindung oder gar nichts, sodass Kurven ausschließlich mit dem Seitenruder geflogen wurden. Zum Teil aber auch an einem mangelhaften Verständnis dessen, was aerodynamisch bei diesem Flugzustand geschieht.
Je mehr Querneigung, umso wichtiger ist der Einsatz des Seitenruders
Separate Ruder für alle drei Achsen haben die Beherrschung des Kurvenflugs erleichtert. Zudem machen es viele Flugzeugmuster dem Piloten leicht, ausschließlich mit Quer- und Höhenruder zu kurven – zumindest flache. Je mehr Querneigung aber im Spiel ist, desto wichtiger ist der koordinierte Einsatz aller Ruder. Warum? Kurvenübungen mit unterschiedlicher Schräglage geben die Antwort. Beginnen wir mit wenig Querneigung. Sie soll ebenso konstant bleiben wie die Höhe, und das Flugzeug soll weder slippen noch schieben, die Flugzeuglängsachse also einen rechten Winkel zum Kreisradius bildet. Dies ist der Fall, wenn die Kugel in der Libelle oder im Wendezeiger (Turn and Bank Indicator) in der Mitte bleibt.
Praktischerweise wählt man eine Flughöhe mit vollen tausend Fuß, damit die Kontrolle einfach ist. Und nicht vergessen: Auch der Luftraum hinterm Flugzeug muss frei sein, bevor die Kurvenübungen beginnen. Ein leichter Querruderausschlag bringt die Maschine in Schräglage. Kurz bevor die gewünschte „bank“ erreicht ist, neutralisiert man das Ruder. Weil die projizierte Fläche der Flügel durch die Schräglage abgenommen hat, ist auch der (senkrecht wirkende) Auftrieb geringer. Der Pilot gleicht dieses Defizit aus, indem er am Höhenruder zieht und so den Anstellwinkel erhöht.
Das Seitenruder verhindert Slippen in Kurven
In Flugzeugen mit differenziert ausschlagenden Querrudern kann er in flachen Kurven das Seitenruder ignorieren; die Kugel bleibt von allein in der Mitte: Weil das kurveninnere Querruder stärker nach oben ausschlägt als das kurvenäußere nach unten, entsteht innen mehr Widerstand als außen – das Flugzeug wird in die Kurve hineingedreht, ohne dass der Pilot um die Hochachse nachhelfen muss. Schlagen die Querruder hingegen nach oben und unten gleich weit aus, slippt die Maschine: die Nase zeigt nach außen. Verantwortlich dafür ist das negative Wenderollmoment. „Negativ“, weil die Maschine beim Hineinrollen in die Kurve gegen die Kurvenrichtung giert. Grund: Am kurvenäußeren Flügel produziert das nach unten ausschlagende Querruder nicht nur erhöhten Auftrieb, sondern induziert auch mehr Widerstand, während am kurveninneren Flügel beides abnimmt.
Differenziert ausschlagende Querruder verlangen wenig Pedalunterstützung
Folglich bleibt der äußere Flügel gegenüber dem inneren zurück – das Flugzeug slippt. Dies kann der Pilot mit dem Seitenruder verhindern; er „koordiniert“ die Kurve. Unterlässt er die Anpassung der Flugzeuglage um die Hochachse, erzeugt der schräg durch die Luft pflügende Rumpf erhöhten Widerstand. Doch Abbremsen ist genau das Gegenteil dessen, was im Kurvenflug erwünscht ist.
Deutlich wird dies bei größerer Schräglage. Während in flachen Kurven das Höhenruder kaum gezogen werden muss, um die leichte Auftriebseinbuße auszugleichen, erzeugt die Tragfläche in steilen Kurven deutlich weniger Auftrieb. Entsprechend mehr Anstellwinkel braucht sie jetzt. Noch mehr Querneigung, noch mehr Anstellwinkel – bis irgendwann der kritische Anstellwinkel erreicht ist, bei dem die Strömung abreißt. Wenn sich der Anstellwinkel dem Limit nähert, das Flugzeug aber keine Höhe verlieren soll, braucht es mehr Fahrt. Also Motorleistung. Die Grenze der Schräglage ohne Höhenverlust wird erreicht, wenn das Flugzeug bei Vollgas gerade so schnell ist, dass es knapp unterhalb des kritischen Anstellwinkels den notwendigen Auftrieb erzeugt.Eine Übung hilft, die richtige Ruderdosierung und Leistungseinstellung im Kurvenflug zu finden. Dazu fixiert man vor dem Eindrehen einen Punkt auf der Frontscheibe, der am Horizont liegt. Geeignet ist eine Fliege, ein Schmutzfleck oder auch die Fingerspitze der auf dem Panel abgestützten Hand. Zusätzlich merkt man sich in der Landschaft ein Merkmal, das dahinter liegt. Ist die gewünschte Schräglage erreicht, versucht man mit dem Höhenruder den Referenzpunkt auf dem Horizont zu halten. Während des Kreisens hat sich folgendes Beobachtungsschema bewährt: Querlage – Höhe – Horizont – Kugel – Fahrt.
