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Kontrollverlust beim UL-Überführungsflug: Unfall einer Flight Design CT

Ein UL-Pilot hat erst seit wenigen Tagen die Fluglizenz in der Tasche und
 kauft sich gleich ein leistungsstarkes Luftsportgerät. Beim Überführungsflug verzichtet er auf eine Einweisung 


Von Redaktion

Manchmal sind es die kleinen, vermeintlich nebensächlichen Dinge, die den Umstieg auf ein anderes Muster schwierig machen: Steuerknüppel zwischen den Beinen statt wie gewohnt auf der Mittelkonsole, höhere Sitzposition oder eine feinere Ruderabstimmung. Gerade für diese unscheinbaren Veränderungen sollte man sich Zeit mit einem erfahrenen Begleiter nehmen, um unangenehme Überraschungen beim ersten Alleinflug zu vermeiden – selbst wenn der Wunsch nach Unabhängigkeit und das Selbstbewusstsein nach bestandener Prüfung groß sind. Bei einem UL-Verkauf Anfang des Jahres in Bayern lässt sich der Käufer dagegen von seiner Begeisterung mitreißen – mit fatalen Folgen.

Im unterfränkischen Karlstadt-Saupurzel soll im März ein UL den Besitzer wechseln. Der Käufer hat seine UL-Lizenz erst seit wenigen Tagen in der Tasche. Er ist am Morgen des 5. März vom Verkehrslandeplatz Halle-Oppin mit seinem Fluglehrer in einer C42 zum Segelfluggelände Saupurzel geflogen. Dort will er ein Hochleistungs-UL vom Typ CT 2K des Herstellers Flight Design kaufen. Um 13 Uhr landet die C42 auf dem Segelflugplatz. Dort fliegt der Verkäufer mit dem Interessenten eine kurze Runde von 15 Minuten. Dabei sitzt der Verkäufer auf dem linken Sitz und steuert das UL. Nach der Landung sind die Formalitäten des Verkaufs schnell abgewickelt, und die Maschine wechseln ihren Besitzer.

Frisch erworbene UL-Lizenz: Der Pilot will ein Hochleistungs-UL vom Typ CT 2K des Herstellers Flight Design kaufen

Der noch unerfahrene UL-Pilot will jetzt selbst mit der gerade erworbenen CT nach Hause fliegen und auf eine weitergehende Einweisung durch den Verkäufer oder seinen ehemaligen Fluglehrer verzichten. Zu diesem Zeitpunkt beträgt seine Flugerfahrung lediglich 45 Stunden, alle ausschließlich geflogen auf seinem Schulungsmuster, der C42. Der Verkäufer rät ihm von seinem Vorhaben ab; auch der Fluglehrer versucht ihn davon abzubringen und schlägt vor, dass er selbst die CT überführt, während sein ehemaliger Schüler die vertraute C42 nach Hause steuert. Doch alle Versuche, den UL-Piloten umzustimmen, scheitern: Er besteht darauf, sein eben gekauftes Fluggerät selbst heimzufliegen.

Trümmerbild: Das UL stürzt aus etwa 100 Metern fast senkrecht und unkontrolliert zu Boden und geht in Flammen auf. Der Pilot stirbt bereits beim Aufschlag (Foto: BFU)

Anders als bei Motorflugzeugen gibt es in der UL-Klasse keine Pflicht, beim Wechsel auf ein anderes, anspruchsvolleres Muster oder beispielsweise auf eine Maschine mit Spornrad-Fahrwerk eine Einweisung zu machen – das liegt allein in der Verantwortung des Pilotens. Der 51-Jährige verstaut zwei Taschen in den Gepäckfächern, die hinter den Sitzen liegen und über Außenklappen zugänglich sind. Dann steigt er ins Cockpit. Eine Überwachungskamera auf dem Vorfeld des Platzes zeichnet die kurze Szene auf. Die CT rollt zur Schwelle der Graspiste 09 und beschleunigt wenig später.

Entgegen aller Einwände: Der Käufer fliegt selbst

Der Fluglehrer beobachtet den Startlauf und das Abheben der CT. Er nimmt den Take-off als normal wahr und wendet sich schließlich von der abfliegenden Maschine ab. Der Verkäufer beobachtet das UL dagegen noch länger. Den Anfangssteigflug beschreibt er als sehr steil, bis zu 45 Grad. Dann, in einer Höhe von etwa 100 Metern, dreht der Hochdecker unvermittelt zur Seite ab und kippt fast im selben Augenblick nach unten. Die Maschine stürzt anschließend fast senkrecht in die Tiefe und bohrt sich in den Erdboden. Mit dem harten Aufschlag gerät das UL in Brand. Für den Piloten kommt jede Hilfe zu spät, er stirbt bereits duch die Folgen des Aufpralls.

An der Unfallstelle finden die Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) ein völlig zerstörtes Wrack auf. Es liegt ausgebrannt in Rückenlage auf einem Acker, etwa 75 Meter nördlich der Piste 09. Der Abdruck der Tragflächen reicht zehn Zentimeter tief ins Erdreich; Bugrad und Teile der Rumpffinne sind von der Zelle abgerissen. Auf einer Strecke von zehn Metern in östlicher Richtung liegen mehrere Bruchstücke des Rumpfsegments und des rechten Querruders.

Die CT 2K von Flight Design gilt zwar als leistungsfähiges, aber nicht als ausgesprochen komplexes Muster

Für die Experten der BFU ist das Verhalten des 51-jährigen UL-Piloten schwer nachvollziehbar. An den Überresten des ULs lassen sich keine Hinweise auf einen technischen Defekt mehr feststellen. Die CT 2K von Flight Design gilt zwar als leistungsfähiges, aber nicht als ausgesprochen komplexes Muster. Doch die Unterschiede bei den Rudereingaben und der Wirkung der Quer-, Seiten- und Höhenruder sowie die bessere Performance im Vergleich zur C42 lassen eine ausführliche Einweisung eigentlich als selbstverständlich, zumindest aber als äußerst sinnvoll erscheinen – vor allem bei einem so niedrigen Erfahrungsstand wie im Fall des verunglückten Piloten.

Weshalb er sein ihm noch unvertrautes UL vergleichsweise steil in den Himmel bis zum Strömungsabriss zog und nicht vorher ausleitete (oder nicht mehr ausleiten konnte), bleibt ungeklärt. Auch das Rettungsgerät wurde nicht ausgelöst – möglicherweise hätte es damit eine Überlebenschance gegeben.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 11/2018

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