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Wer war eigentlich Hanns Klemm?
Das fliegermagazin begleitet in einer Serie die Luftsportgemeinschaft Hanns Klemm bei der Restaurierung einer Kl 107 C. In Teil 2 beleuchtet ein Mitglied der LSG die Lebensgeschichte des Konstrukteurs Hanns Klemm.
Das fliegermagazin begleitet seit einigen Monaten das Restaurierungsprojekt der Luftsportgemeinschaft (LSG) Hanns Klemm in Böblingen. Das Ziel: Eine Klemm 107 bis zur AERO 2023 wieder flugfähig zu machen. Nun gibt es den zweiten Teil unserer Serie zu lesen!
Die Arbeiten gehen gut voran; der Lack des Klemm-Flugzeuges, der D-ECIH ist zwischenzeitlich komplett entfernt. Unebenheiten werden ausgespachtelt und anschließend wird eine Probeklebung mit der Oratex-Bespannung durchgeführt. Parallel prüft das Technik-Team alle Steckverbindungen und Kabel. Die Gestänge aus Metall wurden abgebaut und in einem separaten Vorgang sandgestrahlt.
Zwischendurch lohnt ein Blick auf die Geschichte des Mannes, den die LSG schon in ihrem Namen ehrt. Der Flugzeugkonstrukteur Hanns Klemm hat die Entwicklung der Leichtflugzeuge in Deutschland wesentlich bestimmt.
Zwischen den Kriegen: Fast jeder Pilot lernte auf einer Klemm
Zwischen den Weltkriegen lernte fast jeder Pilot in Deutschland das Fliegen auf einer Klemm. Der Konstrukteur dieser Maschinen wurde am 4. April 1885 in Stuttgart geboren. Zwischen 1903 und 1907 studierte er dort an der Königlichen Technischen Hochschule Bauingenieurwesen. Im Ersten Weltkrieg diente er 1914 als Kavallerist in Frankreich und Belgien. Doch 1915 wurde er so krank, dass er nicht mehr zum Kriegsdienst eingesetzt werden konnte.
Klemm arbeitete zuerst bei der Kaiserlichen Werft Danzig. Zwischenzeitlich arbeitete er Nach als Statiker in der Versuchsabteilung Luftschiffbau Zeppelin in Friedrichshafen und als Chefstatiker bei den Hansa-Brandenburg-Flugwerken. 1918 wurde Klemm Chefkonstrukteur des Flugzeugbaus bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) in Sindelfingen.
Klemm-Flugzeuge: Erste Entwicklungen in Sindelfingen
Hier entwickelte er seine ersten Flugzeugmuster L11 und L14. Sie gingen aber nicht mehr in Produktion. Denn nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde der Flugzeugbau in Deutschland durch den Versailler Friedensvertrag untersagt. Klemm wurde daher technischer Direktor des Karosseriebaus bei Daimler.
Parallel dazu konstruierte er die L15 mit einem 7,5-PS-Motor, die als das erste Leichtflugzeug der Welt gilt. Ebenso wurden von ihm die Muster L20 (ein Tiefdecker) und L21 (ein zweimotoriger Parasol-Hochdecker) entwickelt. Beide schnitten beim Deutschen Rundflug 1925 hervorragend ab.
Erfolgreich: LFK war der größte Arbeitgeber in Böblingen
Nach der Fusion von Daimler mit Benz & Cie. 1926 beschloss das neue Automobilunternehmen Daimler-Benz AG, die Flugzeugfertigung trotz der guten Erfolge aufzugeben. Klemm erhielt die Erlaubnis, den Flugzeugbau in eigener Regie weiterzuführen und gründete 1926 die »Leichtflugzeugbau Klemm o.H.G. (LFK)« in Sindelfingen. Er konstruierte 1927 sein erfolgreichstes Flugzeug: die Klemm L25.
1928 verlegte er sein Werk nach Böblingen an den Rand des damaligen Landesflughafens Stuttgart-Böblingen. Die Belegschaft wuchs von 150 Menschen 1930 auf 2500 im Jahr 1944. So war LFK nicht nur der größte Arbeitgeber in Böblingen, auch die dortige Lehrlingsausbildung galt als vorbildlich. Das Unternehmen galt als technisch innovativ und kommerziell erfolgreich. Von 1927 bis 1947 prägte eine Klemm L25 sogar das Wappen des Oberamts und Kreises Böblingen.