Asymmetrie beim Kurven
Rechts- und Linkskurven mögen unterschiedlichen Rudereinsatz erfordern: Flugzeuge mit rechtsdrehendem Propeller brauchen wegen der Antriebseffekte in Linkskurven weniger Seitenruderausschlag als in Rechtskurven. Eventuell müssen die Ruder sogar leicht gegensinnig betätigt werden, um die Kugel in der Mitte zu halten. Eine allerdings nur vermeintliche Asymmetrie ergibt sich aus der seitlichen Position des Piloten in Cockpits mit nebeneinander angeordneten Sitzen. Nach rechts kurvend scheint die Flugzeugnase unter den Horizont zu tauchen, in Linkskurven dagegen hochzukommen. Tatsächlich blickt der links sitzende Pilot dabei nicht über die Cowlingmitte, sondern rechts davon über die Schnauze. Das verleitet ihn zu falschen Höhenruderkorrekturen. Kurz bevor der Vollkreis vollendet ist und das ausgewählte Landschaftsmerkmal hinter dem Referenzpunkt auftaucht, wird die Querneigung zurückgenommen und das Höhenruder nachgelassen. Es braucht ein paar Kreise, bis man als wenig geübter Pilot die Höhe halten und im richtigen Moment die Kurve ausleiten kann. Vor allem steil geflogene Kreise gelingen selten auf Anhieb.
Auch wegen der erhöhten Belastung für Mensch und Maschine sind große Schräglagen anspruchsvoller. Bei 60 Grad Querneigung wirkt die zweifache Erdbeschleunigung. Dabei ist die Stall-Geschwindigkeit 1,41 mal so hoch wie im Normalflug. Warum eigentlich? Weil der schräglagenbedingt „kleinere“ Flügel weniger Auftrieb liefert als ausgelevelt. Folglich muss die Maschine schneller fliegen, wenn beim Anstellwinkel nicht mehr zugelegt werden kann. Zusätzlich kann die Stallspeed im Kurvenflug dadurch erhöht sein, dass die Maschine giert.
Links sitzend scheint die Flugzeugnase in Rechtskurven abzutauchen
Schlägt der Pilot das Seitenruder zu wenig aus, wird die Tragfläche nicht nur in Längsrichtung, sondern auch quer umströmt. Bei Tiefdeckern liegt die kurvenäußere Flügeloberseite dann teilweise im Lee des Rumpfes – weshalb die gestörte Strömung hier eventuell zu einem verfrühten Abriss führt. Tiefdecker rollen dann gegen die Kurvenrichtung nach außen in den Stall. Weniger gefährlich, aber leistungsmindernd ist die Vernachlässigung des Seitenruders im Reise- und noch mehr im Steigflug. Da legen Speed und Steigrate schon mal deutlich zu, sobald der Pilot die Kugel in die Mitte tritt.
Umkehrkurve nach Sichtverlust
Extreme Schräglagen kommen im fliegerischen Alltag selten vor. Manchmal bei Ausweichmanövern oder wenn beim Eindrehen in den Endanflug starker Seitenwind herrscht und der Pilot die Kurve zuzieht, um die Pistenachse nicht zu überschießen. Wenig Fahrt und große Querneigung: in Bodennähe eine gefährliche Kombination!
Häufiger sind Kurven mit moderater Schräglagen. Sie sauber fliegen zu können – genau das ist bei einer Umkehrkurve nach Sichtverlust wichtig. Hilfreich sind dabei Markierungen am Wendezeiger (Turn Indicator). Bringt man die Flügelspitze des Flugzeugsymbols mit der Markierung links oder rechts unterhalb der Neutralstellung in Deckung und leitet nach einer Minute wieder aus, fliegt man genau auf Gegenkurs: Das Instrument ist auf eine Drehrate von drei Grad pro Sekunde geeicht; dies entspricht der Standardkurve beim Instrumentenflug.
Bei Umkehrkurven nicht auf Instrumente verlassen
Der Turn Indicator zeigt also nicht die Schräglage an, obwohl die hängende Fläche des Flugzeugsymbols dies suggeriert. (Ältere Instrumente haben einen senkrechten Zeiger und seitlich davon Markierungen.) Deshalb zuckt das Flugzeugsymbol am Boden, wenn man um eine Kurve rollt, wo keinerlei Schräglage im Spiel ist. Kommt es bei einer Umkehrkurve darauf an, nicht seitlich versetzt (um den Kurvendurchmesser) auf Gegenkurs rauszukommen, sondern auf dem vor der Kurve geflogenen Track, gilt die Regel: Ausgangskurs einprägen, Standardkurve fliegen, bei 80 Grad Abweichung vom Ausgangskurs Wechsel auf Standardkurve in Gegenrichtung und diese beibehalten, bis Gegenkurs zum Kurs vor dem Manöver anliegt. Hilfreich ist diese Variante der Umkehrkurve etwa, wenn man nach dem Umdrehen wieder über einer zuvor benutzten Auffanglinie sein möchte, zum Beispiel einer Autobahn. Es ist also nicht bloß eine Stil-, Effizienz- oder Sicherheitsfrage, den Kurvenflug sauber zu beherrschen. Es kann schlichtweg nützlich sein.
Text & Zeichnungen: Helmut Mauch, Illustrationen: Eric Kutschke fliegermagazin 05/2012
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