Unfallakte

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Kompliziertes Tanksystem: Spritmangel in Beechcraft V35B Bonanza

Ein kompliziertes Tanksystem wird dem mit seiner Maschine noch unerfahrenen Piloten zum Verhängnis – und die Notlandung auf freiem Feld misslingt

Von Redaktion
Foto: Tom Fleischman

Wer von den klassischen Schulmaschinen Cessna 150 oder 172 kommt, hat beim Umstieg auf eine schnelle Reisemaschine wie die Beechcraft Bonanza viel zu lernen. Der Gesetzgeber stellt augenscheinliche Besonderheiten des neuen Musters in den Fokus: Einziehfahrwerk und Verstellpropeller erfordern bei der Bonanza eine Unterschiedsschulung mit Fluglehrer und Eintrag ins Flugbuch. Doch solche Maschinen haben meist weitere komplexe Systeme, mit denen ein Umsteiger-Pilot vertraut sein muss – und sie operieren in ganz anderen Geschwindigkeitsbereichen und verhalten sich in kritischen Flugsituationen weniger gutmütig als eine Schulmaschine.

Am 15. Juni 2008 nimmt ein Privatpilot zwei Passagiere bei bestem Wetter mit auf einen Rundflug vom Flugplatz Regensburg-Oberhub. Seit seiner PPL-Ausbildung im Jahr 1996 hat der 49-Jährige 500 Flugstunden angesammelt, vor allem auf Cessna 150 oder 172. Im Sommer 2007 kauft er eine Beechcraft V35B Bonanza. Bei dieser Maschine wurden Zusatztanks an den Flügelspitzen nachgerüstet, doch deren Nutzung bleibt bei der Umschulung außen vor. Die Begründung des Einweisenden: Es liegt zu diesem Zeitpunkt keine Betriebsanweisung für den Gebrauch der Tip Tanks vor.

Erst am Tag vor dem Rundflug kommt die Beechcraft V35B Bonanza aus der Werft

Erst am Tag vor dem Rundflug kommt die Maschine aus der Werft: Fünf Monate hatte die Reparatur von Motor, Propeller und Zelle in Anspruch genommen, nachdem im Winter das Bugrad bei der Landung eingeknickt war. Gleich nach der Reparatur absolviert der Besitzer am 14. Juni 2008 noch einige Flüge mit dem Einweisenden, bevor er am Folgetag mit fünf Stunden Flugerfahrung auf dem Muster zum Rundflug startet. Nach zwei Platzrunden verlässt die Beech um 14.58 Uhr den Bereich in nördliche Richtung. Rund zwanzig Minuten später nähert sich die Maschine wieder dem Platz. Der Pilot meldet sich fünf Minuten nördlich der Piste zur Landung. Zeugen beobachten das Flugzeug beim Anflug und berichten später von ungewöhnlichen oder gar keinen Motorgeräuschen.

Motorprobleme: Die von Norden anfliegende Maschine wird von einigen Zeugen (gelbe Kreise) gehört – mit stotterndem oder ausgefallenem Triebwerk. Sie stürzt einen Kilometer vor dem Platz ab (Foto: BFU)

Etwa zur selben Zeit setzt der Pilot einen Notruf ab und informiert den Flugleiter mit ruhiger Stimme über seine Absicht, eine Außenlandung durchzuführen. Den Grund gibt er nicht an. Es ist die letzte Meldung der Beech. Ersthelfer finden das ausgebrannte Wrack der Beech wenig später etwa einen Kilometer nordwestlich der Schwelle auf einem offenen Feld. Sie können nur noch die leblosen Körper der drei Insassen bergen. Die Spuren an der Unfallstelle weisen jedoch nicht auf eine missglückte Landung hin. Die Beech ist nicht in flachem Winkel aufgeprallt, sondern schon vorher außer Kontrolle geraten und mit großer Schräglage gecrasht. Die Wrackteile sind nur über einen sehr kleinen Bereich verteilt. Die unterschiedlich gebogenen Propellerblätter lassen klar erkennen, dass Motor und Prop zum Zeitpunkt des Aufschlags still standen.

Vor dem Absturz der Beech: Schlamperei bei der Wartung

Bei ihren Ermittlungen stoßen die Spezialisten der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) auf eine lange Liste an Verstößen gegen vorgeschriebene Verfahren bei der vorhergegangenen Instandsetzung der Maschine. Ein Zusammenhang mit dem Unfall ist aber nicht nachweisbar.

Ins Visier geraten auch die Kraft- und Schmierstoffschläuche, die seit elf Jahren nicht ausgetauscht wurden – dies allerdings im Rahmen der Gesetze, auch wenn der Hersteller einen Austausch nach fünf Jahren empfiehlt. Doch der Zustand der Schläuche im ausgebrannten Motorraum ist nicht mehr feststellbar. Die Suche nach der Unfallursache führt die Ermittler schließlich zu den Tip Tanks, für die der Besitzer eine Bedienungsanleitung entwickelt hat. Das Tanksystem ist kompliziert, der Wahlschalter hat fünf Position – für zwei Tanks in jeder Fläche, die beiden Spitzentanks und die Stellung „Off“. Mit der tatsächlichen Tankanordnung im Flugzeug haben die Schalterstellungen aber nichts zu tun, sie erscheinen willkürlich.

Zerstörte Spuren: Nach dem Crash brennt das Wrack fast vollständig aus (Foto: BFU)

Zudem ist das Ventil im Fußraum an der linken Bordwand schwer erreichbar: Der Pilot muss sich nach vorn beugen und das Knie anheben, um die Spritzufuhr umzustellen. Im Wrack ist die letzte Position des Tankwahlschalters klar zu erkennen: direkt neben der Rastung „R Tip“, also rechter Tip Tank. Die Recherchen der BFU ergeben, dass in diesem Zusatztank beim Unfall keine nutzbare Menge Kraftstoff enthalten war: Es fand sich nur ein Viertel Liter Avgas im Tank, ein beim Unfall in der Außenwand entstandener Riss hätte aber eine Restmenge von mehr als fünf Litern erlaubt.

Absturz aus Treibstoffmangel, obwohl noch genug Sprit in den Tanks war

Auch hatte in der Umgebung kein eventuell ausgelaufener Kraftstoff Feuer gefangen. Selbst wenn andere Ursachen für den Triebwerksausfall nicht völlig ausgeschlossen werden können, folgert die BFU, dass der Pilot einen Tank gewählt hat, der spätestens im Anflug auf den Flugplatz leer war – obwohl sich insgesamt ausreichend Sprit an Bord befand. Beim Gleitflug auf das eigentlich gut geeignete Notlandefeld geriet die Maschine dann in eine unkontrollierte Fluglage.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 3/2015

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