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Heli-Unfall beim Parken: Robinson R44 in Straubing
Helikopter können sehr langsam fliegen und auf der Stelle schweben. Da ist die Versuchung groß, sich lästiges Rangieren zu sparen
Manchmal machen Piloten Fehler und wissen sofort, was schiefgelaufen ist. Manchmal dauert es auch etwas länger. Manchmal ist aber nur schwer feststellbar, was überhaupt passiert ist. Je nach Perspektive und Erinnerung der beteiligten oder unbeteiligten Anwesenden erzählt jeder etwas anderes; das tatsächliche Geschehen ist kaum noch zu rekonstruieren – und wird zur Ansichtssache. Ein solcher Fall hat sich am 30. März dieses Jahres im niederbayerischen Straubing ereignet.
Es ist ein sonniger Frühlingstag mit optimalen Sichtflugbedingungen. Der Wind bläst eher zurückhaltend mit drei Knoten aus unterschiedlichen Richtungen. Am späten Nachmittag schwebt ein Helikopter vom Typ Robinson R44 Raven II in Straubing-Wallmühle zur Landung ein. Der Pilot hat auf dem kolbengetriebenen Leichthubschrauber einen Einweisungsflug absolviert. Rechts neben ihm sitzt sein Fluglehrer. Der Flug führte vom Verkehrslandeplatz Landshut nach Straubing. Bis hierhin ist die Einweisung ohne besondere Zwischenfälle verlaufen. Um 17.39 Uhr landet der R44 und schwebt anschließend weiter östlich die Flugzeughallen entlang. Dann dreht er nach Westen, um zwischen den Hallen zu seinem Abstellplatz zu gelangen.
Unfall des R44: Die Piloten sehen es anders
Was in den folgenden Sekunden passiert, ist bis heute nicht vollständig geklärt und lässt sich aus den Berichten der Besatzung und den Beobachtungen einiger Zeugen nicht eindeutig rekonstruieren. Drei Außenstehende berichten, die Maschine sei in einer Höhe von etwa anderthalb Metern zwischen den Hallen geschwebt. Vor einer der Hallen habe der Helikopter dann plötzlich ruckartige Bewegungen nach links in Richtung des Hallentors gemacht. Dann habe der Hauptrotor das Tor berührt, dabei seien Teile des Hauptrotors abgerissen. Der Hubschrauber sei schließlich auf den Kufen zum Stehen gekommen und in Brand geraten. Pilot und Fluglehrer konnten die Maschine gerade noch rechtzeitig verlassen und kamen mit leichten Verletzungen davon.
Die Besatzung hat den Unfall etwas anders erlebt. So gaben die beiden Insassen an, dass sie die Maschine nach dem Schwebeflug vor der Halle abgesetzt hätten. Der Fluglehrer habe sogar bereits die Landezeit notiert, als es plötzlich einen dumpfen Schlag gegeben habe und die Maschine mehrmals von einer Kufe auf die andere geschleudert worden sei. Dann bemerkten die Piloten, dass der Hubschrauber zu brennen begann und verließen fluchtartig das Cockpit.
Zwar kommen die beiden Besatzungsmitglieder glimpflich davon, doch der materielle Schaden ist enorm: Der viersitzige Helikopter wird durch den Brand vollständig zerstört. Außerdem beschädigen die umherfliegenden Teile der Maschine nicht nur das Hallentor, sondern auch einen anderen, in der Halle abgestellten Hubschrauber.
R44: Der viersitzige Helikopter wird durch den Brand vollständig zerstört
Die Recherchen des Unfalls sind für die Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) wegen der voneinander abweichenden Aussagen nicht einfach. Einige Hinweise an der Unfallstelle sprechen durchaus für die Version der Augenzeugen. Das Hallentor, vor dem der Heli außer Kontrolle geriet, ist an mehreren Stellen durchschlagen worden – vermutlich von den Rotorblättern des R44. Die Spur der Einschläge zieht sich von vier Metern Höhe stufenweise abwärts.
Der R44 ist jedoch nur 3,28 Meter hoch: Das könnte dafür sprechen, dass der Hubschrauber beim Einschlag des Rotors in das Hallentor tatsächlich noch im Schwebeflug war. Dann wäre vermutlich ein Pilotenfehler ursächlich für die Kollision. Die Besatzung konnte jedoch auch für ihre Version, bei der der Hubschrauber zum Zeitpunkt der Kollision bereits auf dem Boden gestanden hatte, einige Argumente ins Feld führen. Ein Erklärungsversuch: Der Rotor berührt das Hallentor und zersplittert, umherfliegende Teile verursachen die oberen Löcher.
Schweben verboten
Auch der so genannte Konuswinkel könnte eine Erklärung für die oberen Löcher im Hallentor sein: Die Rotorblätter biegen sich durch den Auftrieb nach oben, ihre Spitzen rotieren also über dem Rotorkopf. Besonders bei schweren Maschinen und hohen g-Kräften ist dies zu beobachten. Allerdings wird der Robinson R44 als Leichthubschrauber klassifiziert, und selbst mit laufenden Triebwerk treten am Boden keine erhöhten g-Kräfte auf. Für die BFU bleibt die Unfallursache offiziell ungeklärt. Fest steht aber bei allen Vermutungen, dass die Piloten gar nicht bis vor das Hallentor hätten schweben dürfen; ein solches Manöver ist in der Benutzerordnung des Flugplatzes Straubing-Wallmühle schlicht verboten. Aus gutem Grund, wie der Unfall zeigt.
Das Luftamt Südbayern hat in einem Bescheid nun nochmals generell Schwebeflüge, Starts und Landungen zwischen Gebäuden untersagt. So muss zwischen Hindernissen ein Mindestabstand von drei Rotordurchmessern eingehalten werden. Zwischen den Hallen in Straubing sind es gerade mal 20 Meter, der Rotor des R44 hat jedoch einen Durchmesser von 10,06 Metern. Immerhin – der Brand des Helis hätte vielleicht vermieden werden können, wenn die vom Hersteller geforderte Nachrüstung mit einem Sicherheitstank schon ausgeführt worden wäre. Dafür hatte der Halter zwar Zeit bis Ende 2014. Ohne diesen Tank jedoch birgt der R44 bei einem Unfall das erhöhte Risiko, Sprit zu verlieren und Feuer zu fangen.
Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 10/2011
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