Unfallakte

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Im toten Winkel: Zusammenstoß von Cessna 182 und Robinson R44

Bei Flugtagen und Airshows geht es selbst an kleinen Grasplätzen oft zu wie im Taubenschlag. Gute Kommunikation ist hier lebenswichtig

Von Redaktion

Man kann in der Platzrunde viel über Kommunikation lernen: Was die anderen sehen und mitteilen, kommt nicht immer genauso an, wie es gemeint ist oder wahrgenommen wurde. Die „Stille Post“ vom Sehnerv zum Gehirn, von dort zum Sprechorgan und über die Funkwellen zum Ohr des Adressaten ist mitunter verlustreich, wichtige Informationen bleiben dabei manchmal auf der Strecke.

Genau das passiert am 23. August 2009 auf dem württembergischen Sonderlandeplatz Ellwangen-Erpfental. Dort feiert man an diesem sonnigen Spätsommertag ein Flugplatzfest. Der Verkehr ist dicht, viele Gäste sind gekommen oder noch im Anflug. In den Pausen zwischen den Flugvorführungen drängen sich zahlreiche Neuankömmlinge und abfliegende Maschinen in der Platzrunde des Grasplatzes mit seiner 735 Meter langen Piste. Darunter auch ein Helikopter vom Typ Robinson R44, der Rundflüge durchführt, und eine Cessna F182Q, die Fallschirmspringer auf Absetzhöhe bringt.

Flugplatzfest in Ellwangen: Gedrängel in der Platzrunde

Um 14.50 Uhr startet die Cessna wieder mit mehreren Springern an Bord. Einige Kilometer östlich des Platzes setzt der Pilot seine „Kunden“ in FL115 ab, nachdem er dafür die Freigabe des Radarlotsen von München Radar erhalten hat. Zu dieser Zeit ist auch der R44 wieder in der Luft. Er hat drei Fluggäste an Bord. Wenige Minuten vor ihm sind bereits zwei Tiefdecker der Typs Robin DR400 ebenfalls zu Rundflügen gestartet. Die Cessna erhält nach dem Absetzen der Fallschirmspringer, gegen 15.13 Uhr, die Freigabe für den Sinkflug und passiert kurz darauf FL100. In zwei Linkskurven baut die Skylane Höhe ab, um dann nahe der Ortschaft Röhlingen in einer Rechtskurve Richtung Norden zu drehen.

Nur für Insider: Die F182 fädelte sich in den Endanflug der „internen Platzrunde“ ein. Die ist für Schlepp- und Absetzflüge reserviert (Foto: Archiv)

Eine der beiden DR400 will zu diesem Zeitpunkt bereits wieder zur Landung ansetzen, muss jedoch aus dem Queranflug auf die Piste 12 in eine Warteschleife abdrehen, da noch Fallschirmspringer über dem Platz sind. Die dahinter fliegende DR400 darf ihren Landeanflug derweil fortsetzen und zieht an dem anderen Tiefdecker vorbei. Die Maschine aus der Warteschleife ordnet sich daraufhin hinter ihr als Nummer zwei zur Landung ein. Nun meldet sich der Hubschrauberpilot „im langen Endteil“ der Piste 12 zur Landung.

Auch die Cessna F182Q nähert sich jetzt wieder dem Flugplatz, nachdem sie die Landung der letzten Fallschirmspringer abgewartet und zur Verzögerung S-Kurven geflogen hat. Um 15.18 Uhr dreht sie in einer Rechtskurve ebenfalls ins lange Endteil auf die „12“ ein; sie ist zu diesem Zeitpunkt 1,4 Nautische Meilen von der Schwelle entfernt. Die Maschine fliegt in einer Höhe von 835 Metern MSL, direkt hinter dem Heli. Kurz nachdem der Hubschrauberpilot seine Landeabsicht mitgeteilt hat, meldet sich die Cessna „im langen Endteil“.

Folgenschwere Verwechslung: DR400 oder Cessna 182?

