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Kaltstarts
Das Anlassen bei sehr kaltem Wetter ist für Flugmotoren eine Tortur, die zu bleibenden Schäden führen kann. Zum Vorwärmen gibt es verschiedene Möglichkeiten – die hierzulande eher unbekannt sind
Klare, klirrend kalte Wintertage – perfekt für einen Flug über traumhaft verschneite Landschaften. In diesem Winter gab es dazu schon im November Gelegenheit. Doch es lauert eine gefährliche Falle: Das Anlassen bei Minusgraden kann Flugmotoren schädigen. So viel Abnutzung wie 500 normale Betriebsstunden könne ein einziger Kaltstart verursachen, behaupten manche Motorexperten. Das mag übertrieben sein, doch die Motorhersteller Lycoming und Continental sind sich einig: Bei Temperaturen von minus sechs Grad und darunter sollte ein Flugmotor vorgeheizt werden, bevor er angelassen wird. Vorsichtigere Naturen raten zum Vorwärmen, wenn das Thermometer unter null Grad fällt.
Es gibt mehrere Gründe für die Probleme bei einem Kaltstart. Zum einen geht es ums Öl: Es ist bei Kälte zäher, daher besteht die Gefahr, dass es beim Anlassen nicht schnell genug alle Bereiche des Motors erreicht und womöglich enge Kanäle im Schmiersystem verstopft. Moderne Mehrbereichs-Öle bleiben allerdings über einen breiten Temperaturbereich flüssig genug. Schwierigkeiten entstehen auch durch den Materialmix in Flugzeug-Triebwerken.
Der Motorblock besteht aus Aluminium, Kurbel- und Nockenwelle dagegen aus Stahl; die Zylinderköpfe ebenso wie die Kolben sind aus Aluminium, die Laufbuchse des Kolbens aus Stahl. Allerdings schrumpft Alu mit sinkender Temperatur doppelt so stark wie Stahl; es dehnt sich bei steigender Temperatur auch doppelt so stark aus. So wird das „Spiel“, also der Zwischenraum zwischen den Bauteilen eines Motors bei Kälte sehr klein. Dadurch kann etwa das schmierende Öl aus Lagern gedrückt werden; im Extremfall könnte sich der Kolben an der Zylinderwand verklemmen und sie zerschrammen. Exakte Daten über tatsächliche Schäden sind allerdings kaum zu bekommen. Hinzu kommt, dass bei großer Kälte die Batterien weniger Leistung bringen und auch die Instrumente leiden – vor allem Kreisel mit empfindlichen Lagern, deren Schmiermittel erhärtet.
Heizen mit Gas oder Strom
Vorheizen wird dem Piloten allerdings nicht leicht gemacht. Alle Methoden, die im Folgenden genannt werden, brauchen Stunden, nicht Minuten, um ein durchgekühltes Triebwerk zu erwärmen.
Die einfachste Lösung ist ein beheizter Hangar – ein Luxus mit Tücken: Taut eine schnee- und eisbedeckte Maschine dort auf, kann Schmelzwasser in verborgene Ecken fließen. Kommt das Flugzeug dann wieder in die Kälte, kann es beim Gefrieren die Steuerung blockieren. Vorheizanlagen sind in Deutschland noch wenig bekannt; die US-amerikanischen Pilot-Shops wie Sporty’s oder Aircraft Spruce haben gleich mehrere Angebote im Programm. Portable Heizungen erzeugen mit Hilfe von Propangas oder Strom warme Luft, die in den Motorraum geblasen wird.
Die wohl kompaktestes Variante ist der Deuce von Aerotherm (siehe großes Foto), der über den Propeller gehängt wird. An einem Schlauch wird vom Gebläse Luft angesaugt, elektrisch erwärmt und dann über den anderen Schlauch wieder in die Cowling geblasen. Derzeit ist nur eine 110-Volt-Variante erhältlich, sie kostet 500 US-Dollar. Unter US-Piloten üblich ist die Kombination mit Zeitschaltanlagen oder elektrischen Schaltern, die per Handy aktiviert werden.Propanbrenner mit Gebläse sind mit Vorsicht anzuwenden, da ihr heißer Luftstrahl Schäden anrichten kann. Dennoch gibt es Eigner, die sich mit Heizern und Schläuchen aus dem Baumarkt eigene Anlagen gebaut haben.
Stecker unter der Haube
Fest am Motor angebaut werden die elektrischen Heizanlagen der US-Hersteller Tanis und Reiff, die beide auch 220-Volt-Versionen anbieten. Ans Stromnetz lassen sie sich über einen normalen Stecker anschließen, der vorn in der Cowling-Öffnung oder unter der Klappe für den Ölpeilstab untergebracht ist. Er versorgt elektrische Heizelemente, die als Band um den Zylinder befestigt oder in die Bohrung für den Zylinderkopf-Temperatursensor geschraubt werden. Zusätzliche Heizflächen kleben an der Ölwanne oder am Motorblock. Manche Neuflugzeuge sind optional bereits mit dieser Ausstattung erhältlich. Wie bei allen Festanbauten sind Zulassungsfragen mit der Werkstatt zu klären. Die Kosten unterscheiden sich nach Motor und Zylinderzahl, liegen aber ohne Einbau unter oder um 1000 US-Dollar.
In jedem Fall sollte man bei Kälte nach dem Anlassen die Drehzahl so niedrig wiemöglich halten, bis die Öltemperatur zu steigen beginnt.Bei zwei Dingen sind sich die Motorhersteller übrigens ebenfalls einig: Das Durchdrehen des kalten Motors von Hand ist bei längeren Flugpausen ebenso schädlich wie Standläufe. Im ersten Fall wird das vor Korrosion schützende Öl von den Zylinderwänden geschabt, im zweiten der Anteil an Kondenswasser und korrosiven Verbrennungsprodukten im Öl erhöht. Besser ist ein mindestens einstündiger Flug – zum Beispiel am klaren Winterhimmel.
Text: Thomas Borchert, Fotos: Hersteller fliegermagazin 01/2011
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