Unfallakte

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Kollision mit dem Schleppseil: Robin DR400 im Steigflug

Es ist ein gutes Gefühl, mit dem heimischen Flugplatz bestens vertraut zu sein. Oft kennt man die Piloten der gerade startenden und landenden Maschinen persönlich und freut sich über deren Sprüche im Funk. Alles ist wie immer. Was soll schon passieren?

Von Redaktion

Ein Sonntagmorgen auf einem Segelflugplatz im Sauerland. Es ist Ende August, noch liegt etwas Dunst über dem Boden, aber die Sichten werden langsam besser. Der Westwind frischt auf: 14 bis 19 Knoten – dennoch ist es eine gute Gelegenheit, das Wochenende mit einem schönen Sommertag in der Luft ausklingen zu lassen. Das finden gleich mehrere Luftsportler, und die Vorbereitungen für den Windenbetrieb der Segelflieger in Iserlohn-Sümmern werden am Vormittag gegen 10.45 Uhr abgeschlossen.

Startbereit ist auch eine Echo-Klasse-Maschine, eine Robin DR 400/180 Remorqueur: ein Muster, das gern für den Schleppbetrieb eingesetzt wird. Am Steuer der Remo sitzt ein 79-Jähriger, mit zirka 4100 Flugstunden insgesamt und 300 auf der Robin gilt er als ein erfahrener Pilot. Außerdem ist er unter anderem Fluglehrer für Motorflugzeuge, Motorsegler und Segelflugzeuge, mit ebenfalls jeweils gültigen Klassenberechtigungen. In seinem medizinischen Tauglichkeitszeugnis gibt es lediglich die Auflage, neben der korrigierenden Sehhilfe immer eine Ersatzbrille dabei zu haben.

Sonntagmorgen: Startbereit ist auch eine Echo-Klasse-Maschine, eine Robin DR 400/180 Remorqueur

Die Robin ist eine Vereinsmaschine und mit ihrem Baujahr 1990 und 2400 Stunden Gesamtbetriebszeit für die Zelle vielleicht nicht mehr die jüngste, aber doch in einem guten Zustand. Die letzte Jahresnachprüfung liegt knapp zwei Monate zurück, seitdem war der Viersitzer schon wieder 77 Stunden in der Luft. Der Sonderlandeplatz Iserlohn-Sümmern hat eine unbefestigte Grasbahn, sie ist 760 Meter lang und 30 Meter breit – ein komfortables Areal für fliegerische Aktivitäten, sofern man aufeinander achtet und aufpasst, sich nicht in die Quere zu kommen. Daran haben auch die Betreiber gedacht: In der Flugbetriebsordung gibt es die Auflage, dass ein gleichzeitiger Motorflug- und Windenschleppbetrieb nicht erlaubt ist.

Um 10.45 Uhr hebt die Robin ab – ohne ein Segelflugzeug im Schlepp. Nur eine Minute danach startet eine Schleicher ASK 13 an der Winde zu einem Ausbildungsflug. Der Robin-Pilot möchte zunächst Platzrunden fliegen, er landet bereits nach vier Minuten wieder und startet gleich durch. Die ASK 13 setzt eine Minute später auf, um 10.50 Uhr. Direkt nach ihr macht sich ein weiterer Segler an der Winde startbereit, eine Ka 8. Kurz bevor die Winde um 10.52 Uhr anzieht, ist die Robin bereits erneut im Anflug, dieses Mal mit stehendem Motor: Offenbar übt der Pilot Notverfahren.

Über Funk ist er vom Flugleiter auf den gerade erfolgenden Windenstart hingewiesen worden, worauf er die Rückmeldung gibt: “ … die kann noch vor mir raus.“ Dann schwebt er dicht über den Flugplatzzaun ein und setzt die Remo auf, während nahezu gleichzeitig die Winde die Ka 8 in die Luft bringt. Noch im Ausrollen auf der Piste startet der Robin-Motor nach dem zweiten Anlassversuch, und der Tiefdecker beschleunigt zum Abheben.

Während des Steigflugs bemerken Flugleiter und Fluglehrer am Windenstart, dass der Seitenwind das ausgeklinkte Schleppseil am Fallschirm von rechts diagonal über die Bahn treibt – direkt in den Abflugweg der Robin hinein. Beide warnen den Piloten, nach links abzudrehen. Doch die Warnung erreicht ihren Empfänger nicht, oder er kann nicht mehr schnell genug reagieren: Das abdriftende Seil trifft die Motormaschine an der linken Tragfläche und durchschlägt den Torsionskasten der Flügelnase bis zum Hauptholm. Zwar kappt der Windenfahrer noch das Seil, doch es hilft nicht mehr. Das Flugzeug wird durch die Kollision mit dem Seil und dessen Zug um die Hochachse nach links gedreht und so stark verzögert, dass es am Platzende in einer Linksdrehung in den Wald stürzt.

Keine Hinweise auf Defizite des Piloten, was dessen Erfahrung – auch mit der DR400 – betrifft

Nur vier Minuten später sind Polizei und Rettungskräfte da, doch sie können für den Piloten nichts mehr tun. Er stirbt im Cockpit eingeklemmt noch an der Unfallstelle, das Flugzeug ist komplett zerstört. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) stellt keine Mängel an dem verunglückten Viersitzer fest. Es gibt auch keine Hinweise auf Defizite des Piloten, was dessen Erfahrung – auch mit der DR400 – betrifft. Mit den üblichen Verfahren am Platz sei er ebenfalls vertraut gewesen. Ursächlich für den Absturz ist die starke Verzögerung der Robin durch das auftreffende Schleppseil.

Der Pilot hatte keine Chance, aus dem beginnenden Steigflug heraus den Absturz noch zu verhindern. Zum Unfall geführt hat letzten Endes, dass Motorflug und Windenbetrieb gleichzeitig stattgefunden haben; eine Situation, die das Regelwerk für den Platzbetrieb explizit ausschließt. Die Ermittler der BFU bemängeln in diesem Zusammenhang die unzureichende Verständigung der Beteiligten auf dem Platz: Obwohl die Remo bereits im Landeanflug war, lief die Winde an, um den Segler in die Luft zu bringen.

Obwohl die Remo bereits im Landeanflug war, lief die Winde an, um den Segler in die Luft zu bringen

Viele Freizeitunfälle geschehen in gewohnter Umgebung und immer dann, wenn sich Menschen besonders sicher fühlen und deswegen auch nicht mit Gefahren rechnen. Es heißt, dass bei einer langen Reise die gefährlichsten Kilometer die letzten zwei, drei zurück zur eigenen Haustür sind. Und wer kennt das nicht: Mit zig Platzrunden auf dem Buckel und so viel Erfahrung – wer schaut da noch auf das Anflugblatt geschweige denn in die Ordnung des „eigenen Platzes und pocht auf die Einhaltung aller Regeln? Das weiß man doch alles schon längst …
Vielleicht war diese Mischung aus Routine und dem Gefühl, in vertrauter Umgebung zu fliegen, unter Freunden und zu Hause, auch ein Grund, warum an diesem schönen Sonntagmorgen niemand auf das Naheliegende kam: kurz zu warten, sich besser miteinander abzustimmen – oder einfach das zu tun, was die Platzregeln vorgeben.

fliegermagazin 12/2008

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