Ein Assistent des Flugleiters bemerkt in diesem Moment vom Turm aus, dass der Hubschrauber und die F182 mit relativ geringem Abstand zueinander anfliegen. Daraufhin fragt er zunächst den Absetzpiloten, ob er den Hubschrauber in Sicht habe. Nachdem dieser verneint, spricht er den Helipiloten an. Der bejaht die Frage. Die wörtliche Antwort ist später nicht mehr zu rekonstruieren, da der Funkverkehr nicht aufgezeichnet wird. Die Angaben variieren zwischen „ja, positiv“ und „Cessna …“ beziehungsweise „Flugzeug in Sicht“. Ein fataler Irrtum, denn er hat höchstwahrscheinlich nicht den Cessna-Hochdecker, sondern die vor ihm zur Landung ansetzende DR400, einen Tiefdecker, in Sicht. Bei der Flugleitung glaubt man nun, die kritische Situation geklärt zu haben. Doch das Gegenteil ist der Fall, und die Piloten haben keine Ahnung, in welche Gefahr sie gerade hineinschlittern.

Der Hubschrauberpilot setzt seinen Anflug in gleich bleibender Höhe mit konstanter Geschwindigkeit fort. Die Cessna dahinter ist jedoch immer noch im Sinkflug und nähert sich der Schwelle etwas schneller als der R44. Als die beiden DR400 bereits gelandet sind, ist die F182 nur noch wenige Meter hinter und über dem Robinson. Dann kracht der Hochdecker mit dem Fahrwerk von oben in den Hauptrotor. Augenblicke später geht der R44 in Flammen auf und stürzt senkrecht zu Boden. Der 42 Jahre alte Pilot und seine drei Fluggäste kommen dabei ums Leben.

Der Flugplatz Ellwangen nach dem Unfall; am unteren Rand das Wrack des aufgeschlagenen Helikopters (Foto: Archiv)

Der Cessna-Pilot spürt die Kollision als harten Schlag. Als er den Anflug fortsetzt, reagiert das Höhenruder nicht mehr, die Längsneigung der Maschine nimmt rasch zu. Er versucht, die Fluglage mit Hilfe der Höhenrudertrimmung zu stabilisieren, um nicht auf die Zuschauer zuzufliegen. Die Cessna schlägt wenige Meter vor der Schwelle auf, der 57-jährige Pilot überlebt den Absturz mit schweren Verletzungen.Wie konnte es dazu kommen, dass die Piloten sich gegenseitig nicht gesehen hatten? Die Experten der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) finden bei ihren Ermittlungen keine Hinweise auf wetterbedingte Sichteinschränkungen, auch der Stand der Sonne war zum Unfallzeitpunkt unkritisch.

Die Position beider Maschinen zueinander im Endanflug hätte kaum ungünstiger sein können

Jedoch, so zeigen weitere Untersuchungen, schränkte das Instrumentenbrett der Cessna und die Flugzeugschnauze die Sicht des Piloten erheblich ein. Auch die Position beider Maschinen zueinander im Endanflug hätte kaum ungünstiger sein können: Der Hubschrauber flog aus Sicht des Cessna-Piloten rechts vor und unterhalb des Hochdeckers. Vom linken Pilotensitz aus war die Sicht auf den R44 deshalb sehr wahrscheinlich stark eingeschränkt.

Die Cessna 182 wurde als F182 in Frankreich von Reims Aviation in Lizenz gebaut (Foto: Adrian Pingstone)

Diese gefährliche Konstellation hätten die Piloten nur durch präzise Positionsmeldungen entschärfen können. Das Gegenteil aber war geschehen: Durch ungenaue Positionsangaben und den Irrtum des Heli-Piloten, der glaubte, die Cessna in Sicht zu haben, verkannten alle Beteiligten die Gefahr. Nach der Zerstörung des Hauptrotors hatte der Hubschrauberpilot die Kontrolle über seine Maschine vollständig verloren, er konnte die Katastrophe nicht mehr verhindern. Es war der 13. Rundflug, zu dem er an diesem Tag gestartet war.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 6/2011

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