Alltagstauglich und Wirtschaftlich: Klemm-Flugzeuge
Die Vision von Hanns Klemm war es, größeren Bevölkerungsschichten zu ermöglichen, ein Flugzeug zu erwerben und zu unterhalten. Ähnlich wie ein Auto. Dazu musste das Flugzeug seiner Ansicht nach aerodynamisch hochwertig, leicht, einfach in der Herstellung und günstig im Unterhalt sein. Auch wichtig: Es sollte in eine Garage passen.
Aus diesen Gründen waren Klemm-Flugzeuge hinsichtlich Motorenleistung und Geschwindigkeit nicht spektakulär. Sie waren jedoch herausragend in Sachen Wirtschaftlichkeit und Alltagstauglichkeit. 1932 erreichte die Produktion eine Stückzahl von 25 Flugzeugen pro Monat. Auslandsgesellschaften wurden gegründet.
Heinz Rühmann, Elly Beinhorn und Co: Fliegerische Erfolge
Auf vielen Veranstaltungen errangen Klemm-Flugzeuge erste Plätze, und es wurden Weltrekorde erflogen. Viele der damals bekanntesten Fliegerinnen und Flieger wie Liesel Bach, Elly Beinhorn, Marga von Etzdorf, Wolf Hirth, Freiherr von König-Warthausen, Robert Lusser, Heinz Rühmann und Ernst Udet flogen Klemm-Flugzeuge.
Durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 ging der Absatz der Flugzeuge vor allem im Ausland rapide zurück. Der Einfluss der Nazis auf die Wirtschaft nahm immer mehr zu. Zudem sollte LKF in die Aufrüstung der Luftwaffe einbezogen werden. Die grenznahe Lage zu Frankreich galt als Sicherheitsrisiko.
Verlegung des Werkes nach Halle/Saale: Klemm-Flugzeuge
Deshalb erhielt Klemm die Aufforderung vom Reichsluftfahrtministerium (RLM), sein Werk nach Mitteldeutschland zu verlegen. So entstand 1934 ein Flugzeugwerk in Halle an der Saale. Eine große Anzahl von Mitarbeitenden und Klemms Chefkonstrukteur Friedrich Fecher mussten nach Halle übersiedeln. Ende 1934 verließ das erste in Halle produzierte Flugzeug das dortige Werk, eine Focke Wulf Fw 44 »Stieglitz«.
Da Klemm in Halle keine eigenen Entwürfe produzieren durfte, verkaufte er das Werk 1937 an seinen früheren Berliner Werkvertreter Friedrich W. Siebel, der es unter der Werksbezeichnung »Siebel Flugzeugbau Halle K.G.« weiterführte. In Böblingen entstanden dann die Muster Kl 30, Kl 31, Kl 35 und Kl 36.
Bauverbot während Nazizeit: Klemms Austritt aus NSDAP
Doch von 1937 an mussten im Stammwerk auch Teile für Fremdflugzeuge hergestellt werden. Ab 1939 entstanden unter Einsatz der neuartigen Schalungsbauweise die Flugzeugtypen Kl 105, Kl 107 und zuletzt Kl 151. 1940/41 wurde die Produktion der Kl 35 eingestellt; 1943 wurde vom RLM verfügt, dass der Raketenjäger »Me 163 B« im Werk Böblingen zusammengebaut werden sollte.
Die Entscheidung, dass er in seinem Werk keine Klemms mehr bauen darf, bedeutete für Klemm den physischen Zusammenbruch. Zudem hatte in seinem Werk Bespitzelung, Denunziation und Intrige Einzug gehalten. Er besaß keine Entscheidungsfreiheit mehr. Im Mai 1943 wagte Hanns Klemm das Unglaubliche, das zu jener Zeit nahezu einem Selbstmord gleichkam. Er trat aus der Nazi-Partei NSDAP aus. Zur Begründung gab er an: »Ich halte meine Mitgliedschaft bei der NSDAP nicht mehr vereinbar mit meiner Angehörigkeit zur christlichen Gemeinde“
Vernichtung durch Nationalsozialisten: Klemm-Flugzeuge
Die Reaktion auf den Austritt ließ nicht lange auf sich warten. Die Gestapo verhaftete Klemm und nach hartem Verhör lieferte man ihn in die Irrenanstalt ein. Die Ärzte hielten ihn jedoch nicht für verrückt und er wurde nach Hause entlassen. Sein Betrieb wurde beschlagnahmt und an der Spitze ein Reichskommissar eingesetzt.
Im März 1945 sollte er sich bei seinem Hausarzt auf Tauglichkeit für den Volkssturm untersuchen lassen. Dabei machte er eine schwarzseherische Aussage, die dafür sorgte, dass man ihn zum Tode verurteilte. Doch die französische Armee nahm am 28. April 1945 Stuttgart ein; das Todesurteil konnte nicht mehr vollstreckt werden. Nach dem Krieg war Klemms Lebenswerk fast vollständig vernichtet. Fast alle Konstruktionspläne und Berechnungen gingen verloren. Die Werkseinrichtungen waren demontiert, ein Teil der Gebäude zerstört.
Neubeginn: Gründung der Hanns Klemm Flugzeugbau GmbH
1955 wurde Hanns Klemm Ehrenbürger der Stadt Böblingen, 1960 erhielt er das Große Bundesverdienstkreuz. Nachdem 1955/56 der Bau von Flugzeugen wieder freigegeben wurde, versuchte Hanns Klemm gemeinsam mit seinem Sohn Hannsjürgen Klemm den Neuanfang. Sie gründeten die Hanns Klemm Flugzeugbau GmbH. Vor Kriegsende waren bereits 20 Exemplare der Kl 107 gebaut worden. Dieses Flugzeug sollte nun auf den Markt gebracht werden.
Kurz darauf wurde eine Arbeitsgemeinschaft zwischen Klemms Firma und der des Konstrukteurs Ludwig Bölkow gegründet. Bölkow überarbeitete die Pläne der Vorkriegs-107, und die erste Nachkriegs-Klemm startete am 4. September 1956 zu ihrem Erstflug. Der Bau erfolgte bei der Apparatebau Nabern. Im Oktober 1957 wurde dann aus der Arbeitsgemeinschaft die Klemm-Flugzeuge GmbH, wiederum mit Sitz in Böblingen.
Kooperation mit Ludwig Bölkow: Klemm-Flugzeuge
Es entstanden in kurzer Folge die Varianten 107 A und 107 mit unterschiedlicher Motorisierung. Die 107 A hatte einen Continental-Motor mit 90 PS und war gemessen an der Rüstmasse des Flugzeuges zu schwach motorisiert, sodass in Typ B der 150 PS starke Lycoming O-320 eingebaut wurde. Am 1. November 1957 ging die Kl 107 dann in Serie.
Beim Typ C, der seine Musterzulassung am 29. September 1959 erhielt, wurde das Fahrwerk und vor allem die Kabine verbreitert. Die Zusammenarbeit zwischen Klemm und Bölkow war problematisch und der Verkauf lief schleppend, sodass die Klemm-Flugzeuge GmbH am 30. April 1959 aufgelöst wurde und die Rechte der Kl 107 auf die Apparatebau Nabern übertragen wurden. Sie wurde damit offizieller Hersteller.
Das Ende einer Ära: Letzter Klemm-Bau 1961
Mit der Klemm Kl 107 C ging die Ära der Klemm-Flugzeuge in der Nachkriegszeit zu Ende. Die letzte Klemm wurde 1961 gebaut. 55 Exemplare wurden von den drei Kl-107-Varianten zwischen 1956 und 1961 hergestellt. Am 30. April 1961 starb Hanns Klemm in Fischbachau/Oberbayern. Als Halter der Patentrechte von Hanns Klemm existierte die Klemm Technik GmbH in Böblingen noch bis vor wenigen Jahren. Und seine Flugzeuge fliegen immer noch – bald hoffentlich eins in neuem Glanz.
Autor: Claudius Banani Fotos: LSG
Claudius Banani ist Jahrgang 1969, hat seit 20 Jahren eine PPL- und seit zwei Jahren eine UL-Lizenz. Der studierte Betriebswirt ist in der IT-Branche sowie als freier Journalist tätig und ist im Süden Deutschlands zuhause. Besonders interessieren ihn Themen rund um Nachhaltigkeit.
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